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Oh Kitsch, oh Freude!

 

Die japanische Band Mono erzählt in ihren Instrumentalstücken herzergreifende Geschichten: zwischen Traum und Leben, Pathos und Abscheu, Orchestergraben und Metalsause

Cover

 
Mono – Ashes In The Snow (Ausschnitt)
 
Von dem Album: Hymn To The Immortal Wind Cargo 2009

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Das ist eine düstere Geschichte: Eines Wintertags übergibt eine Frau die Asche ihres Mannes dem Wind. Sie rudert einen Fluss hinab und erinnert sich an ihn, an ihre Kinder. Sie horcht in die Vergangenheit, kämpft gegen den Wind an und beginnt zu träumen, Schmerz und Hoffnung überkommen sie gleichermaßen. Die Asche wirbelt umher und sinkt schließlich in den Schnee.

Mit Ashes In The Snow eröffnet das neue Album der japanischen Instrumentalrocker Mono, Hymn To The Immortal Wind. Eine Instrumentalband, die Geschichten erzählt? Heeya So schrieb Texte zu den sieben Liedern, sie sind in der Plattenhülle abgedruckt.

Es sind ausgefeilte, behänd komponierte Geschichten, die die Dynamik der Musik aufgreifen. Vielleicht ist es auch umgekehrt. Was war überhaupt zuerst da, Text oder Musik? Die sieben Geschichten können auch als eine gelesen werden. Darin gleichen sie wiederum der Musik, diesem Fließen und Strömen nebliger Melodien und verschneiter Geigen. Da sind kaum Variationen im dramatischen Aufbau des Gesamten, jedes Stück schraubt sich gemächlich vom Leisen ins Laute und wieder zurück.

„In the place between wake and sleep, there lies a bridge over the waters,“ schreibt Heeya So in Ashes In The Snow. Auf dieser Brücke scheinen Mono zu spielen, zwischen Wachen und Schlafen. Zwischen Traum und Leben, Hymne und Destruktion, zwischen Pathos und Abscheu. Zwischen Orchestergraben und Metalsause.

Auch Burial At Sea spielt in dem scheinbar endlosen Moment zwischen Leben und Tod. Welch tragische Szene: Die letzten Stunden eines jungen Liebespaares, sie pflanzen einen Baum und vertrauen ihm ihre Erinnerungen an. Sie versichern sich des Wiedersehens und taumeln in Richtung der höchsten Klippe. Drei Schritte vor der Kante fragt sie sich, was auf der anderen Seite wartet, zwei Schritte vor der Kante sieht er ihr ins Gesicht und schwört, es zu erinnern. Und dann lassen sie alle Ängste hinter sich und springen, Hand in Hand. Das ist fast ein bisschen zuviel.

27 Musiker mit klassischen Instrumenten befeuern die Dramatik. Ihr atemloses Ostinato zieht manches Stück ins Melodramatische, kaum haben sie einen Gipfel erklommen, baut sich der nächste vor ihnen auf. Weiter, weiter! Das Orchester und die vier Rockmusiker tragen dick auf und werden lauter und lauter und lauter. Die meisten Stücke sind länger als zehn Minuten, allein die Single Follow The Map ist ein bisschen kompakter.

Am Ende beobachtet der Hörer wieder der eingangs erwähnte Frau im Boot. Sie lässt die Asche ihres Mannes in den Fluss sinken, schaut zu, wie sie in Richtung Meer treibt, es ist eine endlose Reise. Als sie zurückrudern will, sitzt ein alter Mann neben ihr, um sie herum sprießt der Frühling. Die Sonne geht auf, Hand in Hand schreiten sie über ihre Brücke in einen Tunnel aus Licht, dessen Ende sie nicht sehen können.

Das war klar. Welch ein Kitsch, welche Freude!

„Hymn To The Immortal Wind“ von Mono ist auf CD und Doppel-LP erschienen bei Temporary Residents/Conspiracy/Cargo

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