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Hier wird gespielt, nicht genudelt

 

Die Soulband The Bamboos hat ein untrügliches Gespür für die richtige Mischung aus Gestern und Heute. Sie macht Partymusik mit Niveau und Verkaufswert.

© Tru Thoughts

Es ist ja nicht so, dass heutzutage ein Mangel an musikalischer Seele bestünde. Allerorten wird in Motown-Wäldern gewildert und in Deep-Funk-Gewässern gefischt: Amy Winehouse, Duffy, Sharon Jones, zuvor Jamiroquai, zuletzt Jan Delay wie sie alle heißen. Tolle Arrangements, tanzbare Rhythmen, gute Musik.

Doch so nostalgisch, zugleich aber modern und vielfältig wie The Bamboos tragen nur wenige die alten Zeiten aus Memphis, Detroit, Philly in die globale Zukunft. Das fünfte, siebte, neunte Album der Australier – so genau weiß man das bei all den Band-Projekten, 12-Inches, Tribute-Scheiben und Live-Aufnahmen nicht –, das neue Album also heißt schlicht 4 und ist ein Kompendium all der tradierten Einflüsse des Soul auf die Gegenwart.

Ob getragen und lässig im Auftaktsong On The Sly, energetisch und rau wie im großartigen Turn It Up oder poppig und rockig wie in der Bühnennummer The Ghost: The Bamboos haben ein untrügliches Gespür für die richtige Mischung aus Gestern und Heute. Die Supremes klingen durch, James Brown natürlich, Curtis Mayfield, die großen Stax-Sampler mit Staraufgebot und kleinen Northern-Soul-Singles. Das Oktett um den Gitarristen Lance Ferguson geht stets auf Zeitreise. Und nie hat man das Gefühl, es fährt irgendwo ab, um irgendwo anzukommen. Treibender Slappin’ Bass mischt sich mit Geigensamples, Funk-Gitarren mit Bläserstakkatos, Hammond-Orgeln mit der unvermeidlichen Sitar, ohne die keine derartige Platte von heute auskommt. Kylie Auldists Gesang vereint alles auf einer wieder erkennbaren Ebene.

Alles ist ein Geben und Nehmen der Sechzigerjahre, wie sie langsam in die Diskoära hineinwachsen. Alles ist Bauchmusik für Leute, die zum Allnighter keine schmalen Krawatten und Steckfrisuren tragen müssen. Alles ist aber auch ein Signal in eine Gegenwart hinein, die sich das Instrumentieren so gründlich abgewöhnt hat. Ob im Nu Soul oder R’n’B: Im Formatradio und seiner Zuträgerindustrie hat dominiert der Gesang derart, dass im Grunde nur noch Unterstützungsnoten vom Rechner hinzugeneriert werden, ohne eigene Substanz, ohne Leben. Von Alicia Keys bis Joss Stone, von Mary J. Blige bis Beyoncé Knowles hört man hinter der Stimme – nichts. Nur Rauschen, Taktvorgaben, etwas Rhythmus, etwas Elektronika, das war’s. Da führen Kapellen wie die Bamboos den Soul unmissverständlich zurück zu seiner Orchestralität, zum Opernhaften, das – inhaltsreduziert zumeist, aber nicht sinnfrei – Stimme und Musik koexistieren lässt. Nebeneinander, gleichberechtigt und isoliert hörbar.

Davon zeugen nicht nur die Instrumentalstücke auf 4, sondern auch die aufwändigen Bassläufe, das virtuose Schlagzeug, dazu versierte Breaks oder eine tonangebende Querflöte im abschließenden Typhoon, das ganze Miteinander eben. 4 ist Partymusik mit Niveau und Verkaufswert, ohne dabei gleich mainstreamtauglich zu sein. Und damit eine Seltenheit. Leider. Aber eigentlich auch schön. Lasst die anderen doch singen, The Bamboos spielen.

„4“ von The Bamboos ist auf CD und LP erschienen bei Tru Thoughts/Groove Attack.