Models im Rollstuhl, ein männliches Model mit Prothese und eine Schauspielerin mit Downsyndrom – sie alle waren in dieser Woche auf den Laufstegen der New York Fashion Week zu sehen. Die Designerin Carrie Hammer hatte der Schauspielerin Jamie Brewer ein Kleid auf den Leib geschneidert. Die 30-Jährige spielt in der amerikanischen Serie American Horror Story mit und hat das Downsyndrom. Brewer ist das erste Model mit Downsyndrom, das bei der New York Fashion Week auftrat. Sie möchte gern ein Vorbild sein: „Junge Mädchen und sogar junge Frauen sehen mich und sagen: Hey, wenn die das kann, kann ich das auch.“ Sie kommuniziert mit ihren Fans auf Twitter, 80.000 Follower hat sie inzwischen, und twitterte auch hinter den Kulissen der Fashion Week.
Hair Time Now by @NYIBeauty @carriehammer #RoleModelsNotRunwayModels #NYFashionWeek pic.twitter.com/cvigZMG97S
— Jamie Brewer (@MsJamieBrewer) February 12, 2015
Viel Beifall
Auch das italienische Label FTL Moda setzte in diesem Jahr auf behinderte Models und schickte Models im Rollstuhl, mit Gehhilfen und Beinprothesen auf den Laufsteg und erntete viel Applaus. „Letztendlich sind Prothesen oder ein Rollstuhl auch nur Accessoires“, sagte einer Produzenten der Show. Und so präsentierten die behinderten Models stolz die neuesten Fashion-Kreationen des Labels – als sei es nie anders gewesen.
Der 25-jährige Brite Jack Eyers beschritt als erstes männliches Model den Laufsteg der New York Fashion Week mit einer Prothese. Eyers wurde mit einer Fehbildung seines rechten Beins geboren und ließ es sich im Alter von 16 Jahren amputieren. Seitdem läuft er mit einer Prothese. Er engagiert sich bei „Models of Diversity“, einer Agentur, die sich für mehr Vielfalt auf den Laufstegen der Welt einsetzt.
Alles nur Show?
Wandelt sich das klassische Schönheitsideal also gerade, wie einige Kommentatoren begeistert feststellten? Oder ist das alles nur eine Alibi-Veranstaltung, die zeigen soll, dass die Modeindustrie doch nicht so oberflächlich ist, wie alle denken, aber es de facto doch ist? Ist das eine Aktion, die zeigen soll, „Seht her, wir haben mehr als weiße Magermodels mit perfektem Körper im Programm“? Werden körperliche Besonderheiten nun en vogue?
Sicherlich setzen solche Aktionen Zeichen. Vor 10 oder 15 Jahren hätte man kein behindertes Model bei einer Fashion-Show gesehen. Es war einfach undenkbar. Die Modeindustrie ist kein Hort besonderer Vielfalt. Beispielsweise sind rund 80 Prozent der Models auf den Laufstegen weiß. Vor zehn Jahren waren es aber noch 90 Prozent. Es ändert sich etwas, aber nur sehr langsam.
Die Begeisterung beim Publikum war allerdings auch deshalb so groß, weil sie solche Models bei der New York Fashion Week nicht erwartet hatten. Von Normalität oder Inklusion kann also keine Rede sein, denn dann wäre es normal, dass auch behinderte Models Mode präsentieren. Eher spielen die Modelabels mit dem Showeffekt: Man muss anders sein, um aufzufallen. Wenn das die Mode alleine nicht leistet, müssen besondere Trägerinnen her. Dazu eignen sich behinderte Models natürlich perfekt.