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Der Hipster liest nicht, aber er hört

 

Der coole Großstädter liebt WhoMadeWho. Aber was passiert, wenn das hitverdächtige Dance-Trio aus Dänemark auch Fußballfans und Eurovisionisten erreicht? Hipstergeddon!

© Kompakt

Der Hipster ist gerade wieder in aller Munde. Obwohl journalistisch schon mehrmals zu Grabe getragen, wandelt er wie ein Untoter in engen Jeans durch unsere Innenstädte. Dem Hipster geht es nicht gut. Ihm ist kalt. Er hat Hunger. Er will seine Ruhe. Und jetzt lassen ihn amerikanische Superschlaue auch noch transkontinental diskutieren. In das grüne Büchlein, auf dem sein Name prangt, schaut er wie in einen Spiegel. Er weiß gar nicht, was da über ihn geschrieben steht. Der Hipster liest nicht. So steht es jedenfalls in dem Buch.

Aber der Hipster hört Musik. Und da sich seine liebsten amerikanischen Tiernamen-Bands alle noch im Winterschlaf befinden oder einfach ausgestorben sind, muss sich der Hipster auf drei Herren aus Dänemark verlassen. Ein hipperes Album als Brighter vom Trio WhoMadeWho ist derzeit wohl kaum zu haben.

Die schnurrige Laszivität von Disco, Anleihen bei Achtziger-Pop und Dance, dazu hymnischer Trockeneis-Rave: WhoMadeWho konfektionieren all die angesagten Versatzstücke zu einem unverwechselbaren Sound. Dabei ist es vor allem das Bekenntnis zur Melodie, das Brighter zu einem gelungen, stellenweise sogar brillanten Dance-Album macht. Egal, wie schnurgerade der Beat vorwärts drängt oder der Bass satte Linien zieht – am Ende ist es vor allem Tomas Hoffdings Gesang, der die Stücke perfektioniert.

Bisweilen erinnert sein androgynes Falsett an Antony Hegarty, der als Sänger auf dem Debütalbum von Hercules & Love Affair glänzte. Aber während dem Projekt um Andrew Butler auf seinem letzten Album Blue Songs die Faszination der Stimmen abhanden kam, erscheinen WhoMadeWho auf ihrer neuen Platte um ein Vielfaches gestärkt. Es mag daran liegen, dass sich WhoMadeWho nicht den funktionalen Koordinaten des House verpflichtet fühlen, sondern auch ganz rücksichtslos großen Pop machen können. Kein Wunder, dass sie nun bei Kompakt gelandet sind. Hier wurden bereits andere Stücke des Trios fantastisch für die Nacht geremixed.

Da erscheint es schon als kleine Unverschämtheit, wenn WhoMadeWho genug Nerven beweisen, um den größten Konsens-Hit gleich als erstes Stück abzufeuern. Als gelte es die Bahn frei zu machen für die echten Perlen, wird das verträgliche und recht dudelige Inside World abgearbeitet. Eigentlich beginnt Brighter erst danach hell zu scheinen. In ihrer beeindruckenden Dichte guter Stücke ist Brighter eine herrlich unkomplizierte Platte – oft reichen WhoMadeWho zwei, drei gute Ideen für einen tollen Song.

Running Man schraubt sich um eine flirrende Klavierfigur und eine Basslinie, so trocken wie alter Waffelteig. Nahezu jedes Stück hält mindestens eine perfekte Geheimwaffe bereit. Die glimmenden Detroit-Stakkati in Greyhound, der ballernde Rock-Trash von The Sun oder krautiges Schwefelgedröhn am Ende der Platte. Wirklich groß ist Never Had The Time, dessen Computerspiel-Loops auf eine gewaltige Basstrommel treffen. Und wer möchte nicht einmal ganz unironisch „Shalalalalaaaa“ brüllen, während ihn Rave-Sirenen fortlocken?

WhoMadewho schütteln im Dreiminutentakt Songs aus dem Ärmel, die zwar durch jede Clubtür passen, aber auch vor Fankurven oder Autodiscos nicht haltmachen. Alles kann mitgesungen werden, alles ist sofort verständlich und erklärbar.

Diese ungebremste Lust am Ohrwurm ist auch anstregend. Kaum ein Stück, dass sich nicht aufdrängt in perfekter Hook-Methodik. Ausfälle wie das kitschig-klebrige Head On My Pillow sollte man umgehen. Aber dann folgt ein Stück wie Skinny Dipping, sexy und funky. Wollte man das Modell Whomadewho zuende denken, müssten sie eigentlich früher oder später beim Eurovision Song Contest landen. Wer europäische Discos von Trondheim bis Neapel zum Ausrasten bringt, hat sowas verdient.

Das wäre vollkommen unironisch, aber für den Hipster wohl zuviel des Guten. So weit ist er noch nicht.

„Brighter“ von Whomadewho ist erschienen bei Kompakt.