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Maßlose Stilsicherheit aus Köln

 

Seit den Neunzigern prägt das Label Kompakt den „Sound of Cologne“. Der neue Sampler „Total 12“ ist ein hochklassiges Portfolio rheinischer Elektronika-Kultur.

Matias Aguayo (© PR)

Wer den 1. FC dieser Tage spielen sieht, mag es kaum glauben: Das Gesetz der Serie, es gilt auch in Köln. Zumindest musikalisch steht man am Ende der Saison ganz oben. Seit 1999 läuft die TOTAL-Serie des Labels Kompakt aus der Werderstraße. Das Label mit den Punkten hat sich mit TOTAL eine akustische Visitenkarte gestaltet und den Sound of Cologne geprägt.

Während sich andere ihre Sampler mühselig zusammenkratzen müssen oder veröffentlichen, was eh schon jeder im Schrank stehen hat, verfügt Kompakt mittlerweile über ein Portfolio hochklassiger Produzenten, das es jedes Jahr erlaubt, eine exzellente Auswahl unveröffentlichter Stücke zusammenzubringen. Aber man kann nicht immer gewinnen.

Zugegeben, die vorherigen Ausgaben der Serie hatten zwar alle Pflichtfächer erfüllt, kamen aber über ein „befriedigend“ oder ein „gut (-)“ nicht hinaus. Ausufernd und auch ein wenig vorhersehbar wirkte die Musik der TOTAL-Reihe zuletzt, deren Spieldauer sich seit Nummer 5 über zwei Tonträger ausdehnte. Dennoch: Eine zwölfte Folge sollte eine lösbare Aufgabe sein. Kompakt-Freunde können sich nun freuen: Das Label hat sich wieder auf Wesentliches konzentriert.

Ein wenig Erleichterung macht sich breit, dass TOTAL 12 auf nur einer CD – oder eben zwei Vinylplatten – erscheint. Was vorher in seiner maßlosen Stilsicherheit kaum noch zu bewältigen war, kommt nun gestrafft und präzise daher. Selten klang der Sound des Labels wieder so nah dran an dem, was Kompakt Mitte der Neunziger zum wichtigsten Label für elektronische Tanzmusik machte. Großflächig atmosphärischer Ambient Techno mit genug Pop-Schub und Hitze für die Nacht. Selbst die alten Helden wirken, als seien sie gerade zurückgekehrt aus der Sommerfrische: Wolfgang und Reinhard Voigt, The Modernist, Superpitcher oder Michael Mayer präsentieren auf TOTAL 12 ihre stärksten Stücke seit langem.

Kolombo eröffnen die Werkschau mit ihrem balearisch-funkelnden Waiting For. Michael Mayers klebrig-schwitziger Remix zu Every Minute Alone für WhoMadeWho atmet die Sehnsucht nach einem Sommer, der in diesem Jahr nicht kam. GusGus‘ drückender Bassgroove in Over macht die Platte erstmals richtig weitläufig. Jetzt kann, nein, muss alles gehen. Aber schon Mayers eigenes Stück That’s What I Told Sanchez schreddert so vorüber. Eine seltsame Unverbindlichkeit macht sich plötzlich breit. Es ist diese etwas manieristische Genügsamkeit, die schon frühere TOTAL-Platten ausmachte. Konstanz in Form von Schlappigkeit. Auch diese Platte wird davon angeweht: Matias Aguayos müder Studio-Scherz I Don’t Smoke und Gui Borattos Drill nehmen der Zusammenstellung ihren Schwung; dass sie ausgerechnet in der Mitte der Platte platziert wurden, lässt die Dramaturgie elegant in sich zusammenfalten.

Es braucht erst Jörg Burgers vertraut bolzenden Modernist-Techno auf Redmodernist, um die Angelegenheit wieder in Fahrt zu bringen. Von da aus ist TOTAL 12 ein Spiel auf ein Tor. Die wunderschön verspulte Trance-Miniatur Playground Altona von Coma, Wolfgang Voigts ergreifendes Frieden mit seinem schwirrenden Opern-Sample und Tiefental vom neuen Schlender-Dub-Projekt Mohn (Voigt und Burger) – alles große Momente, die einem vor Augen führen, wieviel überdurchschnittliche Musik immer noch aus diesem Haus kommt. Punktsieg für Köln.

„TOTAL 12“ ist bei Kompakt erschienen.