Ein Kanzler des DJ-Pults: Moritz Von Oswald wird von Techno-Fans verehrt. Mit seinem Trio untersucht er die Nahtstellen zwischen Dub, Jazz und Elektronika.
Wenn es in der Techno-Szene so etwas wie alten Adel gäbe, dann wäre Moritz Von Oswald längst ihr heimlicher Fürst. Als Ururenkel von Otto von Bismarck hat er zwar keinen Anspruch auf höfische Anrede, aber es gibt wohl wenige Techno-Musiker, die ehrfürchtiger geschätzt werden. Vor dem schweigsamen Von Oswald gehen sogar die Herrscher aus Detroit in die Knie. Bekannt ist er vor allem als Teil des wegweisenden Dub-Techno-Duos Basic Channel und des Dub-Reggae-Projektes Rhythm & Sound.
Mit seinem Trio hat es sich Von Oswald zur Aufgabe gemacht, die Nahtstellen zwischen Dub, Jazz und Techno zu untersuchen. Gemeinsam mit Max Loderbauer, der kürzlich mit dem Techno-DJ und Produzenten Ricardo Villalobos den Katalog des Jazzlabels ECM neu bearbeitete, und dem finnischen Elektronica-Musiker Vladislav Delay Von Oswald drei höchst interessante Alben veröffentlich. Auf seinem neuen Album Fetch wird das Trio durch den Jazzbassisten Marc Muellbauer sowie eine kleine Bläsersektion um Jonas Schoen und Sebastian Studnitzky ergänzt.
Fetch besteht aus vier Teilen, teilweise bis zu zwanzig Minuten lang. Eröffnet wird die Platte mit Jam, einem unwiderstehlichen Groove, über den Sebstian Studnitzky Trompetenklänge spielt, die so auch auf Miles Davis‘ Bitches Brew zu hören sein könnten. In scheinbar unendlichen Hallräumen, typisch für die Produktionen Von Oswalds, tanzen sie wie Schatten an der Wand. Das Prinzip der Improvisation bestimmt die Musik: Klänge tauchen unvermindert auf, ein Rhythmus verschiebt sich, Melodiefragmente zeichnen sich ab. Die Drei hören und reagieren aufeinander. Besonders Delays elektronische Percussion-Klänge (hier „otherworld objects“ genannt) sorgen immer wieder für Spannungsmomente. Durch Von Oswalds exzellente Produktionsweise gelingt besonders der Auftakt der Platte nahezu perfekt.
Im Stück Dark schraubt das Trio das Tempo deutlich herunter. Ein dunkel morphendes Dub-Rhythmusskelett windet sich wie in Zeitlupe um einen metertiefen Basslauf. Weit entfernt, wie aus einem anderen Raum, dringt eine Trompetenmelodie durch die Dunkelheit. Darüber streut Vladislav Delay Effekte, lässt sie unheimlich polternd und klickernd im unendlichen Hall nachklingen, wo sie Von Oswalds Bassfrequenzen verschlingen. Nach sieben Minuten ist der Spuk vorbei. Dark ist mit Abstand das dichteste Stück Musik auf dieser Platte.
In Club kehrt die Formation eben genau dahin zurück: Fast schon beschwingt schiebt sich die Vierviertel-Bassdrum durch die düsteren Sound-Schwaden. Darüber dürften sich vor allem die Fans von Basic Channel freuen. Endlich bolzt es auch mal los! Auch hier flankieren die scheinbar improvisierten Halleffekte und perkussiven Klänge den minimalistischen Techno-Beat. Loderbauer lässt schimmernde Keyboard-Akkorde über die Rythmusgruppe schweben. Die ist wieder mit allerlei beschäftigt. Nach einigen Minuten wirkt das Prinzip etwas schal, streckenweise klingen die Klangexperimente ziellos und uninspiriert. Das Trio köchelt so vor sich hin. Glücklicherweise ist da aber immer die gute alte Bassdrum, die alles erdet und vorantreibt.
Das finale Yangissa umreißt eine kleine afrikanische Bläser-Polyphonie, während verschiedene Percussion-Effekte auf magische Weise miteinander kommunizieren, sich überlagern und wieder auseinander streben. Der Rückgriff auf afrikanische Rhythmuselemente lässt Yangissa wie elektronischen Voodoo wirken: Am Ende scheint das Stück in ein unheimliches Chaos zu laufen, als plötzlich die Beat-Decke aufreißt und sich neuer Raum für den Bass öffnet. Denn der ist immer noch mächtiger als alle Voodoo-Götter zusammen.
„Fetch“ vom Moritz Von Oswald Trio ist bei Honest Jon’s Records erschienen.