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Echo der Unerhörten, Teil II

 

Es gab ein paar tolle Alben, die wir 2012 nicht vorgestellt haben. Hier Teil II der Verpassungen mit Voices From The Lake, Brian Eno und Only 4 U

Am Freitag machte Jan Freitag den Anfang mit dem ersten Teil der Verpassungen. Jetzt legt Matthias Schönebäumer seine unerhörten Platten auf.

Voices From The Lake: Voices From The Lake (Prologue)

Mal wieder einer dieser Fälle: toller Name, gutes Cover. Blind gekauft. Und dann die Musik: pulsierender Ambient Techno, so klar und perfekt ausformuliert wie vielleicht zuletzt auf Aphex Twins Ambient Works 85-92. Rund 70 Minuten taucht das italienische Duo Voices From The Lake immer tiefer und tiefer hinab, mikroskopische Sounds steigen schimmern an die Oberfläche und treiben dort minutenlang. Wo hören Stücke auf? Wo fängt die Bassdrum an? Ist das noch Techno? Oder schon Musik zum Apnoetauchen? Elektronische Musik klang 2012 selten so berückend und gleichzeitig unerhört komplex.

Brian Eno: Lux (Warp)

Ganz spät kommen sie dann doch noch, die alten Männer. Während David Bowie pünktlich zum Lebensherbst gerade wieder aufersteht, hatte sein alter Bastelfreund Brian Eno bereits im vergangenen Jahr alles richtig gemacht. Lux ist eine Installation zum Anhören, denn Eno hat sie für eine Ausstellung seiner Grafiken in Turin gefertigt. Acht minimalistische Klangbilder, die sich anhand seines gewohnt elaborierten Musiktheorems präzise ineinanderschieben. Musik für den White Cube oder für riesige Galerien, in die nie jemand hineingeht. Für alle anderen: sanftes Entgleiten in Superzeitlupe. Die Schallplatte kommt übrigens mit Kunstdrucken zum Auf-die-Augen-legen.

Only 4 U: The Sound of Cajmere & Cajual Records 1992-2012 (Strut)

Anfang der Neunziger war mit Chicago House nicht mehr viel los. Dann kam Curtis A. Jones mit seinen Vierdollar-Keyboards und billigen Drummachines. Unter dem Namen Cajmere mischte der ehemalige Chemiestudent eine explosive Mischung aus knarzigem Funk und laszivem Soul. Das Ding ging sofort hoch – in den späten neunziger Jahren waren Platten vom Label Cajual auf den Drehtellern quasi festgeklebt. Diese sorgsam kuratierte Werkschau breitet das ganze Spektrum des Labels in beängstigender Hit-Dichte aus: hymnischer Deep House von Altstars wie Glenn Underground und Derrick Carter, Techno-Funk und Jones‘ ganz eigene Verrücktheiten als Green Velvet. Von diesem Sound zehren Generationen von DJs noch heute. Lob auch für das ausführliche Booklet.