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R’n’B voller Geigen

 

Tolliver müsste er heißen: Marques Toliver hätte ein L mehr verdient. Endlich erscheint sein Debütalbum, auf dem sich Klassik und Soul auf einzigartige Weise mischen.

© Universal Music
© Universal Music

Ein Allroundtalent! Marques Toliver ist Geigenvirtuose, Songwriter und begnadeter Soulsänger. Er modelt, schauspielert in Musikvideos und hat ein Ästhetikmagazin gegründet, das laut eigener Aussage „das Sinnliche in Kunst, Literatur und Leben feiert“. Er ist 26 Jahre alt. Und er will der nächste Quincy Jones werden.

Aufgewachsen ist Toliver, wo amerikanische Studenten früher ihr Spring Break verbrachten. In Daytona Beach, Florida, kommt er früh mit Gospel und Klassik in Kontakt. Seine Großmutter spielt die Kirchenorgel und Toliver singt dazu. Er lernt Violine nach der Suzuki-Methode, studiert Musik, liebäugelt mit der Lehrerlaufbahn. Ein Trip nach New York erweitert seinen Horizont. Toliver wird zum Bohemien, schläft auf Sofas, musiziert im Central Park und im hippen Williamsburg. Seit ihn Kyp Malone von TV on the Radio dort entdeckt hat, geht es steil bergauf.

Der junge Mann scheint alles richtig zu machen. Er zieht nach London, spielt auf den Straßen des East End. Und auch hier lacht ihm das Glück: Adele lobt ihn öffentlich, es folgt ein Plattenvertrag und ein Auftritt bei Later… with Jools Holland. Wobei Glück das falsche Wort ist. In der Werbesprache würde man sagen, es liegt an seinem Unique Selling Point: der seltenen Kombination aus Klassik und R’n’B. Wer kennt schon jemanden, der Geige spielt wie ein junger Gott und dazu singt wie Stevie Wonder?

Er ist beeinflusst von Luther Vandross und Destiny’s Child genauso wie von Bach und Yehudi Menuhin. Diese Verschränkung zweier Welten macht denn auch den Reiz dieses Debüts aus. Nur für einen Song lässt er seine Geige mal im Kasten. Das Album beginnt mit gospeligem Fingerschnippen, Klavier, Schlagzeug und anschwellenden Violinen, die entfernt an Papa Was a Rollin‘ Stone erinnern. Tolivers Gesang – etwas D’Angelo, etwas John Legend – ist makellos. Und dazu wandelbar: Was sich wie Backgroundsänger oder eine Frauenstimme anhört, ist immer Toliver selbst.

Manchmal jedoch heben sich die einzeln prächtig klingenden Instrumente und Stimmen in ihrer Wirkung gegenseitig auf. Aber vielleicht ist man es einfach nicht gewohnt, dass in einer Soul-Nummer der Himmel voller Geigen hängt. Versteht sich von selbst, dass dieser Alleskönner auch Gitarre, Keyboard, Cello und die Autoharp beherrscht. Gar ein folkiges Instrumentalstück gelingt ihm: Im wunderbaren Repetition bezaubert er allein mit Geige und Klavier.

Beruhigend, dass die zweite Hälfte des Debüts nicht perfekt ist. Oder besser: zu perfekt. Man hört, wie er alles richtig machen, jeden Ton an der optimalen Stelle platzieren möchte. Auf technischer Ebene zweifellos beeindruckend, doch kommt es zuweilen etwas kühl daher. Richtig mitreißende Hooks sind nicht dabei und etwas weniger Vorhersehbarkeit hätte manchem Stück gut getan. Ein romantischer Song muss nicht nach rosa Zuckerwatte klingen. Zudem sollte sich ein R’n’B-Musiker nie mit dem Prince of Soul messen und Ain’t No Mountain High Enough anstimmen. Aber angesichts so großen Talents spricht hier wohl nur der Neid.

„Land Of CanAan“ von Marques Toliver ist erschienen bei Cooperative Music/Universal.