Muss man das zweite Album einer Band verreißen, die weltweit als Erneuerer des Genres angepriesen wird? Ja, denn Bloc Party lösen das Versprechen leider nicht ein
Mit Silent Alarm begann für die britische Band Bloc Party vor zwei Jahren eine Erfolgsgeschichte. Eine Million Exemplare des Albums wurden verkauft, Bloc Party wurden mit Preisen überschüttet. Mit A Weekend In The City versuchen sie nun, das Wunder zu wiederholen. Sie scheitern, wenn auch auf hohem Niveau.
Bereits vor der Veröffentlichung von Silent Alarm sah der New Musical Express in der Band um den schwarzen Sänger Kele Okereke die Zukunft. „The next most important band in rock“, lautete die Titelzeile im englischen Fachblatt des Hoch- und Niederschreibens. Was Bloc Party seinerzeit der Konkurrenz zwischen Glasgow und New York voraushatte, war die Rhythmussektion. Zwar klangen auch bei ihnen einige Vorbilder der Postpunk-Ära mit, doch die Präzision von Schlagzeuger Matt Tong in Kombination mit den vertrackten Bass- und Gitarrenlinien von Gordon Moakes und Russel Lissack ließen die Stücke neu und aufregend klingen.
Nun erscheint Album Nummer zwei. Es möchte wie das erste klingen und doch ganz anders sein. Chorgesänge und stimmliche Extravaganz haben Einzug gehalten. In den Texten wird das Leben des modernen Einzelgängers in den Metropolen rund um den Globus thematisiert: Die Nachwehen des 11. September sind spürbar, die Clubs bersten vor Drogen, und abseits der Tower Bridge herrschen Rassismus und Gewalt.
All das könnte ein interessantes Album ergeben, wäre da nicht die Allerwelts-Produktion von Jacknife Lee. Lee hat mit U2 gearbeitet, und das hört man. Das Gitarrenspiel klingt stadiontauglich, die Kompositionen sind pompös. Im schlimmsten Fall wabern flächige Keyboardschwaden im Hintergrund, im besten Fall weisen elektronische Spielereien auf die Tanzfläche. Nach gerade mal einem Album sind Bloc Party beim Operetten-Rock angekommen: große Gesten, prätentiöse Texte, wuchtige Klanggemälde.
Im Stück Kreuzberg destilliert Okereke seine Verzweiflung: Vom schalen Geschmack nach seelenlosem Sex singt er, von der Liebe und davon, dass irgend etwas sich ändern müsse. Und irgend etwas, das heißt alles. Die Musik kann mit dieser Verve nicht mithalten. Konsensrock ist keine Lösung. Nur hier und da besinnen sich Bloc Party auf ihre Stärken. Erkennbar wird dann, was diese Band einmal ausgemacht hat: Präzision und Klarheit.
Die Schwammigkeit der aktuellen Produktion verwischt den Kern der Stücke. Das Versprechen von der „nächsten wichtigsten Band des Rock“ klingt allerdings in jedem Stück noch an.
„A Weekend In The City“ von Bloc Party ist als CD und LP erschienen bei V2 Records
Hören Sie hier „The Prayer“
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