Diese Songs können Leben retten! Die Überbleibsel der Band Superpunk steigen in Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen auf. Unser Autor ist begeistert.
Ich weiß jetzt schon, was ich mir an Silvester wünschen werde. Erstens: Den sofortigen Ausbruch des allumfassenden Weltfriedens. Zweitens: Dieter Bohlen verspricht, für immer zu schweigen. Drittens: Superpunk machen ihre Auflösung rückgängig.
Dass auch nur einer dieser Wünsche in Erfüllung geht, ist leider extrem unwahrscheinlich. Aber es gibt Hoffnung: Immerhin hat Carsten Friedrichs eine neue Band gegründet. Nach Superpunk, deren Ende ihr Sänger, Gitarrist und Songschreiber im Februar nach sechs glorreichen Jahren verkündet hatte, gibt es nun Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen und ihr Debütalbum Jeder auf Erden ist wunderschön. Und das ist wichtig: Die Songs von Superpunk konnten zwar nicht den Hunger auf Erden ausrotten, aber immerhin Menschenleben retten.
Denn niemand sonst schreibt so simpel über das Leben, ohne in Klischees zu versinken. Niemand so sentimental von Gefühlen, ohne gefuhlsduselig zu werden. Niemand so aufbauend vom nächsten Tag, an dem man wieder aufstehen muss, ohne auf doofe Motivationsseminarsprüche zurückgreifen zu müssen.
Dafür wird man hierzulande zwar nicht reich und berühmt, aber wenigstens abgöttisch verehrt. Die eingeschworene Anhängerschaft der Hamburger Band traf es deshalb hart, als Superpunk ihren Abschied verkündeten.
All denen sei gesagt: Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, in die sich von Superpunk neben Friedrichs trockenem Humor noch der Bassist Tim Jürgens und die wundervoll klapprige Hammond-Orgel hinüberretten konnten, besitzt weitgehend dieselben Qualitäten.
Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen – Der fünfte Four Top
Die Grundlage des Glücks bleibt der klassische Soul der sechziger Jahre, gespielt mit rotziger Punk-Attitüde. Der wird nun dank des Saxofonisten Philip Morton Andernach auch noch mit kräftigen Bläsersätzen aufgemotzt und im Lied Der fünfte Four Top angemessen gewürdigt: „Wäre die Welt perfekt, dann wär‘ sie ein Song von Holland-Dozier-Holland“, singt Friedrichs dort in Anspielung auf das legendäre Songschreiber-Trio, das die größten Hits des Motown-Labels verfasste.
Weil die Welt aber trotz der Songs von Holland-Dozier-Holland immer noch nicht perfekt ist, braucht der Mensch weiterhin neue Lieder, die ihm versichern, dass wenn schon nicht alles gut ist, dann doch zumindest einiges noch großartig werden kann.
Also singt Friedrichs Loblieder auf die Jeanshose, auf das Kino und auf den Frühling im Park. Selbst wenn er in Ich lass mich gehen in letzter Zeit die eigene Verwahrlosung beschreibt oder in Mach mich traurig eine Beziehung, in der echtes Glück erst durch Unglück entsteht, ist man nach drei Minuten felsenfest überzeugt: Dieser Tag könnte doch noch Dein Freund werden.
Das große Thema von Jeder auf Erden ist wunderschön aber ist der Fußball, fast die Hälfte der Lieder behandeln das Thema. Das ist nicht nur unvermeidlich, weil Friedrichs treuer Fan des Hamburger SV ist und Jürgens sogar stellvertretender Chefredakteur des Fachmagazins 11Freunde. Das ist wohl auch logisch, weil der Fußball und der Soul so gut zusammen passen: Jeder Sieg schmeckt bereits nach der nächsten Niederlage, so wie die Liebe immer schon ihr eigenes Vergehen in sich birgt.
Aber es gibt stets ein nächstes Spiel, so wie es nach jeder Trennung neue Hoffnung gibt. Und dieses Gefühl, jenen melancholischen Optimismus, den vertont niemand so mitreißend wie Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen.
„Jeder auf Erden ist wunderschön“ von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ist erschienen bei Tapete/Indigo.