Warmer Soul durchbricht elektronischen Frost: So soll es sein! Das Debütalbum „Liminal“ von The Acid könnte einen Meilenstein zwischen Dubstep und Downbeat markieren.
Wie arbeiten drei Menschen zusammen, die Tausende Kilometer voneinander entfernt leben? Die zwar dieselbe Sprache sprechen, aber aus England, Australien und den USA stammen? Und dann noch ständig unterwegs sind, weil sie als DJs, Produzenten, Musiker ihr Geld in der ganzen Welt verdienen? Wie geht das? Natürlich übers Internet. Es geht sogar ziemlich großartig.
Egal, wie Adam Freeland, Steve Nalepa und Ry X das schlussendlich hinbekommen haben: Liminal, ihr erstes Album als The Acid, ist der schickste Soul aus der Tiefkühltruhe, der in dieser Saison das Licht der Welt erblicken dürfte. Abwesend bröckeln die Beats, scheinbar unbeteiligt pulsiert der Bass, frostig liegt ein Elektronikpanzer über der Szenerie. Die Stimmen fallen herab aus ätherischen Höhen, in denen die Luft dünn ist und die Temperaturen unter Null liegen.
Die Referenzen sind so offensichtlich wie edel: James Blake wird immer wieder genannt, wenn jemand versucht, die Musik von The Acid zu beschreiben. Älteren Semestern fällt auch Massive Attack ein. Die neueste Konkurrenz in dieser zusehends bevölkerten Nische heißen Chet Faker oder SOHN. Aber mitunter schrammeln The Acid auch wie guter alter Indie-Pop. Wegen des gern im Falsett vorgetragenen Gesangs werden auch schon mal Vergleiche zu Bon Iver gezogen.
Das Namedropping hat seine Berechtigung, auch The Acid erfinden den tiefergelegten Bass natürlich nicht neu. Aber so schlüssig und konsequent hat bislang kaum jemand die Idee zusammengefasst: Dass im Idealfall durch den elektronischen Frost die Wärme des Soul bricht. Dieses Prinzip wird mal recht simpel umgesetzt wie im Song Fame, wo eine Basslinie, die die Sensibilität eines Stahltresors ausstrahlt, kontrastiert wird mit einer zwischenrufenden Stimme, die kurz vor der Hysterie steht. Aber The Acid können auch diffiziler wie in Creeper, dessen gruselige Intimität an einen gemütlichen Kaminabend mit Thom Yorke, Alfred Hitchcock und Freddy Krueger erinnert.
Man muss da natürlich vorsichtig sein, aber Liminal hat das Zeug dazu, dereinst als stildefinierendes Meisterwerk gehandelt zu werden, irgendwo zwischen Dubstep und Downbeat. Dass The Acid gleich im ersten Anlauf solch ein großer Wurf gelingt, ist allerdings nicht unbedingt eine Überraschung. Denn die Drei sind keine Unbekannten: Adam Freeland aus Brighton ist seit bald zwei Jahrzehnten ein gefragter DJ und Produzent, der auch schon mal für den Grammy nominiert war. Steve Nalepa arbeitet in Kalifornien als Komponist, Produzent und Professor für Musiktechnologie. Ry X, der eigentlich Ry Cuming heißt, aus Australien stammt und mittlerweile wieder in Los Angeles lebt, machte zuletzt mit Gitarre und engelsgleicher Stimme zwei Sommer lang Berlin unsicher. Sein Song Berlin war – auch weil er für einen Werbeclip lizensiert wurde – ein YouTube-Hit. Als The Acid ist den Dreien nun zusammen ein tolles Album gelungen, das größer ist als die Summe seiner einzelnen Teile.
„Liminal“ von The Acid erscheint am 4. Juli bei PIAS.