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Klangteppich, himmelwärts

 
Michaela Melián dreht die Musik auf ihrer zweiten Solo-Platte „Los Angeles“ um einen Rhythmus, der nicht mehr da ist. Aber man vermisst ihn gar nicht.

Michaela Melian Los Angeles

Michaela Melián gehört zur Münchner Band Freiwillige Selbstkontrolle, kurz FSK. Seit den späten Siebzigern haben sie von New Wave über Americana bis Post-Rock eigentlich jedes Genre erkundet, zuletzt nahmen sie ein Album auf mit dem Pionier des Detroit Techno, Anthony Shakir. Der Minimalismus von Velvet Underground hat die Band geprägt: Lieder entstanden aus repetitiven Kürzeln, die Texte waren häufig Auflistungen und wurden kühl vorgetragen. Die Textur war wichtiger als die Dramaturgie. So ist es nicht erstaunlich, dass Michaela Melián nun beim minimalen Techno angelangt ist.

Los Angeles ist ihr zweites Soloalbum, das erste hieß vor drei Jahren Baden-Baden. Beide Alben schließen mit einem Stück von Roxy Music. Auch diese Band war für FSK immer eine wichtig, sie liebte das Künstliche. Ihr ambivalenter Vortrag machte es schwer, zwischen Ironie und Affirmation zu unterscheiden. Der spätere Erfinder der Ambient-Musik, Brian Eno, war anfangs Mitglied von Roxy Music.

Melián interpretiert nach A Song For Europe nun Manifesto, zum zweiten Mal ein Stück aus der Zeit nach Brian Eno. Manifesto erschien im Jahr 1979, Eno steckte zu der Zeit mitten in seinem Ambient-Projekt, Roxy Music erreichten gerade ihre Hochglanz-Pop-Phase, die so einflussreich in den Achtzigern werden sollte. In ihrer Version führt Melián die späten Roxy Music wieder mit Eno zusammen. Die seltsamen Klänge der Synthesizer und die Streicher-Arabesken erinnern an das Experimentelle, das mit Eno aus dem Klang der Band verschwand.

Die Musik von Michaela Melián lädt zur Spurensuche ein, ihr geht es um Kontexte, Referenzen und Zitate. Sie arbeitet als Künstlerin, in ihren Werken verbindet sie oft Objekt und Klang. Auch die Stücke auf Los Angeles sind für Ausstellungen entstanden. An diese ursprüngliche Verwendung erinnern Namen wie Föhrenwald (ein Hörspiel, das sie für den Bayerischen Rundfunk produzierte) und Locke-Pistole-Kreuz. Zudem basieren alle Stücke auf Samples, die auf die Kunstwerke verweisen, manchmal ist es nur das Knacken einer Platte. Melián lädt den Hörer ein, die Referenzen zu verfolgen.

Er kann es auch lassen und sich einfach in die Musik vertiefen. Meliáns FSK-Kollege Carl Oesterhelt hat wie schon bei Baden-Baden die Elektronik bedient, Melián spielt Cello, Bass, Ukulele, akustische Gitarre, Orgel und Melodica. Sie webt einen Klangteppich voller kleiner Details, der in die Wolken davonzuschweben scheint.

Los Angeles klingt, als sei es um einen stumpfen Techno-Beat herum entstanden, der im letzten Moment wieder entfernt wurde. Um diese Leerstelle drehen sich die Stücke. Oft erwartet man, dass ein harter Rhythmus einsetzt. Beim sechsten Stück Stift tut er es tatsächlich. Man hat ihn nicht vermisst, man möchte ihn jetzt nicht missen. Er ist der Herzschlag, der uns auch dann begleitet, wenn wir ihn nicht wahrnehmen.

„Los Angeles“ von Michaela Melián ist als CD erschienen bei Monika. Zwei Stücke des Albums sind in längeren Versionen auf der Vinylmaxi „Convention Manifesto“ erhältlich.

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