In der neuen Ausgabe der Zeitschrift Groove stellt der Kölner House-Musiker Justus Köhncke seine sechs liebsten Platten vor. Neben einer Platte von Velvet Underground und einer von DJ Pierre stehen gleich vier Alben aus den Achtzigern, Alles ist gut von DAF, Computerwelt von Kraftwerk, The Lexicon Of Love von ABC und Cupid & Psyche 85 von Scritti Politti. Die Auswahl ist ein Bekenntnis zur Künstlichkeit. Bezeichnend sind Köhnckes Ausführungen zu Scritti Politti: „Dieser glitzernde, futuristische, hochglanzpolierte ‚Kalt, modern und teuer‘-Sound dieser Produktion war stark verantwortlich für mein berufliches Traumziel Plattenstudio.“ Die Platte markiere das Ende des „handwerklichen Muckertums“. Justus Köhnckes Produktionen knüpfen hier an, sie sind immer schon so glatt und kühl wie der Pop der Achtziger. Auch sein neues Album Safe And Sound glitzert elegant.
Köhncke hat eine zweite Leidenschaft: Disco, in all ihren Spielarten. Die monotonen Rhythmen und die exaltierten Gesten der Discomusik waren in den Siebzigern jedem Mucker ein Gräuel, Justus Köhncke belebt sie wieder um einer schwulen Ästhetik Willen. Seine ersten beiden Alben Was ist Musik und Doppelleben waren glamouröse Amalgame aus Disco-Klängen und schlagerartigem Gesang – Hildegard Knef ist ihm ein Vorbild. Dazwischen baute er immer wieder gradlinige House-Rhythmen. Auf Safe And Sound singt er lediglich zu (It’s Gonna Be) Alright, der Rest des Albums ist instrumental.
Es geht los mit Grace Jones. Ihr Spiel mit Geschlechter-Kategorien ist Köhncke eine wichtige Referenz. Yacht basiert auf einem Sample aus ihrem Slave To The Rhythm. Was einst kalt wirkte, mutet heute warm an, das ehedem Futuristische klingt zeitlos. Das Sample fügt sich nahtlos ein in Köhnckes flottes House-Stück.
Er hat ein sicheres Gespür für Melodien und Strukturen, seine eingängigen Stücke haben immer das Zeug zum Club-Hit. Nicht alles klingt nach Disco, $26 ist einprägsamer Intelligenz-Techno, Molybdän ein melodieverliebtes Trance-Stück. Selbst hier schimmert der Hedonismus des Tanzpalasts durch, die Lieder laufen auf beglückende Höhepunkte zu. Wenige Stücke klingen so offensichtlich nach Disco wie Parage mit seinen Streichern und dem federnden Bass.
Tilda braucht gar keinen wummernden Rhythmus, es ist die klangliche Brücke zur Coverversion von Michael Rothers Feuerland. In Köhnckes Bearbeitung treibt ein träge watschelnder Rhythmus krautrockige Synthesizer und Ambient-Gitarren vor sich her. So klang Cosmic Disco Anfang der Achtziger. In Gestalt des House sind diese tanzbaren Rhythmen auferstanden, wie Phönix aus der Asche.
„Safe And Sound“ von Justus Köhncke ist als CD erschienen bei Kompakt/Rough Trade.
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