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Eurovision Song Contest: Punks mit Down-Syndrom

Sie sind laut, sie sind Punks und sie werden Finnland beim Eurovision Song Contest vertreten: Die Punkband Pertti Kurikan Nimipäivät (PKN) hat den Vorentscheid des Song Contests gewonnen. Drei von vier Bandmitgliedern haben das Down-Syndrom, ein weiteres Mitglied ist Autist. Damit leistet Finnland einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Inklusion.
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„Barrierefreier Zugang? Wo sind wir denn?“

Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll sieht die österreichische Gastrokultur bedroht – durch die Vorgaben zur Barrierefreiheit. Allerdings musste er diese Woche lernen: Die Zeiten, in denen Politiker damit punkten konnten, dass sie Barrierefreiheit als Zumutung verteufelten, sind auch in Österreich vorbei.
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Das Problem mit den Sonderlösungen

Diese Woche habe ich mein Auto auf dem Langzeitparkplatz am Londoner Flughafen Gatwick geparkt, bevor ich eingecheckt habe. Der einzige verfügbare Parkbereich war Bereich E. Mit einer Ausnahme: Es standen überall Schilder, dass Besitzer eines blauen Behindertenparkausweises den Bereich A nutzen sollten. Nur dort gebe es breitere Behindertenparkplätze.

Also fuhr ich in den eigentlich geschlossenen Bereich A und parkte dort auf einem der ausgewiesenen Behindertenparkplätze. Dieser lag auch praktischerweise gleich neben einer Bushaltestelle für den Zubringerbus zum Terminal. Ich begab mich also zur Bushaltestelle und auch im Wartehäuschen gab es wieder Schilder: Der Parkbereich A sei eigentlich geschlossen. Wenn man aber einen blauen Parkausweis habe und das Auto deshalb dort geparkt habe, solle man die Gegensprechanlage nutzen. Man würde dann dem Zubringerbus sagen, doch den Bereich anzufahren.

Einbahnstraße

Ich betätigte also den Rufknopf der Gegensprechanlage und es tat sich erst mal gar nichts. Ich klingelte noch mal. Dann meldete sich eine Stimme. Noch ohne dass ich überhaupt etwas sagen konnte, sagte sie, der Parkbereich A sei gesperrt. Ich solle mein Auto in den Parkbereich E fahren. Ich erklärte ihr, dass ich ja gerade dort geparkt habe, weil ich einen breiten Behindertenparkplatz benötige. Schweigen am anderen Ende.

Dann entdeckte ich ein weiteres Schild. Die Gegensprechanlage sei schon älter. Man müsse den Knopf beim Sprechen gedrückt halten und wenn die Gegenseite spreche, könne man nichts sagen. Die Frau am anderen Ende hatte mich also gar nicht gehört. Unterdessen war ich bereits 10 Minuten an der Bushaltestelle und wollte einfach nur ins etwa 5 Minuten entfernte Terminal.

Mit Glück zum Flughafen

Ich drückte also wieder den Knopf und hielt ihn gedrückt und sagte sofort, ich sei Rollstuhlfahrerin. „Wo ist denn der Rollstuhl? Haben Sie den dabei?“ wollte die Stimme nun wissen. Nun wurde ich langsam etwas ungehalten. „Ich sitze drin. Schicken Sie jetzt einen Bus?“ rief ich und ließ dann den Knopf los, um die Antwort hören zu können. Wieder keine Reaktion. Ich gab auf und hoffte, dass einer der Busse bei dem Weg nach draußen sowieso vorbeifahren würde. Ich hatte Glück. Ich konnte dem Busfahrer zuwinken und er hielt an der eigentlich geschlossenen Bushaltestelle für mich an. Ich war mit 15 Minuten Verspätung endlich in einem Bus, der zum Flughafen fuhr.

