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Wellnessgewitter auf Samui

 
Michael Milosh aus Kanada bringt Elektro und Folk zusammen. Sein neues Album „iii“ klingt nach Blumen, Sonne und thailändischer Entspannung.

Milosh III

Michael Milosh ist ein empfindsamer Typ. Schon als Kind brachte ihn Musik zum Weinen. »Sad, soft and beautiful«, so sollte sie damals sein. Mit seinen eigenen Liedern möchte er an diese Erinnerungen anknüpfen. Zwei Alben hat der Kanadier in den vergangenen Jahren als Milosh veröffentlicht, auf beiden mischte er elektronische Musik und intimen Folk. Er schuf Klanglandschaften, in denen es sich wunderbar auf und ab wandeln ließ – die Kompositionen waren wie verschlungene Pfade, die Töne wiesen nach hier, nach dort und kreuzten sich wieder, vom Wegesrand grüßte der Wohlklang.

Auch sein drittes Album iii gleicht einem frühmorgendlichen Spaziergang durch einen exotischen Garten. Man hört, wie die Klänge sich behutsam entblättern, wie Michael Milosh eine musikalische Blüte nach der anderen freilegt und erblühen lässt. Es gibt viele Blumen auf diesem Album: Zerbrechliche Gewächse mit vielfarbigen Schattierungen, funkelnde und erhabene Exemplare, die sich duftend in den Himmel strecken.

Komponiert und aufgenommen wurde das Album während eines einjährigen Aufenthalts auf der thailändischen Insel Koh Samui. Die Umgebung inspirierte Michael Milosh: Tatsächlich erinnern das Spannungsverhältnis zwischen Stille und Dynamik und die feingliederigen Arrangements an fernöstliche Musiktradition. Das auf Another Day gespielte Cello klingt wie ein japanisches Koto. Die Abgeschiedenheit des Komponisten und sein Einklang mit der Natur wird auf Liedern wie Warm Waters und Gentle Samui besonders deutlich: Milosh spiegelt natürliche Zustände und Vorgänge und macht sie hörbar. Er kreiert einen organisch-plastischen Klang, der sein sonisches Vokabular aus den Geräuschen der Natur schöpft.

Bei soviel Natur ist der esoterische Kitsch nicht fern: Gerade zu Beginn der Platte klingt die innere Einkehr stellenweise wie die Begleitmusik eines Wellness-Urlaubs im frisch gekachelten Spa. Mit jedem weiteren Lied werden diese Momente glücklicherweise seltener. Denn in all der empfindsamen Leichtigkeit wagt er es immer wieder, den frisch geharkten Zen-Garten gehörig durcheinander zu bringen.

Jede Blume verblüht. Und so schleicht sich auch auf iii langsam die Dunkelheit heran. Etwas Tieftrauriges umgibt die letzten Lieder der Platte. Auf Wrapped Round My Ways werfen verzerrte Gitarrensamples unheimliche Schatten, und das elektronische Schlagwerk klingt plötzlich bedrohlich kalt. Eben schien noch die Sonne, nun ziehen Gewitterwolken auf. Der Wetterumschwung erfasst bald auch Miloshs glockenhelle Stimme. Trauer schwingt mit, die Zartheit der ersten Lieder weicht der Melancholie, der blühende Garten verwandelt sich in ein düsteres Labyrinth. Hinter den gestutzten Hecken lauern die Dämonen.

Mit The World findet Milosh schließlich den Weg hinaus, das Lied klingt erfrischend wie ein lang erwarteter Sommerregen. Die Wolken reißen auf, die Sonne traut sich wieder hervor. In Momenten wie diesem ist iii ein Album von reinigender Wirkung.

„iii“ von Milosh ist bei K7/Alive erschienen.

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