Im Posthardcore sollte man vor lauter brachialer Wucht das Atmen nicht vergessen. Der Band Fjort aus Aachen gelingt das auf ihrem Debütalbum „D’Accord“ erstaunlich gut.
Der Gefahr, zum Sprachrohr einer Generation erklärt zu werden, setzen Fjort das Cover von D’Accord entgegen. Mit Pelzmütze und leicht schiefgelegtem Kopf guckt eine junge Frau trotzig in die Kamera, als habe man doch sowieso keine Ahnung, und gehört dabei weder in irgendeine Zeit noch an einen bestimmten Ort. Sicher ist nur, dass es darunter brodelt.
Erst seit zwei Jahren gibt es Fjort aus Aachen. Vorher haben alle drei Mitglieder in anderen Bands gespielt. Kurz nach der Gründung erschien Demontage, eine auch schon sehr gute Posthardcore-EP, der nur noch ein wenig Selbstbewusstsein fehlte. Das Album D’Accord traut sich nun wuchtiges Schlagzeugspiel, raumgreifende Gitarren und hochemotionale Texte, um all die Unruhe zu transportieren, die einen ja auch nach der Jugend längst nicht verlassen hat.
In den Posthardcore, der das Geschrei und das Tempo des Hardcore mit vielschichtigen Arrangements und dramatischen Melodien verbindet, passt diese Unruhe immer noch am besten, auch wenn Casper sie inzwischen für seinen Gitarrenmusik-inspirierten Hip-Hop geklaut hat und damit inzwischen nicht mehr nur Geschichten von jungen Freundschaften, sondern auch solche von erwachsenen Beziehungen erzählt. Kettcar machen das im Indie so ähnlich, jedenfalls kommen sie alle eigentlich daher. Und während die einen in neue Genres abwandern, drängeln die anderen schon nach. Die weicheren Matula, die härteren Jungbluth und eben Fjort, die ungefähr dazwischen stehen.
Es gibt Momente auf D’Accord, in denen Fjort ihren Hörern die Blastbeats um die Ohren hauen, als trügen sie die dicksten Hosen, und es gibt kluge Kehrtwenden in postrockig hallendes Gitarrenfunkeln. Auf den Tourpostern der Band sind gewaltige Landschaften, gezeichnete Tiere und geometrische Figuren in sparsamen Farben zu sehen. Dass sie kein Problem damit haben, zwischen sorgfältig inszenierten Ausbrüchen und metallischen Riffs auch mal stumpf donnernd die Muskeln spielen zu lassen, hebt sie allerdings ab in einer Welt, in der Bescheidenheit am meisten zählt.
Zutiefst verunsichert und auch überhaupt nicht mit allem einverstanden sind sie jedenfalls, das schreit Chris Hell in jedem Song heraus. Dass Zeilen wie „Du gehörst gehört/ Gehörst versenkt/ Gehörst verdammt weit weggestellt“ sich nicht immer ganz zwischen Pennälerreim und Lyrik auspendeln, gehört dazu, wenn Gefühle ungefiltert rausgehen und gehört werden sollen. Immerhin: Mitlesen muss man das nicht, so deutlich in Artikulation und Ansage rufen sonst nur Indiepunks wie Turbostaat oder Frau Potz.
Deren Vorgänger Escapado waren einst die Letzten, denen man vor lauter ausgeklügelter Gitarrenakrobatik die hoch emotional gesungenen Passagen verzieh. Fjort greifen das auf und lassen Hell sich mit aller Dramatik in Texte wie „Hallo Zukunft/ Bist du das“ werfen. Wem das zu kitschig ist, der kann ja gehen. Wer bleibt, hat mit D’Accord entweder ein weiteres hervorragend umgesetztes Beispiel für anspruchsvollen Posthardcore oder einen ersten guten Grund, die ganzen anderen Bandnamen auch mal nachzuschlagen.
„D’Accord“ von Fjort ist erschienen bei Cargo Records