Selten klingt Countryfolk so schön und so eingängig: Der 20-jährige Dylan LeBlanc singt vom wilden Westen und tiefen Süden. Ja, an wen erinnert uns das bloß?
Wenn man Dylan heißt und Musiker wird, schleppt man ganz schön viel Gepäck mit. Nicht nur der Nachnamen-Dylan sitzt einem im Nacken, auch der alkoholgetriebene walisische Dichter, aus dem Robert Zimmerman sich sein Pseudonym Bob Dylan bastelte, spukt im Hintergrund: Dylan Thomas, Schwarm aller Anglistikstudentinnen.
Und dann auch noch dieses schicke LeBlanc. Dylan LeBlanc, was für ein Name! Fast so gut wie Townes Van Zandt oder Willy De Ville. In deren große Fußstapfen tritt der 1990 geborene Singer-Songwriter aus Shreveport, Louisiana. Sowie in die von Neil Young oder auch diesem anderen Dylan da.
Weder Name noch Berufswahl sind Zufall. Vater James LeBlanc war Session-Musiker und Songwriter in Muscle Shoals, Alabama, in dessen Studios sich Größen wie Paul Simon, Willie Nelson, die Rolling Stones und sogar Dylan (der eine) „die Klinke in die Hand gaben“, wie die Promotion-Prosa meint. Wenn auch lange vor Dylan LeBlancs Geburt, was sie allerdings dezent verschweigt.
Dylan LeBlanc bekam vom Papa zum siebten Geburtstag seine erste Gitarre geschenkt, trieb sich mit den Session-Musikern herum, schrieb mit elf erste Songs und fing mit 15 an, quer durch die Südstaaten zu reisen, um in kleinen Kneipen zu spielen. Seinen ersten Plattenvertrag hatte er in der Tasche, sobald er volljährig war und ihn unterschreiben durfte.
Für sein Debüt Paupers Field beim Label Rough Trade bekommt LeBlanc Unterstützung nicht nur vom Papa, sondern auch von der Songwriterin Emmylou Harris. Die hat schon Ryan Adams und Conor Oberst beim Karrierestart geholfen und bringt alten Americana-Adel aufs Album, denn sie hat schon mit Young und Nelson, Johnny Cash und Roy Orbison und ja, auch mit dem anderen Dylan gesungen.
Aus Harris‘ Beteiligung, dem CD-Design (düsteres Sepia, nostalgische Schrifttypen) und dem Marketing spricht das Bemühen, dem singenden Jungspund die Patina aufzupinseln, die ein 20-Jähriger halt noch nicht haben kann. Neben dem väterlichen Erbe soll dazu Geraune von dunklen Tiefen dienen, von Zeiten zu großen Alkoholkonsums, Zukunftsangst, Depression und unglücklichen Lieben, in Werbe- und in Songtexten: „You could say I’ve been around the block / A few more times / Too many for my age.„
Wo die eigene, die individuelle Biografie zu flach ist, greift LeBlanc auf die Familienhistorie zurück. Da sterben die Männer alle jung, und die Frauen werden sehr alt, sagt der junge Mann, der teilweise bei der Oma in Shreveport aufwuchs. Und Exzentrik sei erblich; ein Urururgroßvater habe erst einen berüchtigten Banditen getötet und sei dann selbst in einem Hinterhalt ermordet worden, damals in Palestine, Texas.
Wilder Westen, tiefer Süden: Hier spielen die Lieder von Dylan LeBlanc. Die Texte sind komplexer als die übliche karge Country-Kost, aber von Dylan Thomas sind sie nicht. Sie beschwören archetypische Outlaw-Charaktere und trunkene Sumpfland-Ehen, klingen nach staubigem Provinznest und weiter Landschaft. Die Titel evozieren den Country-Katalog, mit Balladeskem wie Death of Outlaw Billy John, besungenen Damen wie Emma Hartley oder Landschaftsmerkmalen wie Coyote Creek sowie alkoholischen Nachtstücken wie 5th Avenue Bar.
So klingen sie auch: silbrige Gitarren-Pickings, klagende Steel-Guitar, manchmal Mandoline oder sonnengüldene Streicher, rauchige Orgel. Meistens melancholisch, manchmal magisch, wiederholt walzernd (langsam), selten flott. Nicht wegweisend oder originell, alles schon mal dagewesen (auch bei Dylan, dem anderen) – aber selten so schön, so eingängig, so gänsehautraspelnd wie hier. Vor allem dank der sanften, warmen, schmerzvollen Stimme LeBlancs, leicht angeraut, intim, intensiv.
Um noch ein paar Schlagworte hinterherzuschicken: Winterwärmende Klangkost für Countryfolk-Puristen, stilvolles Leiden für Alternative-Americana-Afficionados.
„Paupers Field“ von Dylan LeBlanc ist erschienen bei Rough Trade Records