Erst im letzten Jahr hat die englische Band The Superimposers ihr Debütalbum vorgelegt. Ein schönes Stück Retro-Pop mit Anklängen an Beatles und Beach Boys. Jetzt kommt schon die Nachfolge-Platte „Missing“ raus – ohne Einverständnis der Musiker
Es gibt Musik, die ist neu und weckt trotzdem ganz viele Erinnerungen. Da springt plötzlich die modrige Truhe im Dachstübchen auf, und drin liegen verstaubte Bilder längst vergangener Zeiten. Gefühle packen uns, die uns vor Jahren auf Trab gehalten haben, einen aufregenden Sommer lang. Die Musik der Superimposers bringt solch einen fast vergessenen Sommer zurück.
Zauberei? Für zwei englische Jungs, die auf der Retro-Welle reiten, kein Problem: Alte Sounds machen gute Stimmung. Es winken die Beatles vom Erdbeerfeld, und die Beach Boys blinzeln unterm Sonnenschirm hervor. Bei den Superimposers orgeln sich die psychedelischen sechziger und siebziger Jahre in die Gegenwart und werden hier von zurückhaltenden Downbeats empfangen. Kein neues Stilmittel, aber ein wirkungsvolles, wie schon die Traum-Popper von Air und Zero7 gezeigt haben.
Die Superimposers lieben Zitate. Sie bedienen sich ungeniert bei ihren musikalischen Vorbildern und verbinden das Gesammelte zu einer wohligen Flokati-Mischung – durchaus mit eigenem Charakter. Ihre ruhigen, eingängigen Songs sind mit digitalen Mitteln auf analog getrimmt: Schallplatten knistern, Vibraphone klöngeln, Streicher wabern, Schellenkränze rasseln. Dazu lässt die leicht blechern abgemischte Stimme von Sänger Dan Warden den näselnden John Lennon akustisch wieder auferstehen.
Das erste Album The Superimposers von 2005 überzeugte die Kritiker: Man lobte den zeitlosen und lebensbejahenden Sound der Band. In ihm spiegelten sich die Größen der Popgeschichte und ließen dennoch genügend Platz für melancholische, klassische Refrains.
Nun ist eine neue Platte der Briten erschienen – der Albumtitel Missing ist musikalisch wie personell symptomatisch: Kleinodien wie Would It Be Impossible oder Seeing Is Believing vom Vorgängeralbum fehlen gänzlich. Es reiht sich ein netter, belangloser Song an den nächsten. Elektronische Klänge finden hier und da Verwendung, machen die Stücke aber auch nicht interessanter. Wo sich im letzten Jahr die große Welle auftürmte und Sogwirkung entwickelte, plätschert jetzt ein flüchtiger Priel.
Dass die musikalische Qualität dieses Albums so wenig überzeugt, liegt wahrscheinlich daran, dass die Musiker selbst nicht hinter dieser Veröffentlichung stehen. Dan Warden und Miles Copeland waren ein Jahr lang untergetaucht. Ihre Plattenfirma Little League grämte sich grün, denn es mussten Verträge erfüllt werden. Kurzerhand wurde Missing ohne das Einverständnis der Superimposers veröffentlicht. Wohl in der (vergeblichen) Hoffnung, an den Erfolg vom vergangenen Jahr anknüpfen zu können.
Während die Superimposers für ihr Debütalbum die schönsten Perlen aus ihrer Song-Schatulle ausgewählt hatten, wurde jetzt anscheinend der matte Rest zusammengekramt. Herausgekommen ist dabei nicht mehr als ein harmloser Sommer-Soundtrack. Der taugt zwar immerhin dazu, verregnete Juni-Himmel aufzuhellen. Aber superimposing ist das nicht gerade.
„Missing“ und das selbst betitelte Debütalbum (2005) der Superimposers sind erschienen bei Little League Productions
Hören Sie hier „The Little Things“ von „Missing“ und im Vergleich dazu „Would It Be Impossible“ von „The Superimposers“
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