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Putzfrau statt Selberschrubben

 

Mit ihrem Mainstream-Rock werden Billy Talent den Weg in jede Einbauküche finden. Nicht schlimm, aber schade: Von der Freude am Kaputtmachen haben sie sich offenbar verabschiedet

Cover

 
Billy Talent – Turn Your Back
 
Von dem Album: Billy Talent III Warner Music 2009

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Ben Kowalevicz, der Sänger der Gruppe Billy Talent, sagt, er habe sich in letzter Zeit viel mit Grunge und Artverwandtem beschäftigt. Vielleicht will er damit die vielen Dynamikwechsel und sauberen Gitarren auf dem neuen Album erklären. Das klingt nicht unbedingt nach Metal, Hardcore oder Punk. Vielleicht will Kowalevicz damit aber auch Geschichtsbewusstsein, Lebenserfahrung, eben das Ende der verlängerten Adoleszenz signalisieren.

Ein bisschen schade ist das durchaus, denn man weiß jetzt schon, wohin es führt: Das simple, aber effektive Handkanten-Konzept der guten Vorgängeralben wird dem All-American-Radio-Rock weichen.

Der Anfang ist hier bereits gemacht. Der Produzent Brendan O’Brien, der zuletzt mit AC/DC und Bruce Springsteen gearbeitet hat, schlüpft hier in die Rolle des Edeldekorateurs, der die rohen Gitarrenbretter mit allerlei Keyboard-Auslegeware verschönert.

Zuvor rochen die Songs von Billy Talent nach schimmliger, muffiger Garage, jetzt nach High-Tech-Studio mit Klimaanlage. Jeden Abend saugt die Putzfrau durch und räumt die leeren Flaschen weg. Der Musik hört man an, dass die Band sich unbedingt weiterentwickeln wollte. Der Gitarrist und Songwriter Ian D’Sa nimmt immer wieder Druck vom Kessel, er versucht sich an Melodiös-Atmosphärischem, streckt die Songs mit retardierenden Zwischenteilen, in denen Kowalevicz ordentlich Gefühl zeigen kann.

Das klingt nicht immer so organisch und zwingend, wie es sollte. Die großen Ambitionen stehen der Band bisweilen im Weg. Noch ein weiteres unreifes, energetisches, mit Freude am Kaputtmachen durchgeschrubbtes Album sollte wohl nicht sein. Lieber spielen Billy Talent nun einen Rock-Reggae à la Police (Diamond On A Landmine), zitieren die Red Hot Chili Peppers (White Sparrows), bedienen mit halbherzigem Pathos das miese, alte Power-Balladen-Format (Sudden Movements), verzichten auf Geschwindigkeit und lassen sich von O’Brien ein aufdringliches Glockenspiel über den Chorus schmieren (The Dead Can’t Testify). Das darf man ihnen wirklich übel nehmen!

Vor diesem Hintergrund wirkt es kokett, gar verlogen, wenn Kowalevicz in dem flunderflachen Pocketful Of Dreams ernsthaft über sein Material Girl klagt, das sogar schmachtenden Blickes noch Dollarzeichen in den Augen trägt. Überhaupt: die Texte. Statt eines Produzenten hätte die Band einen Lektor gebraucht – all die Spruchbänder und immerzu diese Kasperle-Moral.

Zwei Songs ragen aus diesem souveränen Mainstream-Album heraus, das sich gut verkaufen und den Namen Billy Talent bis in die letzte Einbauküche tragen wird. Turn Your Back ist alter, englischer Mod-Punk, dem D’Sa ein kalifornisches Düsentriebwerk aufgeschnallt hat. Und das dramaturgisch ausgebuffte Tears Into Wine sorgt zunächst für Stimmung, erinnert an Bad Religion. Doch dann halbiert der Schlagzeuger den Takt, das Stück hält inne und die Band holt noch einmal Schwung, um eine Melodie herunterzuknüppeln, die sich ins Langzeitgedächtnis einbrennt. So und hätte man sich Billy Talent III gewünscht.

„III“ von Billy Talent ist erschienen bei Warner Music

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