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Großstadtflimmern

 

Cameron Bird ist der Sänger von Architecture In Helsinki, seit einiger Zeit lebt er im hektischen New York. „Places Like This“ kündet von seinem beschleunigten Herzschlag.

Architecture In Helsinki Places Like This

Architecture In Helsinki haben ein neues Album, Places Like This. Sie servieren – das ließ die Vorab-Single Heart It Races schon ahnen – ein wahrhaft leckeres Stil-Süppchen. Das Rezept ihrer letzten Platte In Case We Die haben sie mit zahlreichen exotischen Zutaten verbessert.

Ursprünglich kommt die Band aus Melbourne, Australien. Nicht, dass man ihrem wilden Pop-Gemischtwarenladen das angehört hätte. Aber der Reggaeton-Beat und die Calypso-Steel-Pan-Klänge auf Heart It Races sind doch unerwartete Elemente. Wohin mag es die Band verschlagen haben? Ah, natürlich: Der Schreiber und Sänger Cameron Bird ist nach New York gezogen, genauer gesagt nach Williamsburg, dort leben viele Emigranten aus Puerto Rico und der Dominikanischen Republik. Kein Wunder, dass sein Herz schneller schlägt, wenn ihn Tag und Nacht die hektischen Reggaeton-Rhythmen und die unablässigen Klänge der Metropole begleiten.

Der Rest der Band lebt noch in Melbourne. Die neuen Stücke entstanden im E-Mail-Austausch und wurden dann, nach einer langen Amerika-Tour, in 12 Tagen im Studio eingespielt. Ganz im Gegensatz zu ihren beiden ersten Alben, die waren in kleinteiliger Studioarbeit entstanden.

Architecture In Helsinki klingen, als wären sie drauf und dran aus den Boxen ins Zimmer zu springen. Quicklebendig schäumen die Stücke über, sie stecken voller quietschbunter Details. Der Comic auf der Hülle von Places Like This verspricht nicht zu viel. Unter der brodelnden Oberfläche wartet ein mysteriöser Garten darauf, erkundet zu werden. Die Klänge verästeln sich bis ins Kleinste, man entdeckt tatsächlich immer etwas Neues. Ihre musikalische Imagination scheint keine Grenzen zu kennen.

Sie haben das Zeug, die neuen B-52s zu werden. Besonders Hold Music erinnert mit seinem Wechselspiel aus tiefer Männerstimme und weiblichem Sopran an die Party-Band der Achtziger. Die druckvolle Keyboard-Basslinie, die peitschenden Rhythmen, die Kuhglocke und die satten Bläser sind dann wieder typisch für Architecture In Helsinki.

Lazy (Lazy) kombiniert Highlife-Gitarren mit einem überschäumenden „Ay, Ay, Ay“-Chorus. Verschnaufpausen gibt es auf Places Like This so gut wie keine. Lediglich Underwater ist ruhig und ausgeglichen und so reich an Klängen, dass man konzentriert hinhören sollte. Danach geht die Feier weiter mit Like It Or Not – die Congas klackern, die Mariachis blasen, die Gitarre schrammelt. Und dann gibt es noch diesen mitreißenden Nonsens-Chor.

Man ist fast erleichtert, dass das Album nach einer guten halben Stunde vorbei ist. Erschöpft und euphorisiert lehnt man sich kurz zurück, verschnauft und startet die CD dann doch gleich noch einmal.

„Places Like This“ von Architecture In Helsinki ist auf CD und LP bei V2 Records erschienen.

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