Nicht praxistauglich

Ich bin immer skeptisch, wenn ich irgendwelche „Sonderlösungen“ für behinderte Menschen sehe, weil ich schon x Mal erlebt habe, dass sie in der Praxis genauso funktionieren, wie die Gegensprechanlagenlösung in Gatwick. Nämlich gar nicht. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht. Deshalb steht auch im Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes, dass Gebäude und andere Einrichtungen dann barrierefrei sind, „wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“

Die Worte „in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe“ machen den entscheidenden Unterschied aus. Wird es nervig in ein Gebäude zu kommen oder klappt es vielleicht gar nicht, weil keine Hilfe erreichbar oder verfügbar ist wie im Fall mit der Gegensprechanlage? Das Konzept „Da kann ja dann schnell jemand helfen“ funktioniert ganz oft gar nicht und ist in den meisten Fällen gar kein Konzept sondern eine Ausrede.

Sicher ist es besser, beispielsweise eine mobile Rampe zu haben, die man an eine Stufe anlegt, und eine Klingel als gar nichts. Aber es ist ein Unterschied, ob das eine nachträgliche Lösung für ein altes Gebäude ist oder ob einfach jemand bei der Planung nicht nachgedacht hat. Warum ein Flughafen seine Behindertenparkplätze nicht grundsätzlich von Bussen anfahren lassen kann und eine Gegensprechanlage aus Urzeiten hat, erklärt sich mir überhaupt nicht.

 

Ohne Kopfbedeckung

Ich mag Kapuzen nicht sonderlich. Ich mag sowieso nicht gerne irgendwas auf dem Kopf haben. Und ich mag schon gar nicht, wenn mir jemand an den Kopf fasst. Das nur vorweg. Ich habe mir vor Kurzem eine schöne warme Winterjacke gekauft. Diese hat eine Kapuze, was mich nicht weiter störte. Man muss sie ja nicht aufsetzen.

Heute sah das eine Frau völlig anders. Die Frau um die 50 war mir schon in der U-Bahn aufgefallen, weil sie mich ständig anstarrte. Das kommt schon mal vor. Nun gibt es Rollstühle nicht erst seit gestern, aber es gibt immer noch Zeitgenossen, die es nicht fassen können, dass nicht alle Menschen laufen. Ich lächele diese Komischgucker dann freundlich an. Wenn sie merken, dass ich bemerkt habe, dass sie mich anstarren, hören sie meist damit auf. So war es auch bei dieser Frau.

Unerbetene Ratschläge

Und wie der Zufall es so wollte, stiegen die Frau, die mich zuvor so anstarrte, und ich an der selben Station aus. Auch sie nahm auch den Fahrstuhl. Ich zog im Lift meine Handschuhe an, denn ich wusste, ich muss eine große Straße überqueren, um ins Hotel zu kommen. Und die stand voller Wasser, da es regnete. Nicht sehr stark, aber die Straße war nass und ich wollte keine nassen Hände vom Rollstuhlfahren bekommen.

Das wiederum nahm die Frau zum Anlass, mich darauf hinzuweisen, dass es regnete und ich doch besser meine Kapuze aufsetzen sollte. Ich murmelte etwas wie „Jaja, geht schon“ und dachte, damit sei die Sache erledigt. Dass mir unbekannte Menschen aus heiterem Himmel ungefragt Ratschläge geben, bin ich durchaus gewohnt. Meist akzeptieren sie dann aber, wenn ich nicht darauf höre. Nicht so in diesem Fall.

Und bist Du nicht willig…

Ich musste, wie gesagt, eine große Straße überqueren und wartete an der Ampel, dass ich über die Straße konnte. Plötzlich merkte ich, wie von hinten jemand sich an meiner Jacke zu schaffen machte. Ich drehte mich um und da hatte mir auch schon jemand die Kapuze über den Kopf gezogen. Es war die Frau aus dem Fahrstuhl, die mich wiederum darauf hinwies, dass meine Haare nass werden, weil es ja regnete. Ich sagte ihr, immer noch freundlich, das gehe schon. Mein Weg sei nicht weit.

