Der dunkle Zauber warf seinen Schatten voraus: Ende vergangenen Jahres verkündeten The Cure, dreißig neue Lieder aufgenommen zu haben. Am 13. September 2008 solle das 13. Album der Band erscheinen. Vier Monate im Voraus begann die Gruppe damit, jeweils eine Single mit zwei neuen Stücken zu veröffentlichen. Die Lieder – angefangen mit The Only One im Mai – erschienen jeweils am Monatsdreizehnten.
Selbst als die Veröffentlichung des Albums um sechs Wochen verschoben wurde, folgten The Cure einem Notfallplan, der die Symbolik der 13 aufrechterhielt: Sie veröffentlichten ein Minialbum mit fünf Remixen der Singles. Vier mal zwei plus fünf? Genau, 13. Das Album heißt – für alle, die es ganz explizit wollen – 4:13 Dream, es sind 13 Stücke drauf. Wozu diese überbetonte Symbolik? Sind die Lieder so schwach?
4:13 Dream ist ein zerrissenes Album. The Cure wildern in ihrer eigenen Vergangenheit. Underneath The Stars ist aus dem selben Garn gewebt wie der düstere Klangteppich Disintegration, nur ein bisschen ausgewaschen. The Only One und The Perfect Boy sind fröhliche Poplieder, wie die Band sie Mitte der Achtziger sang. Sirensong erinnert an Wish und Sleep When I’m Dead hätte auf Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me nicht gestört, Freakshow ist ähnlich exzentrisch wie viele Stücke auf dem schlechten Wild Mood Swings.
Nur: Die zitierten Werke waren stark innerhalb der stimmungsvollen Dramaturgie der jeweiligen Alben. 4:13 Dream hingegen klingt wie ein Gemischtwarenladen.
Die Zerrissenheit wäre vielleicht sogar unerheblich – oder zumindest weniger auffällig – wenn die Lieder nicht so belanglos wären. Stücke wie It’s Over und Switch mühen sich redlich, nach The Cure zu klingen, haben melodiös aber kaum etwas zu bieten.
Auf früheren Alben ist es der Band so oft gelungen, der Schwere eine betörend leichte Melodie entgegenzusetzen, da durchbrach ein Kieksen Robert Smiths weinerlichen Tonfall. Nun hört man, wie The Cure versuchen, Schwermut und Schmunzeln in die Waage zu bringen – und wie es immer wieder misslingt. Vor allem, wenn Porl Thompson eine Schippe grobes Gitarrenkorn auflegt, ist die Einfallslosigkeit frappant!
Besser sind die Lieder, in denen die Band behutsam zu Werke geht. In The Only One etwa. Es überragt alle anderen Stücke und ist das einzig richtig gute. Zwei, drei andere Lieder sind immerhin in Ordnung. Größere Inseln im aufgewühlten Meer des Gitarrenkreischens gibt es leider nicht.
Manches Stück – etwa Sleep When I’m Dead – wäre wohl gar nicht so unerträglich, wenn das Album ordentlich produziert wäre. 4:13 Dream klingt furchtbar breiig – wie schon die letzten drei Alben der Band. Vor allem dem Bass fehlt der pointierte Plopp, zäh wie Bitumen breitet sich sein dumpfes Grollen über allem aus.
Vielleicht sind die Ohren des Herrn Smith einfach schlecht geworden über die Jahre? Er ist ja auch schon beinahe 50 und ließ seine Trommelfelle an unzähligen Abenden vom eigenen Krach durchwalken. Es heißt, er betrachte die Band als seinen Besitz, er habe auch auch diesmal an den Reglern gedreht, gemeinsam mit dem Hitparadenfüller Keith Uddin.
Im Volksmund ist die 13 das „Dutzend des Teufels“, in vielen Hochhäusern gibt es keinen 13. Stock. In Flugzeugen folgt Reihe 14 auf Reihe 12, selbst die Angst vor der 13 hat einen Namen: Triskaidekaphobie. Vielleicht hätten auch The Cure auf ihr 13. Album verzichten sollen? Noch vor seinem 50. Geburtstag am 21. April 2009 solle das 14. erscheinen, kündigte Robert Smith bereits an.
„4:13 Dream“ von The Cure ist auf CD und LP bei Geffen/Universal erschienen.
Hier geht’s zur klingenden Diskografie aller bisherigen Alben von The Cure »
…
Weitere Beiträge aus der Kategorie POP
Tindersticks: „I“ (This Way Up 1993)
Brian Wilson: „That Lucky Old Sun“ (Capitol/EMI 2008)
Dennis Wilson: „Pacific Ocean Blue“ (Caribou 1977/Sony BMG 2008)
Leila: „Blood, Looms, And Blooms“ (Warp/Rough Trade 2008)
„Monkey – Journey To The West“ (XL Recordings/Beggars Banquet 2008)
Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik