Im Club herrscht noch immer eine Geschlechterhierarchie wie in den Führungsetagen. Steffi Doms, Resident im Berghain, will keine neue Vorzeigefrau sein.
Deutschland diskutiert die Frauenquote, doch im Club geht’s weiterhin nur um die Party. Dabei stünde die Debatte auch der Techno-Szene gut zu Gesicht. Die Emanzipation hinter den Plattentellern wurde längst vollzogen, aber die Anzahl weiblicher DJs bleibt überschaubar.
Seit Jahren sind es dieselben DJanes, die als Vorzeigefrauen herhalten müssen: Ellen Allien und Miss Kittin dürfte ihre Paraderolle längst zum Hals heraushängen. In den Umfragen der Musikzeitschriften Intro, Groove und De:Bug zum Jahresende wurde mit Monika Kruse sogar nur eine einzige Frau in die Hitlisten der beliebtesten DJs gewählt. Auf den Titel schaffte es keine.
Dabei gibt es hörenswerte Alternativen: Magda, Margaret Dygas, Anja Schneider oder Barbara Preisinger zum Beispiel. Ihre Platten gehören zu den interessantesten in der elektronischen Musik. Sie schwingen zwischen Geräusch-Elektro, Minimal Techno oder House. Sie moderieren Radiosendungen, leiten Plattenlabels und legen regelmäßig in großen Clubs auf. Da mag die Frage nach einem typisch weiblichen Techno-Sound abwegig klingen. Wäre nicht Yours & Mine, das Debütalbum der niederländischen Produzentin und DJane Steffie Doms.
Als Künstlerin nennt sie sich schlicht Steffi. Michael Mayer, Oliver Deutschmann, Timo Maas – die DJ-Oberligatabelle liest sich wie das Klingelbrett eines gutbürgerlichen Mehrfamilienhauses. Steffi klingt unkompliziert, deutlich. Seit 2007 gehört sie zur Stammbesetzung des umtriebigen Berghain-Kollektivs und legt regelmäßig in der Panorama-Bar auf.
Wie das Cover von Yours & Mine mit seinen zerklüfteten Felswänden und schattigen Tunneln ist auch die Musik in dunklen Tönen gehalten. Die neun Stücke gleiten dahin wie im Flug über eine nächtliche Großstadt, hin und wieder zielt die Musik auch direkt auf den Tanzboden. Steffis Vorbilder sind jederzeit hörbar: Die epische Melancholie des Detroit Techno verbindet sie mit dem warmen House-Minimalismus aus Chicago.
Zweifellos ist Yours & Mine ein elegantes Album. Stücke wie Arms, Lilo oder Moving Lips schillern geheimnisvoll wie Geisterperlen. Mit Hilfe der Sängerin Virginia gelingt Steffi sogar der Brückenschlag zwischen Pop und Deep House.
Doch in seiner Gänze wirkt das Album seltsam schablonenhaft: Immer sind es die gleichen Synthie-Wolken in Moll, die durch die Lieder schweben. Dazu federn sanft die analogen Bässe. Oft wünscht man sich, Steffi würde hier und da mal kräftiger zupacken. So bleibt vieles bloße Andeutung. Man kann sich wunderbar vorstellen, sich zu dieser Musik zu bewegen – wenn die Nacht beginnt, das T-Shirt noch nicht klebt und vieles möglich erscheint. Oder ganz am Ende, wenn es alle erschöpft ins Morgengrauen zieht. Für die Zeit dazwischen fehlen Yours & Mine Euphorie und Risikobereitschaft.
Wäre es abwegig von einer typisch weiblichen Spielart von Techno zu sprechen? Immerhin bestätigt Steffis Plattenlabel Ostgut Ton, dass einige Hörer eine feminine Produktion und einen weiblichen Sound erkannt haben wollen. Sind es das fehlende Bekenntnis zur dumpfen Härte und ein gefühlsbetonter Klang, die solche Assoziationen auslösen? Auch das Presseinfo hantiert mit Adjektiven, die einem Kitschroman entspringen könnten: Steffis Musik sei „sinnlich“ und „harmonisch“, während die „gefühlsgeladenen“ Melodien den Hörer „sehnsüchtig“ zurücklassen. Das Wort „sexy“ konnte man sich offensichtlich gerade noch verkneifen. Inwiefern Steffi diese Umschreibungen zusagen, ließ sich leider nicht in Erfahrung bringen. Im Mittelpunkt solle ihre Musik stehen, nicht sie als Frau, antwortet sie auf die Anfrage.
Ihre Verschlossenheit ist insofern bedauerlich, als dass aus ihrer Haltung möglicherweise eine neue Qualität im Umgang mit Frauenbildern im Techno ablesbar wäre. Immer wieder berichten Akteurinnen der elektronischen Musik davon, als Frauen noch mehr Ideen und Kraftanstrengung aufbringen zu müssen als Männer. Während bei den Herren Technikbegeisterung und musikalisches Spezialwissen häufig ausreichen, um akzeptiert zu werden, gilt es als ausgemachte Sache, dass Frauen am Mischpult auch immer optisch noch eins draufzulegen haben. Wer es nicht versteht, sich auch als Frau entsprechend zu inszenieren, sieht sich schnell mit Skepsis oder Herablassung konfrontiert. Die Regeln der Führungsetagen gelten eben auch im Club.
Betrachtet man die Selbstdarstellung einiger DJanes und Produzentinnen, bleibt zwischen süßer Technolady und nüchterner Künstlerin offenbar nur wenig Spielraum. Die Gefahr, abgestempelt zu werden, ist denkbar groß. Vor allem unbekannten Künstlerinnen dürfte es daher nicht leicht fallen, sich unmissverständlich zu inszenieren. Da erscheint eine neue Form von Zurückhaltung schon fast wieder konsequent: Anstatt sich zu positionieren, sagen DJanes wie Steffi lieber gar nichts mehr.
Yours & Mine von Steffi ist bei Ostgut Ton erschienen.