Dieses Argument ließ sie aber keinesfalls zu, sondern fing gerade an, die Bändel der Kapuze vorne unter meinem Kinn zuzuziehen. Wenn ich zuvor schrieb, ich mag nicht gerne, wenn Leute auf meinen Kopf fassen, impliziert das, dass das schon mal vorkommt. Und tatsächlich, es gibt erwachsene Menschen die anderen erwachsenen Menschen, nur weil diese auf Kinderhöhe sitzen statt zu stehen, auf den Kopf fassen.

Dass es aber auch Menschen gibt, die sich an meinem Hals zu schaffen machen und mich behandeln wie ein Kindergartenkind, das sich seine Jacke nicht richtig anziehen kann, ist auch für mich neu. Nach einer Schrecksekunde nahm ich also die Hände der Frau von meinem Hals und sagte ihr etwas ungehalten, dass ich durchaus in der Lage sei zu entscheiden, wie ich mich anziehe und sie solle mich in Ruhe lassen.

Wenn das jeder machen würde

Sie ging dann auch wirklich. Und ich musste, so bescheuert und übergriffig die Situation auch war, fast lachen. Nicht auszudenken, wenn mehr Menschen sich so verhalten würden, nicht nur bei Rollstuhlfahrern, sondern einfach bei jedem. Einfach mal die Kleidung eines anderen auf der Straße richten: mal einen Schal umlegen oder das Hemd des anderen weiter zuknöpfen. So lange sich das gesamtgesellschaftlich aber noch nicht durchgesetzt hat, fahre ich auch weiterhin ohne Kopfbedeckung bei Regen und wehre jeden ab, der versucht, das zu ändern.

 

Behinderte Models bei der New York Fashion Week

Models im Rollstuhl, ein männliches Model mit Prothese und eine Schauspielerin mit Downsyndrom – sie alle waren in dieser Woche auf den Laufstegen der New York Fashion Week zu sehen. Die Designerin Carrie Hammer hatte der Schauspielerin Jamie Brewer ein Kleid auf den Leib geschneidert. Die 30-Jährige spielt in der amerikanischen Serie American Horror Story mit und hat das Downsyndrom. Brewer ist das erste Model mit Downsyndrom, das bei der New York Fashion Week auftrat. Sie möchte gern ein Vorbild sein: „Junge Mädchen und sogar junge Frauen sehen mich und sagen: Hey, wenn die das kann, kann ich das auch.“ Sie kommuniziert mit ihren Fans auf Twitter, 80.000 Follower hat sie inzwischen, und twitterte auch hinter den Kulissen der Fashion Week.

Viel Beifall

Auch das italienische Label FTL Moda setzte in diesem Jahr auf behinderte Models und schickte Models im Rollstuhl, mit Gehhilfen und Beinprothesen auf den Laufsteg und erntete viel Applaus. „Letztendlich sind Prothesen oder ein Rollstuhl auch nur Accessoires“, sagte einer Produzenten der Show. Und so präsentierten die behinderten Models stolz die neuesten Fashion-Kreationen des Labels – als sei es nie anders gewesen.

Model im Rollstuhl
© Selcuk Acar / Getty Images

Der 25-jährige Brite Jack Eyers beschritt als erstes männliches Model den Laufsteg der New York Fashion Week mit einer Prothese. Eyers wurde mit einer Fehbildung seines rechten Beins geboren und ließ es sich im Alter von 16 Jahren amputieren. Seitdem läuft er mit einer Prothese. Er engagiert sich bei „Models of Diversity“, einer Agentur, die sich für mehr Vielfalt auf den Laufstegen der Welt einsetzt.

Alles nur Show?

