Rock’n’Roll ist nicht tot! Bei den Black Keys klingt er nur ein bisschen nach History Channel. „El Camino“ heißt das neue Album.
Am Anfang steht eine Drohung, die doch eigentlich ein Versprechen ist. Das Geräusch, das eine E-Gitarre verursacht, wenn sie mit ihrem altmodischen Verstärker und 220 Volt aus einer handelsüblichen Steckdose allein gelassen wird. Abwartend hängen die Saiten durch, erwartungsvoll knistern die Röhren, gleich wird sich der Klang selbstständig machen, vielleicht in einer Rückkopplung entladen, unerwartete Wege gehen. Doch stattdessen setzt knarzend der erste Gitarrenriff ein: Rock’n’Roll will never die.
Weil der Rock’n’Roll schon oft totgesagt wurde, aber immer noch und vor allem: immer wieder gespielt wird, wirkt El Camino von den Black Keys wie das Geschichtsfernsehen unserer Tage – aufwendig inszeniert und überraschend populär. Für die Rolle des Guido Knopp hat das aus Ohio stammende und mittlerweile in Nashville ansässige Duo nun schon zum zweiten Mal den Produzenten Brian Burton engagiert. Burton hat einen beträchtlichen Anteil der aufregendsten Musik der jüngeren Popgeschichte zu verantworten, von Gnarls Barkley über Gorillaz bis hin zu Brothers, dem letzten Album der Black Keys, das die Band aus dem Kultstatus bis auf Platz drei der US-Charts beförderte.
Von Burton geleitet, im Tornister die gewohnte Minimalbesetzung aus Stimme, Gitarre und Schlagzeug, die zu unausweichlichen Vergleichen mit The White Stripes oder The Kills geführt hat, machen sich Dan Auerbach und Patrick Carney noch einmal auf in die Vergangenheit. Der Boogie Gold On The Ceiling ist eine Ehrerbietung an ZZ Top, Little Black Submarines eine Ballade, auf deren Pathos Led Zeppelin stolz gewesen wären.
Im Gegensatz zu älteren Alben aber halten sich die Black Keys nicht allein mit Bluesrock auf: Dead And Gone erinnert an Bubblegum-Pop der Sixties, Stop Stop an die Jackson 5 und Sister gar an den klinischen Surrogat-Soul von Fleetwood Mac. Doch ganz wie bei der TV-Historisierung wird auch diese Wiederaufführung mit modernsten Mitteln in Szene gesetzt. Die paar elektronischen Rhythmusspielereien und Soundzugaben sind dabei weniger effektiv als das ursprünglich analog eingespielte Klangbild, das später nach allen digitalen Regeln der Kunst für heutige Hörgewohnheiten fit gemacht wurde. Der Tod des Rock’n’Roll klang nie so lebendig wie in diesem Reenactment seiner goldensten Zeiten.
„El Camino“ von The Black Keys ist erschienen bei Nonesuch/Warner.
Aus der ZEIT Nr. 50/2011