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Gib dem Jazz Zucker!

 

Der Kölner Pablo Held, Jahrgang 1986, wird als Jazzpianist international gefeiert. Auf seinem neuen Album „Elders“ reflektiert er die musikalischen Einflüsse seiner Jugend.

© Konstantin Kern
© Konstantin Kern

Ein paar Töne, zart und glitzernd wie Tautropfen auf einer Wiese. Ein sanft getupfter Akkord über einem Bordunton, eine leichte, fast schon zärtliche Melodie in den Pastellfarben von Flöte und akustischer Gitarre: Morning Hour, der Einstieg in das neue Album von Pablo Held.

Der längst international gefeierte Kölner Pianist, Jahrgang 1986, ist das Aushängeschild einer jungen Generation von Jazzmusikern aus Deutschland, die sich mit ihrem souveränen Zugriff auf die unterschiedlichsten Spielarten zeitgenössischer Musik zwischen Pop, Jazz und Klassik, zwischen Komposition und Improvisation eine enorme Freiheit erspielt haben. Nichts in dieser Musik ist plakativ, nichts genrehaft, jede Wendung folgt dem Moment.

Zunächst ist hier alles verhalten, einfühlsam, rücksichtsvoll, kein Ton klingt unbedacht, keine Floskel trübt die Reinheit der Idee – der Pianist, seine vertrauten Mitstreiter Robert Landfermann und Jonas Burgwinkel an Kontrabass und Schlagzeug sowie die drei Gäste an Saxofon, Flöte und Gitarre streicheln die Töne eher, als dass sie sie statuieren, reagieren feinfühlig auf jeden Akzent, voller Respekt vor der komponierten Form und gleichzeitig offen für die Impulse, die sich im Zusammenspiel ergeben. Doch dann lassen sie die Leinen locker und geben der Musik Zucker, bis sie aufbraust, energisch wird, dicht, laut und dynamisch: alles in einem organischen Zusammenspiel, wie ein schier unentwirrbares mehrdimensionales Gefüge von Aktion und Reaktion.

Mit Elders – so der Albumtitel, den Pablo Held einer Komposition von Wayne Shorter entlehnt – erweist der Pianist seinen ideellen, musikalischen und biologischen Vorfahren Respekt, Dankbarkeit und mehr. Vier der neun Kompositionen des Albums stammen aus der Feder von Pablos Vater Peter Held, vier weitere verweisen auf die elterliche Plattensammlung als Soundtrack seiner Jugend, und nur einmal greift er auf eigenes Material zurück.

Dabei kommt eine Musik im Reflexionsmodus heraus, die ihre Wurzeln deutlich macht, indem sie die Vorlagen weit hinter sich lässt. Ödipus hat ausgedient – und wo einst das Es herrschte und viel Konfrontation, soll nunmehr behutsame Aneignung werden, Kontinuität im Kleid der Verwandlung. Pablo Helds Elders dokumentiert einen Abnabelungsprozess in Form einer musikalischen Liebeserklärung.

„Elders“ von Pablo Held ist erschienen bei Pirouet.

Aus der ZEIT Nr.49/2013