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Groove mit Düsenantrieb

 

Knisternde Energie zwischen Synthie und Sampler: Das Duo Rocketnumbernine bringt Jazzolektrik zum Abheben. Auf den Punkt improvisiert und vibrierend vor Spielfreude.

© Rough Trade
© Rough Trade

Rakete Nummer neun verlässt den Planeten Erde mit einem Groove. Der Flug ruckelt vor lauter Klanglöchern und Lärmturbulenzen. Aus den Antriebsdüsen dröhnen Jazz und Elektronik, im höllisch heißen Strahl verschmelzen sie zu neuer Energie.

So verzückend und genial ist das mit der Jazzolektrik bislang nicht vielen gelungen, Steve Reid und Kieran Hebden allenfalls. Das ist schon eine ganze Weile her. Hier nun sind die Brüder Tom und Ben Page als Rocketnumbernine am Werk, MeYouWeYou heißt ihr Raumschiff. Klöppelt der eine verzwickte Rhythmen, webt der andere dicke Fäden vibrierender Synthetik ein. Das Eine ist dabei nie die Verzierung des Anderen, hier geht es nur gemeinsam voran.

Wundern darf man sich über diese Spielfreude natürlich nicht, sie steckt ja schon im Namen der Band: Rocket ist schließlich nicht nur die Rakete, sondern auch der Rucola. Stinkt das Schlagzeug nach Kerosin und rumpelt und dröhnt es an allen Ecken und Enden, so spenden die Synthesizer würzige Schärfe; Technik und Synthetik sind vom Organischen durchdrungen. Was das Album schließlich so fesselnd und meisterhaft macht – und das war auch das Geheimnis des kongenialen Duos Reid/Hebden – ist die Spannung, die nicht nur zwischen Synthesizer/Sampler und Schlagzeug/Percussion knistert, sondern gleichfalls zwischen dem repetitiv durchgedrehten Deadly Buzz, der hibbeligen Rhythmik in Rotunda und dem sphärischen Rummsen von Slide wirkt.

Es heißt, weite Teile ihres Spiels seien improvisiert. Dennoch klingen die Stücke haargenau auf den Punkt, völlig auskomponiert. Gleichzeitig sind sie offenbar tatsächlich live eingespielt, so intensiv und direkt wirken sie. Und es ist dabei viel weniger die Elektronik, die zum Tanzen einlädt, als der Jazz. Während das Schlagzeug präzise und ungeduldig drängelt, verwischen die Synthesizer meist vor allem den Rückraum, mal blechern, mal wummernd, nur selten geben sie die Struktur.

Schon vor fünf Jahren haben Rocketnumbernine ihr erstes Album You Reflect Me aufgenommen, im Vergleich zu dem infernalisch präzisen Zusammenspiel auf MeYouWeYou klingt das arg rumpelig und zufällig. Nicht weiter bemerkenswert. Doch ganz und gar überraschend ist die neue Qualität nicht: Erst vor einigen Wochen war auf Kieran Hebdens Label Text Records eine Vinylmaxi mit den famosen Stücken Roseland und Metropolis erschienen, beide gemeinsam mit Hebdens Alter Ego Four Tet aufgenommen. Auf MeYouWeYou sind sie aber leider nicht zu hören.

Mit Matthew and Toby landet die Rakete nach kaum einer Stunde. Das Album schleppt sich letztlich so abgeschmackt durch obskure Funkjazz-Zitate, da ist Rocketnumbernine doch wohl tatsächlich kurz vorm Ende der Treibstoff ausgegangen.

„MeYouWeYou“ von Rocketnumbernine ist erschienen bei Smalltown
Supersound/Rough Trade.