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Bob Dylans prämortale Reinkarnation

 

Schon sein Debüt wurde in den höchsten Tönen gelobt. Auf seinem zweiten Album zeigt der 19-jährige Jake Bugg nun, dass die großen Erwartungen berechtigt sind.

© Universal Music
© Universal Music

Entschleunigung kann manchmal ganz schön Fahrt aufnehmen. Jake Bugg zum Beispiel, vor Jahresfrist gefeiert als Teenagewunderkind zeitgenössischen Singer/Songwritings und als Beleg, dass im männlichen Teil der heutigen Jugend doch noch mehr steckt als Gangsterbosse bei Grand Theft Auto.

Dieser Lausejunge des Folk legt mit kaum 19 Jahren schnell mal den Nachfolger seines weltweit gefeierten Debütalbums vor und siehe da: Es ist ein physikalisches Wunder. Denn von Beginn an drückt die prämortale Reinkarnation des zusehends vergreisenden Bob Dylan so derart aufs Tempo, als litte er an ADS. Doch je schneller er wird, desto tiefer gerät die Ruhe, in der sich Shangri La bis in die Kontemplation versenkt.

Doch der Reihe nach.

Erstmal dreht Jake Bugg auf, über, durch. Das neue Album beginnt als Parforceritt durch diverse Stile alternativer Rockmusik. Schon das Auftaktstück There’s A Beast And We All Feed It modernisiert dabei traditionellen Rock’n’Roll mit Buggs typischer Überbetonung jedes einzelnen Vokals zum „Neeeed iiit / seeee iiit / beeee iiit„, bis daraus eine Art hyperaktiver Folkpunk wird. Slumville Sunrise verbandelt im Anschluss die Nonchalance von Kitty, Daisy & Lewis mit dem urbanen Schnoddergestus der Strokes zum Neo-Psychobilly, während das schwitzige Americana Messed Up Kids nebenbei die Untiefen des leichten Pop auslotet, ohne gleich nach REM zu klingen.

Trotz seiner Jugend schafft es Jake Bugg also Stück für Stück, die ganze weite Welt des nostalgischen Independent auf seine Seite zu ziehen und dabei seltsam eigenständig aus der Masse herauszuragen. Da schimmern hier Oasis durch und dort Buddy Holly, mal die alten Crosby, Stills, Nash & Young, mal der junge Passenger, alles hintereinander weg, oft völlig durcheinander, aber immer schlüssig. Immer gut.

Dabei fügt er dem ruhigen, fast betulichen, jedoch ungemein mitreißenden Erstlingswerk von 2012 allerdings eine bemerkenswerte Note hinzu: ein Tempo, das nicht als Tempo daherkommt, sondern quasi als langer Anlauf in die Tiefenentspannung. Besonders das erste halbe Dutzend Lieder von Shangri La, dieser fiktiven Traumwelt des Buddhismus in der abseitigen Höhe des Himalaja, vollzieht dieses kleine Wunder gegenteiliger Wirkung eines Naturgesetzes. Denn je hibbeliger das Ganze erscheint, je hysterisch dieser ungeschliffene Engländer aus der verschlafenen Industriebrache Nottingham zuweilen die Gitarrensoli zum wilden Tremolo seiner – leider ungenannten – Begleitband drischt, desto geerdeter wirkt sein Werk.

Es ist eines, das dann im zweiten Teil bis auf einen einzigen Langweiler (Kitchen Table) durchgehend unterhaltsam auf ein Finale zusteuert, wie es das Publikum wohl herbeisehnt. Im abschließenden Storm Passes Away kommt Jake Bugg dann tatsächlich wieder beinahe dort an, wo ihn die Kritiker vor wenigen Monaten verorteten: bei Bob Dylan. An andere zu erinnern macht allerdings nur eine kleine Fassette seines Charmes aus. Auch das neue Album belegt ja: Hier zappelt sich einer unvergleichlich in die innere Mitte.

„Shangri La“ von Jake Bugg ist erschienen bei Universal Music.

Jake Bugg im Februar vor dem ZEIT ONLINE Rekorder: