Alle zwei Jahre ein Album, hier kommt Nummer fünf: Hot Chip haben wieder zugeschlagen und Techno, Soul, Post-Punk und Alternative zu einer Einheit verklebt.
Man nehme ein Kilo vorzugsweise nicht ganz neuer Soundkarten, koche sie in einem Liter synthetischen Gins auf und schmecke mit abgelagerten Mixtapes ab, deren Etiketten gut lesbar bleiben müssen. Den Sud fülle man in völlig unterschiedliche Gefäße, in sinfonische Cognacschwenker und neonbeleuchtete Cocktailbecher, in salzrandige Martinigläser und kristallgeschliffene Coladosen. Man dekoriere aufwändig, füge den einen und vor allem den anderen Einfall in letzter Minute hinzu, siebe noch einmal durch – und serviere.
Hot Chip traten vor gut zehn Jahren mit Macht auf die Bühne, doch das songschreibende Kernduo aus Alexis Taylor und Joe Goddard raufte schon auf dem Grundschulhof im Londoner Viertel Putney miteinander, bevor es im Teenager-Alter begann, daheim im Schlafzimmer Musik aufzunehmen. Die beiden wollten sowas wie Synthesizer-Drummachine-Folk spielen, aber Taylor steht schon ewig auf Prince, Goddard war in den Neunzigern auf Hip-Hop, und die drei weiteren Herren der Band geben etliche Vorlieben hinzu, die eigentlich nicht unter einen Hut zu bringen sind.
Eigentlich. Denn hier – obacht! – liegt das Geheimnis von Hot Chip: alles zusammenschmeißen und doch eine eigene Handschrift behalten, sehr elektronisch, aber auch irgendwie Indie. Ideen auf Ideen auf Ideen schichten, ohne Songs zu überladen. Rumspielen, ohne zu plänkeln.
Trotz etlicher Nebenprojekte und Remixereien bringen Hot Chip brav alle zwei Jahre ein neues Album heraus. Nummer fünf heißt In Our Heads und erscheint nicht mehr beim electroclashigen Label DFA Records in der EMI-Familie, sondern bei Domino Records zwischen den Arctic Monkeys, Bonnie „Prince“ Billy und To Rococo Rot.
Das Resultat ist jedenfalls angeraut, manchmal angeranzt, und trotz gehöriger Cleverness meist ganz unironisch tanzbar. Oft sogar sehr. Ob zerhackte Kinderstimmen chorisch stottern oder Jungmännerchöre warme Oho-Oh-Ohoho-Eoh-Melismen über imaginäre Stadien wehen lassen, ob Raveorgeln orgeln, knackige Bassläufe laufen oder auch mal Rockklampfen klampfen, ob Goddard tiefstimmig rumpelt oder Taylor in gefährlichen Höhen turnt: nichts wirkt wie Schema F.
Die größte Gefahr für Hot Chip ist es allerdings, mit so viel Originalität zu nerven. Doch die unruhig tickernden Beats aus dem Sequenzer lassen nicht nur den Gehirnwellenschreiber verzückt zucken, auch das EKG bekommt volle vier Viertel weg: Hot Chip, das ist auch was für Herz und Bein. Auf dem neuen Album In Our Heads gelingt diese Balance ausnehmend gut, die Spuren von Techno und Soul, Post-Punk und Alternative fügen sich zu einem bruchlosen Ganzen.
Das klingt melancholisch wie in Look At Where We Are, kollektiv ekstatisch wie in Let Me Be Him, beatlesk-balladesk wie in Now There Is Nothing, housig wie in How Do You Do oder vertrackt wie Night and Day oder Motion Sickness.
Und öfter als früher klingt es diesmal fröhlich. Goddard findet’s klasse: „Ich will mir Platten wie Never Too Much von Luther Vandross anhören und keine Scheiben von Bands, die ständig ihre Komplexe und Probleme verarbeiten müssen. Sowas interessiert mich nicht.“ Hot Chip sind die Pet Shop Boys der Zehnerjahre, New Order in uncoolen Klamotten, die Beach Boys à la Nerd.
„In Our Heads“ von Hot Chip ist erschienen bei Domino Records. Auf Tour: 10.8. Hamburg, Dockville Festival; 11.8. Saalburg, Sonne Mond & Sterne Festival; 29.10. Köln, Live Music Hall; 30.10. Frankfurt, Cocoon Club; 1.11. Berlin, Columbiahalle; 2.11. Hamburg, Große Freiheit