Schon Miles David ahnte, dass dem Afrobeat die Zukunft gehört. Der Schlagzeuger Tony Allen ist die Zeitreise angetreten und hat das Album „Secret Agent“ mitgebracht
„Vielleicht der größte Schlagzeuger überhaupt.“ Das Brian-Eno-Zitat auf der Albumhülle von Secret Agent erinnert daran, dass Tony Allen immer noch als Geheimagent in Sachen Beat-Forschung gilt, einer, der seine rhythmischen Fäden im Hintergrund spinnt und oft erst dank seiner Verehrer ein breiteres Publikum findet.
Nun besinnt sich der 68-Jährige nach einem Zwischenspiel als Drummer von Damon Albarns The Good, The Bad & The Queen auf seine Wurzeln: Einmal mehr inszeniert er diesen gemächlich insistierenden Rhythmus, den er als Jugendlicher in Lagos aus der Taufe hob, und der heute, da Techno und House um den menschlichen Faktor, die minimale Abweichung innerhalb ihrer Rhythmus-Loops ringen, gefragter ist denn je: Afrobeat.
Anfang der sechziger Jahre hatte der Autodidakt Allen den Jazz von Art Blakey und Max Roach mit dem heimischen Highlife verfugt und später als Direktor von Fela Kutis Band dessen Politbotschaften einen unwiderstehlichen Rhythmus unterlegt: perkussive Bläserriffs und mehrteilige Chorsätze über Funk-Gitarren und Zirkusorgeln. Darunter seine doppelt angeschlagene Basstrommel: B-boom, b-boom.
Seit er Mitte der achtziger Jahre nach Paris übersiedelte, erweiterte Allen den Afrobeat subtil. Heute färben warme Akkordeon-Drones seine Rhythmuswellen. Und wenn junge Exil-Nigerianer in Englisch und Yoruba ihre Chants darüberlegen, trifft Kutis’ Protesttradition auf westliche Inner-City-Coolness.
Allens elliptische, in ewiger Vorwärtsbewegung den Beat umtänzelnde Shuffles bieten einen Gegenentwurf zum allzu glatten Mainstream-Rhythm-’n’-Blues. Hatte nicht Miles Davis in seiner Autobiografie vorausgesagt, dem Afrobeat gehöre die Zukunft? Tony Allens Secret Agent ist die Zeitreise schon angetreten.
„Secret Agent“ von Tony Allen ist bei World Circuit/Indigo erschienen.
Dieser Artikel ist der ZEIT Nr. 25 entnommen.
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