Wandelt sich das klassische Schönheitsideal also gerade, wie einige Kommentatoren begeistert feststellten? Oder ist das alles nur eine Alibi-Veranstaltung, die zeigen soll, dass die Modeindustrie doch nicht so oberflächlich ist, wie alle denken, aber es de facto doch ist? Ist das eine Aktion, die zeigen soll, „Seht her, wir haben mehr als weiße Magermodels mit perfektem Körper im Programm“? Werden körperliche Besonderheiten nun en vogue?

Model im Rollstuhl
© Selcuk Acar / Getty Images

Sicherlich setzen solche Aktionen Zeichen. Vor 10 oder 15 Jahren hätte man kein behindertes Model bei einer Fashion-Show gesehen. Es war einfach undenkbar. Die Modeindustrie ist kein Hort besonderer Vielfalt. Beispielsweise sind rund 80 Prozent der Models auf den Laufstegen weiß. Vor zehn Jahren waren es aber noch 90 Prozent. Es ändert sich etwas, aber nur sehr langsam.

Die Begeisterung beim Publikum war allerdings auch deshalb so groß, weil sie solche Models bei der New York Fashion Week nicht erwartet hatten. Von Normalität oder Inklusion kann also keine Rede sein, denn dann wäre es normal, dass auch behinderte Models Mode präsentieren. Eher spielen die Modelabels mit dem Showeffekt: Man muss anders sein, um aufzufallen. Wenn das die Mode alleine nicht leistet, müssen besondere Trägerinnen her. Dazu eignen sich behinderte Models natürlich perfekt.

 

Nicht alleine ins Schwimmbad

Zehn Jahre lang geht Angelika Höhne-Schaller in ihrem örtlichen Bad alleine schwimmen. Dann übernimmt die Stadt selber den Betrieb des Bades. Seitdem wird der Frau, die sehbehindert ist, der Zugang zum Schwimmbad verweigert, wenn sie keine Begleitperson mitbringt. Mit dieser Posse schafft es gerade die Titania-Therme im schwäbischen Neusäß bundesweit in die Medien.

Thermen-Chef und Stadtbaumeister Dietmar Krenz sagt: „Wir haben eine gewisse Verantwortung für unsere Benutzer und die nehmen wir auch ernst.“ Die Verantwortung sieht er darin, behinderten Besuchern den Zugang zum Bad grundsätzlich zu verweigern, wenn diese keine Begleitperson mitbringen. Die Schwimmbadsatzung sieht das genauso vor. Sie setzt behinderte Besucher mit Kindern unter acht Jahren gleich. Die Frau zieht jetzt gegen die Stadt vor Gericht. Sie will sich nicht aufgrund ihrer Sehbehinderung diskriminieren lassen.

Kein Einzelfall

Wer glaubt, das sei ein Einzelfall, der irrt. Von Schwimmbädern, über Diskotheken bis hin zu Kinos, es gibt immer noch Serviceanbieter und Dienstleister, die behinderte Menschen als Sicherheitsrisiko und nicht als Kunden ansehen. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, in der deutschen Bäderlandschaft geht die Zeit rückwärts. Vor 20 Jahren konnte ich als behindertes Kind und Jugendliche problemlos alleine in jedes Schwimmbad. Warum heutzutage behinderten Erwachsenen der Zugang verweigert wird, ist kaum zu erklären. Die Welt redet von Inklusion behinderter Menschen in die Gesellschaft, während die Bäderbetreiber ihre Türen für behinderte Menschen verschließen.

Schon 2006 hatte der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) von den deutschen Bädern verlangt, dass diese ihre Satzungen ändern. Damals war in Sindelfingen einer blinden Frau der Zugang ins Schwimmbad verweigert worden. Dabei geht es in den wenigsten Fällen um konkrete Gefahren, sondern um Hysterie und Diskriminierung.

