Thomas Wesley Pentz alias Major Lazer ist ein Jäger und Sammler von Unerhörtem. Sein neues Album „Free the Universe“ schwebt zwischen Electro und Dancehall.
Thomas Wesley Pentz hat längst jenen unheimlichen Bekanntheitsgrad erreicht, der Musikproduzenten für Werbetreibende interessant macht. Und so pries er bereits vor Jahren in einem TV-Spot die Vorzüge eines Smartphones: Es mache ihm die Arbeit einfacher, sagte der Produzent und DJ hinter Major Lazer, als global agierender Jäger und Sammler unerhörter Sounds.
Die Firma hätte sich keinen passenderen Repräsentanten für ihr Gerät aussuchen können: Pentz – bekannt unter dem Pseudonym Diplo – ist selbst eine hocheffizient arbeitende Vernetzungsmaschine, ein Informationsmanager musikalischer Stile, eine auf zwei Beinen wandelnde Schnittstelle zwischen den entlegensten Regionen lokaler Subkultur und dem globalisierten Mainstream.
Das Konzept seines Projektes Major Lazer ist so einfach wie erfolgreich: Pentz jettet um die Welt, auf der Suche nach Musiken, die noch nicht vom digitalen Radar der sogenannten Ersten Welt erfasst worden sind, und verleimt das Gefundene – oftmals unter Beteiligung von Künstlern vor Ort – mit seinen US-amerikanisch geprägten Vorlieben für prall produzierten Electro und Dancehall. Das Ergebnis ist ein ohrwurmreicher Soundhybrid, schwebend zwischen den Welten.
So war bisher etwa – wie bei der Zusammenarbeit mit M.I.A. oder Santigold – Diplos Interesse an Baile Funk unverkennbar, jener lokalen Spielart rotziger Bassmusik aus den Favelas brasilianischer Großstädte. Später widmete er sich dem Sissy Bounce, einem stark von Queerness und Blackness geprägten Stil elektronischer Musik aus New Orleans. Zuletzt arbeitete Diplo an einer musikalischen Dekontextualisierung etwas anderer Art: Dem offenbar etwas rap-müden US-Rapper Snoop Dogg wurde zu einer Reinkarnation als Reggaestar Snoop Lion verholfen.
Mittlerweile sind Diplos Produzentendienste – von Justin Timberlake über Beyoncé bis Azealia Banks – längst so begehrt, dass auf Major Lazers neuem Album Free The Universe neben den zu erwartenden Sangesgrößen aus den Tiefen des afrokaribischen Kontinuums eine Reihe Kollaborateure auftauchen, die auch dem gemeinen G8-Staaten-Hipster vertraut sein dürften: Auf Jessica schunkelt Diplo gemeinsam mit Ezra Koenig (Vampire Weekend), Wyclef Jean croont sich durch das iPod-optimierte Reach For the Stars und die bereits veröffentlichte Single Get Free, auf der Anne Coffmann (Dirty Projectors) zu einer Offbeat-Orgel trällert, ist Major Lazers neuer Trademark-Song.
Major Lazer – Get Free
Die neuen Mitarbeiter des Major-Lazer-Projekts, dessen Artwork aus Prinzip statt den beteiligten Musikern die Comicfiguren eines exotischen Killerkommandos zeigt, werden nichts daran ändern, dass Major Lazer, sein Produzent und sein Sound auch weiterhin kontrovers diskutiert werden wird: Den einen ist Diplo ein Protegé lokaler Szenen, ein Kulturübersetzer, der vor Ort kollaboriert und dessen Musik als schlauer Kommentar auf die komplizierten Zusammenhänge von Urheberschaft, Kunstproduktion und Kulturhybridisierung unter den Bedingungen globaler Vernetzung verstanden werden kann. Den anderen ist er ein reisender Neokolonialist, der seine Karriere aus den Ideen weitaus weniger Privilegierter zusammengebaut hat.
„Free The Universe“ von Major Lazer ist erschienen bei Warner Music.