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Hündin für die Ewigkeit

 

Über die Jahre (55): Vor 40 Jahren wurde die französische Band Magma gegründet und mit ihr das Progrock-Genre „Zeuhl“. Klingt komisch? Klingonisch? Dann hören Sie erstmal ihre außerirdischen Liedtexte!


Cover

 
Magma – Mekanik Kommandoh
 
Von dem gleichnamigen Album, enthalten in der 12-CD-Box „Studio Zünd“ Harmonia Mundi 1989/2009

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Hamataï! Das ist Kobaïanisch und heißt sei gegrüßt, wenn man sich auf das Internet verlassen kann. Seriöse Wörterbücher sind in irdischen Bibliotheken nicht zu finden; die Sprache des Planeten Kobaïa ist ein Fachgebiet, dem sich nur wenige Erdlinge widmen: die Fans der vor 40 Jahren gegründeten Progrock-Band Magma, deren Alben auf diesem Planeten spielen.

Das erforschte Vokabular zeigt, worum es in den Liedern geht: glao heißt Blut, wurdah Tod, theusz Zeit und ëmgalaï Apokalypse. Eines der wichtigsten Alben von Magma trägt den Titel Mekanïk Destruktïw Kommandöh, und sein Text beginnt so: Lah ẁortz rëišfünk dëh ẁërëstëgëuhnzür ünd dëh bündëhr drakeïdah kömmandöh ẁürdï hëul zortsüng und so weiter und so fort.

Freaks, die fließend Klingonisch und Elbisch parlieren, bemängeln am Kobaïanischen, es habe keine erkennbare Grammatik. Erschwerend kommt hinzu, dass es oft mehr gerülpst, gegurgelt oder im Falsett geröhrt wird als gesungen.

Bevor jetzt alle Magma für durchgeknallte Deppen halten: Die Band, die in wechselnden Besetzungen um ihren Gründer Christian Vander bis heute immer mal wieder tourt, macht ziemlich interessante Musik. Ein Album haben sie allerdings schon hündin (kobaïanisch für ewig) nicht mehr herausgebracht.

Ein Luxus-Schuber mit einem Dutzend CDs bietet Fans zum 40. Jubiläum der Band neben Originalalben in Edelausstattung auch unveröffentlichtes Material – und in ausführlichen Booklets eine umfassende Band-Geschichte. Anfänger könnte Studio Zünd allerdings etwas überfordern.

„Zeuhl“ nennt sich das Subgenre des Progrock, das Magma begründeten, kurz für „zeuhl wortz, was auf kobaïanisch himmlische Musik heißen soll. Magma ist eine französische Band. Auf Französisch heißt der Himmel ciel, was wohl Hinweise für die Aussprache von Zeuhl ebenso gibt wie für die teils simple Entstehung der kobaïanischen Vokabeln.

Himmlisches Säuseln ist allerdings so gar nicht Magmas Sache. Ihre Musik wird von marschierendem Schlagzeug und, dominanten, oft angezerrten Bässen getrieben, von repetitiven Riffs und ekstatischem Gestus geprägt. Wegen der massiven Chören und der Jazzrock-Einflüsse wurde Magmas Stil in ihrer besten und erfolgreichsten Zeit, Mitte der siebziger Jahre, schon als „John Coltrane meets Carl Orff“ bezeichnet.

Ihr Gründer Vander, 1947 in Paris geboren, verehrte Coltrane. Der Sohn eines kriminellen polnisch-baltischen Roma-Geigers und einer drogenkranken polnischen Mutter hörte früh Bartók, Strawinsky und Orff. Der Tod Coltranes 1967 ließ dem damals selbst drogensüchtigen Vander die Welt zusammenbrechen.

Magma, sagt Vander, war der Versuch, Coltrane in der Musik zu begegnen, wenn auch mit völlig anderen Mitteln – als „Voodoo-Musik“, die „tief aus den polnischen und baltischen Wäldern“ komme, hat Vander seinen Stil beschrieben, „von derjenigen Coltranes verschieden, dennoch sind wir geistig verwandt“. Unter der animalischen Brutalität der Musik liegt oft eine große formale Strenge. Manchmal rütteln minimal verschobene Rhythmusfragmente den Beat in Richtung Trance.

Der Mythos Kobaïa behandelt eine Erde kurz vor der Apokalypse, den Planeten Kobaïa, auf dem Exilerdlinge eine überlegene Kultur entwickeln, und eine kobaïanische Mission zum Heimatplaneten – unter anderem. Beeinflusst ist das Ganze vom Buch Urantia, einer kruden esoterischen US-Schrift, irgendwann um den Zweiten Weltkrieg herum entstanden.

Band und Fans gestalteten die Parallelwelt Kobaïa mit manchmal erschreckender Ernsthaftigkeit immer detailreicher. Das oft uniformierte-disziplinierte Auftreten der Band, das einprägsame Symbol (eine stilisierte Greifvogelklaue), die sakrale Optik kann man auch für faschistoid halten – auch wenn die langen Bärte wenig dazu passen.

In den achtziger Jahren versuchte Magma sich zu modernisieren, um auch mal Geld zu verdienen. Funk- und Disco-Pop-Einflüsse sowie englische Texte sollten bei der Suche nach einer neuen Plattenfirma helfen. Doch auf Konzerten fahndeten Fans und Band miteinander weiter nach der Lichtgestalt namens Kreühn Köhrmahn, die die Menschheit aus theusz hamtaahk, dem Zeitalter des Hasses, erlösen wollte. Bands wie Magma waren es, gegen die sich der Drei-Akkorde-Furor der Punks wendete.

Im heimatlichen Gallien hat Magma auf ganze Scharen von Musikern prägend gewirkt: Die Band durchlebte zahlreiche Besetzungswechsel – wer alles mitspielte, lässt sich kaum noch nachvollziehen; oft sind auf den Alben nur kobaïanische Namen angegeben, und die sind nicht immer eindeutig. Christian Vander etwa hieß sowohl Zebëhn Straïn dë Ğeuštaah als auch Theius Bingöh. Außer ihm bildeten seine Frau Stella Vander und Klaus Blasquiz (Klötsz Zaspïaahk), beide Sänger, den Kern der Band. Wichtige Mitglieder waren auch Louis Sarkissian, Teddy Lasry und Jannick Top. Etliche gründeten nach ihrer Magma-Zeit andere Projekte. Und Vander macht weiter: „Wenn Magma stirbt, sterbe auch ich“, soll er mal gesagt haben. Noch leben beide, Band und Gründer.

„Studio Zünd“ von Magma ist erschienen bei Le Chant Du Monde/Harmonia Mundi im Schuber mit 12 CDs

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