Falsche Einschätzungen von außen

Wie selbstverständlich behinderten Menschen aber die eigene Urteilsfähigkeit abgesprochen wird, zeigt die Stadt Neusäß eindrucksvoll. Man traut der Frau nicht zu, dass sie sich alleine orientieren kann, sagt das Bad. Es sei zu laut für sehbehinderte Besucher, die Rutschen zu gefährlich, es könnte eine Tasche im Weg stehen. Dabei maßt man sich an, zu beurteilen, was die Kundin kann und was sie nicht kann, obwohl sie seit zehn Jahren beweist, dass sie das Bad problemlos nutzen kann. Wenn man bedenkt, wie viele Vorurteile und falsche Vorstellungen es über Behinderung, in dem Fall über Sehbehinderung gibt, gehen solche Einschätzungen von außen fast immer schief.

Was ein einzelner behinderter Mensch kann oder nicht, ist höchst individuell. Während sich vielleicht ein gerade frisch erblindeter Mensch schwer tut, sich überhaupt zu orientieren, ist es für einen gut geübten blinden Menschen kein Problem, durch den Straßenverkehr zu navigieren oder sich eben in einem Schwimmbad zurechtzufinden. Angelika Höhne-Schaller verfügt sogar über eine Restsehfähigkeit. Aber auch vollblinde Menschen sind durchaus in der Lage, sich alleine zurechtzufinden, wenn sie zum Beispiel gelernt haben, sich mit einem Blindenlangstock zu orientieren. Dafür gibt es ein Mobilitätstraining. Alle behinderten Menschen über einen Kamm zu scheren, ist sicher nicht die Lösung und nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wohl auch rechtswidrig.

Behinderte Menschen sind keine Kinder

Der Neusäßer Bürgermeister Richard Greiner kann nicht verstehen, dass Angelika Höhne-Schaller vor Gericht ziehen will, um sich ihr Recht auf den selbstbestimmten Schwimmbadbesuch zu erkämpfen. „Wir gehen so vor, wie es sachgerecht ist“, teilte er mit. Das ist wohl genau das Problem: Es geht hier nicht um eine Sache, die man vom Schreibtisch aus regulieren kann, sondern um Menschen, die am gesellschaftlichen Leben teilnehmen möchten und daran gehindert werden. Inklusion muss nicht immer viel kosten. Manchmal reicht es, wenn einige Verantwortliche ihre Vorurteile ablegen und behinderte Menschen nicht behandeln wie Kinder.

 

Das Prinzip Gartenstuhl

Es gibt nichts, was ich besser kann als improvisieren und Lösungen finden. „Geht nicht, gibts nicht“, hat meine Oma immer gesagt und so überlege ich mir immer, wie etwas doch gehen könnte statt zu verzweifeln, wenn es etwas nicht so klappt, wie ich mir das vorgestellt habe. Mein Hotelzimmer ist gerade so ein Fall.

Das Hotel hat ein vorbildlich barrierefreies Zimmer. Einziger Haken: Es ist ein Raucherzimmer. Wie man als Hotel ein barrierefreies Zimmer ausgerechnet als Raucherzimmer auslegen kann, wenn man nur eines hat, wird mir immer ein Rätsel bleiben, aber es ist so. Ein barrierefreies Nichtraucherzimmer gibt es nicht.

Rauchende Nachbarn

Als ich ankam, sagte man mir, es sei seit drei Monaten nicht mehr bewohnt gewesen, man habe gut gelüftet und tatsächlich, in der ersten Nacht roch es auch kaum nach Rauch in dem Zimmer – bis die Nachbarn einzogen, die offensichtlich Raucher sind. Und so zog deren Qualm über die Klimaanlage schön erst ins Bad und dann ins Zimmer selbst.

Also fragte ich an der Rezeption, ob ich mal ihre nicht barrierefreien Zimmer ansehen könne. Wenn das Bad groß genug ist, komme ich oft auch so zurecht. Man sagte mir, man habe sogar freie Appartements. Ich könne eines zum gleichen Preis haben. Diese sind größer als die regulären Zimmer. Und ja, das Zimmer war in der Tat völlig in Ordnung für mich. Ich kam sogar ins Bad. Das einzige Problem: Es gab keine Griffe an der Toilette, was für mich als Rollstuhlfahrerin das Umsteigen schwieriger macht. Aber das war ich bereit zu akzeptieren, um dafür nicht eingeräuchert zu werden.

