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Fröhliches Wiedersehensfest

 

Die Jazz Passengers um Elvis Costello und Marc Ribot spielen wieder. Auf ihrem neuen Album „Reunited“ singt sogar Debbie Harry mit.

© Charna Meyers

Wiedervereinigungen sind etwas Schönes, sie machen Spaß und fühlen sich gut an. Das bezeugen auch die Jazz Passengers im Titeltrack ihres neuen Albums Reunited. Nach dreizehn langen Jahren, in denen wenig von der Band zu hören war, haben sie sich wieder einmal zusammengefunden, der Altsaxofonist Roy Nathanson und Curtis Fowlkes mit seiner Posaune, die vor bald dreißig Jahren als Duett den Keim zu dieser Mikro-Big-Band legten, dazu der Gitarrist Marc Ribot und der Schlagzeuger E. J. Rodriguez, der Vibrafonist Bill Ware und der Bassist Brad Jones, die Violinisten Sam Bardfeld und Rob Thomas, schließlich der Sänger Elvis Costello.

Und auf zwei bisher unveröffentlichten Liveaufnahmen aus dem Jahr 1997 ist auch die Blondie-Frontfrau Debbie Harry an zu hören. Wiedervereinigung, die ganze Familie, ein großes Fest, bei dem alle offenbar viel zu erzählen haben.

Schon der Bandname war Programm gewesen. Der Anklang an die Jazz Messengers, die einige Jahre zuvor unter der musikalischen Leitung von Wynton Marsalis als eines der Aushängeschilder des traditionellen Jazz mit seinem Kult des Virtuosen zu neuer Blüte gekommen waren, ist frech. Aber auch treffend: Statt ein weiteres Mal die Botschaft des Jazz zu verkünden, verwendeten die Passengers den Jazz als Transportmittel, um musikalische Welten zu durchstreifen. Welten, die alles umfassen, womit man groß geworden ist, wenn man in den letzten fünfzig Jahren mit offenen Ohren in den Großstädten dieser Welt aufwuchs.

Sie reichen vom Punk zum Vaudeville-Theater, vom Blues zum Avantgarde-Jazz, vom anarchischen Humor der Marx Brothers im Kino zur surrealistischen Poesie, von sorgfältig instrumentierten Soundbildern bis zum gepflegten Swing in möglichst freiem Geiste. Nur stilistische Reinheitsgebote fehlen im Gepäck, der hintergründige Witz der Begegnung der musikalischen Sphären lässt für so etwas keinen Platz.

Die Musik der Jazz Passengers ist witzig, aber sie macht sich nicht lustig. Sie ist fantasievoll und abwechslungsreich, eine Musik von leidenschaftlichen Kennern. Daran hat sich nichts geändert, allenfalls ist die stilistische Spanne noch weiter gedehnt, weil die beteiligten Musiker auf ihren jeweiligen Sonderwegen weitergekommen sind. Doch von der Verschiedenheit und der Lust daran, die Widersprüche in Beziehung zu setzen, lebt auch das Wiedervereinigungsalbum Reunited.

Dieses fröhliche Wiedersehensfest rückt den viel geschmähten Begriff Multikulti in ein anderes Licht: Nichts ist hier zu spüren von Harmonietunke und Ausgleichsduseligkeit – im Gegenteil. Mit großer Intensität spielen alle Musiker auf der Höhe ihres Fachs und geben den unterschiedlichen musikalischen Ebenen ihre jeweils eigene Stimmung.

Marc Ribot erfindet hinter dem markanten Näseln Elvis Costellos immer weiter abdriftende Gitarrenlinien, die den musikalischen Raum, den Bill Wares Vibrafon umreißt, so lange ausdehnen, bis er sich schließlich ins nur noch Geräuschhafte öffnet. Roy Nathanson reibt die Obertöne seines Saxofons an einem minimalistischen Sieben-Viertel-Rhythmus. Und wenn schließlich die ganze Band zu einem stimmarmen Funk-Chorgesang anhebt, ist all das weit entfernt von traditionellen Klangvorstellungen. Dann bleiben Gegensätze unaufgelöst und schüren immer neue Spannungen. Diese Musiker lieben die Reibung.

„Reunited“ von The Jazz Passengers ist erschienen bei Yellowbird/Enja edel kultur.

Aus der ZEIT Nr. 41/2010