Kein Duschstuhl

Das zweite Problem war schwerwiegender: Es gab keinen Duschstuhl. Der Duschstuhl im barrierefreien Zimmer war fest montiert. Ich kann ja nicht stehen. Also brauche ich einen Stuhl in der Dusche. Den eigenen Rollstuhl mit in die Dusche zu nehmen, ist nicht so toll. Die Sitzbespannung wird nass, trocknet schlecht und für den Rollstuhl insgesamt ist das auch nicht gerade lebensverlängernd.

Nun stehe ich nicht zum ersten Mal vor diesem Problem. Ich fragte also das Hotelpersonal, ob sie mir einen Hocker oder einen wetterfesten Gartenstuhl besorgen könnten. Die meisten Hotels haben irgendwelche Grünflächen. Und für diese gibt es meistens auch Stühle, die wetterfest sind und denen eine Dusche nichts ausmacht. Man sah sich etwas ratlos an, aber dann gingen zwei Mitarbeiter auf die Suche in den Kellerräumen des Hotels. Und tatsächlich, man fand einen Stuhl. Zwar nicht sehr bequem aber dennoch für die Zwecke ausreichend. Ich legte ein Handtuch darüber und schon hatte ich eine für mich nutzbare Dusche.

Lösung Gartenstuhl

Nur die Rezeptionistin hatte Bedenken. Ob ich sicher sei, dass das nicht gefährlich ist. Deshalb gebe es ja barrierefreie Zimmer. Ich musste etwas schmunzeln. Wenn sie wüsste, wie die Zimmer ihrer Konkurrenz teilweise aussehen. Da ist eine Gartenstuhllösung schon fast elegant.

Gartenstuhl

Selbst in als barrierefrei ausgewiesenen Zimmern kommt es vor, dass man den Duschstuhl einfach vergessen hat. Und so versicherte ich ihr, dass ich vermutlich tausende Nächte meines Lebens in Hotels verbracht habe und gewohnt bin, auf Gartenstühle und andere provisorische Lösungen auszuweichen. Das hat sie dann doch überzeugt und ich durfte mit meinem Gartenstuhl dort weiter wohnen. Ganz rauchfrei.

Inklusion funktioniert übrigens auch in vielen anderen Bereichen ganz genauso wie meine Gartenstuhllösung. Man muss einfach schauen, wie etwas dennoch funktionieren kann statt nichts zu tun und mit den Schultern zu zucken – das Prinzip Gartenstuhl funktioniert öfter als man glaubt.

 

„Die Entdeckung der Unendlichkeit“

Eddie Redmayne hat den britischen Filmpreis BAFTA für seine Rolle im Film „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ bekommen. Er spielt den weltberühmten Physiker Stephen Hawking. Der Film zeigt die ersten Jahre Hawkings an der Universität Cambridge. Er zeigt auch die ersten Anzeichen von ALS, einer unheilbaren Nervenerkrankung, durch die Hawking erst einen Rollstuhl braucht, dann auch einen Sprachcomputer nutzt, um zu kommunizieren. Aber auch von Hawkings Familie handelt der Film, nicht zuletzt von seiner Frau Jane. Ihre Autobiografie war Grundlage für den Film.

In ihren Memoiren Die Liebe hat elf Dimensionen: Mein Leben mit Stephen Hawking beschreibt sie, wie sie ihn Anfang der sechziger Jahre an der Uni kennenlernt, als beide noch Studenten waren. Kurz darauf wird bei Hawking ALS festgestellt. Hawking habe nur noch zwei Jahre zu leben, sagen ihm die Ärzte.

Gespräche und Recherche zu ALS

Redmayne spielt die Rolle von Stephen Hawking großartig. Der BAFTA ist absolut verdient – obwohl ich eigentlich lieber behinderte Schauspieler in der Rolle von behinderten Menschen sehe. Aber ALS verläuft nun einmal fortschreitend, was es schwierig macht, die Rolle mit einem behinderten Schauspieler zu besetzen. Möglich wäre es dank Maskenbildnern dennoch.

Die Kritiker fanden vor allem überzeugend, wie glaubwürdig Redmayne die Krankheit ALS zeigte. Dafür hatte er sich mit Menschen, die ALS haben, getroffen und umfangreich recherchiert. Ich fand seine Darstellung manchmal ein wenig überzeichnet, aber nie massiv störend. Dennoch sah man mit geübten Augen an einigen Stellen, dass ein nicht behinderter Schauspieler eben schauspielert.

Was mir an dem Film hingegen gut gefallen hat, war die Darstellung von Behinderung, ohne ins Schmierige abzurutschen und Mitleidseffekte mitzunehmen. Im Gegenteil, der Film zeigt so pragmatische Dinge wie die Organisation der Assistenz, die mangelnde Barrierefreiheit der Uni. Sogar das Thema Sexualität kommt zur Sprache, denn das Umfeld der Familie Hawking war sichtlich überrascht, dass dieser trotz starker Behinderung drei Kinder zeugen konnte.

Nur einmal kitschig

Nur eine Szene gefiel mir nicht: Als Hawking sich vorstellt, dass er aufstehen kann und einer Zuhörerin in der ersten Reihe den Stift aufhebt, der ihr heruntergefallen ist. Das war mir zu kitschig und unnötig.

In den britischen Medien wurde nicht zuletzt das Thema Sexualität und Behinderung diskutiert. So hat Hawking nicht nur wichtige Pionierarbeit im Bereich der Physik geleistet, sondern indirekt offensichtlich auch in diesem Bereich. Ich musste etwas schmunzeln, als ich den ein oder anderen Kommentar gelesen habe. Die pure Information, dass jemand wie Hawking nicht enthaltsam lebt oder leben muss, scheint für so manchen Filmkritiker neu gewesen zu sein.

Ich fand einen anderen Aspekt viel interessanter: Hawkings Frau hat ihre Karriere aufgegeben, um sich um ihren Mann zu kümmern. Das wurde damals wohl als selbstverständlich angesehen. Er hingegen machte eine steile Karriere, weil er einfach so gut war, dass seine Genialität die Behinderung überlagerte. Er kämpfte mit den Stufen an der ehrwürdigen Uni, tat sich zunehmend schwerer damit, Vorträge zu halten und dennoch zählte am Ende eines: sein Können.

Als Hawking gar nicht mehr sprechen kann, hilft ihm ein Sprachcomputer, zu kommunizieren und Vorträge zu halten. Er schreibt einen Bestseller mit dem Computer und seiner Eingabesoftware. Das fand ich eine der wichtigsten Botschaften des Films: Wer kommunizieren kann, kann die Welt verändern. Dafür muss man unter Umständen die Möglichkeiten schaffen, aber am Ende geht es eben doch. Der Film zeigt, was mit Behinderung möglich ist und bejammert nicht, was angeblich nicht geht.

 

Hupende Mütter

Diese Woche war es wieder so weit. Ich habe eine Mutter aufgehalten. Sie war auf dem Weg, ihr Kind zur Schule zu bringen. Für rund 30 Sekunden etwa musste sie warten, bis ich meinen Rollstuhl ins Auto geladen hatte. Die Reaktion dieser Frau und der anderen, mit denen ich ähnliche Erlebnisse hatte, lässt mich erahnen, dass dieser Schulweg keineswegs nur ein Weg ist, sondern für diese Eltern ist es so etwas wie eine Mission. Anders ist ihr Verhalten nicht zu erklären. Denn anstatt einfach kurz zu warten, bis mein Rollstuhl verladen ist, hupen sie mich an und glauben wohl ernsthaft, ich steige davon schneller in mein Auto ein.

Ich gebe zu, das ist nicht das erste Mal, dass ich eine Mutter auf ihrer Mission behindert habe. Ich lade öfter meinen Rollstuhl ins Auto ein. Auch zu Zeiten, wenn Mütter ihre Kinder zur Schule bringen – mit Vätern auf dem Schulweg hatte ich dieses Erlebnis bislang noch nicht. Und weil ich in einer kleinen Straße mit vielen Anwohnerparkplätzen wohne und diese verkehrsberuhigt ist, passt kein Auto an meinem Auto vorbei, wenn ich meinen Rollstuhl einlade, solange die Fahrertür offen ist. 30 Sekunden dauert das etwa. Ich setze mich auf den Fahrersitz und ziehe den Rollstuhl hinter mir rein. Fertig.

Tolle Vorbilder

Für die Mütter auf dem Weg in die zwei Straßen weiter entfernte Grundschule bedeutet das, ihr ach so toller Plan, durchs Wohngebiet zu brettern statt die Hauptstraße zu nutzen, geht nicht auf. Das Kind kommt 30 Sekunden später als geplant an. Vermutlich sind sie eh schon zu spät. Panik. Und was macht man dann mit all diesem Stress? Man stellt sich hinter mich und hupt. Und das ist mir nicht nur einmal passiert. Die Mutter, die mich diese Woche anhupte, war bereits Mutter Nummer Vier in den vergangenen Monaten.

Die sehen genau, dass ich meinen Rollstuhl einlade und nicht aus Jux die Tür noch offenstehen habe. Als ob mein Rollstuhl davon schneller im Auto verschwinden würde, wenn sie mich anhupen. Manchmal wird auch geschrien. Ich rufe dann ab und zu zurück, wenn es mich zu arg nervt und erinnere sie dann gerne daran, was sie gerade für ein tolles Vorbild für ihre Kinder sind. Behinderte Straßenverkehrsteilnehmer einfach weghupen ist sicher eine prima Lektion, die man Kindern auf dem Schulweg so nebenbei erteilen kann.

Wie andere reagieren

Einmal standen zwei Autos hinter mir und warteten, dass ich den Rollstuhl eingeladen hatte. Im ersten saß eine Mutter mit ihren Kindern. Im zweiten ein Mann. Es dauerte nicht lange, da fing die Mutter an zu hupen, weil es ihr offenbar nicht schnell genug ging. In dem Moment öffnete sich die Fahrertür des Autos dahinter. Erst dachte ich, der Mann wolle mir jetzt auch noch persönlich sagen, wie doof er findet, dass ich da jetzt meinen Rollstuhl einlade und stellte mich schon mal auf eine unschöne Diskussion ein. Aber es kam anders. Der Mann stieg aus, ging zum Fahrerfenster der Frau und klopfte dagegen. Sie ließ das Fenster hinunter und er empörte sich lautstark darüber, wie sie hupen könne, wenn sie sehe, dass ich meinen Rollstuhl einlade. Sie solle stattdessen ihren Hintern aus dem Auto bewegen und fragen, ob sie mir helfen könne, wenn es ihr nicht schnell genug ginge.

In der Zwischenzeit hatte ich den Rollstuhl längst eingeladen. Die Autos konnten passieren. Auf meiner Höhe angekommen, blieb die Frau mit dem Auto stehen und zeigte mir an, ich solle mein Fenster herunterlassen. Das tat ich. Und siehe da, die Standpauke des Fahrers hinter ihr hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Sie entschuldigte sich bei mir für ihr unverschämtes Verhalten. Dem Fahrer dahinter habe ich, als er an mir vorbeifuhr, noch freundlich zugewunken und mich bedankt.