Patrick Wolf ist der neue Prinz Pop. In seinen Stücken türmen sich Ukulele, Vibrafon und Atari-Computer übereinander. Obendrauf schlägt bisweilen der Disko-Hammer
Es ist eine Eigenart der Briten, dass sie sich aufrichtig über good looks and style freuen können, gleich, welcher Herkunft diese sind. In roten Caprihosen hat sich Patrick Wolf für das Cover seines neuen Albums The Magic Position fotografieren lassen, herrlich auf ein Karussell-Bambi drapiert, um den Hals trägt er eine Art Lametta, die Haare leuchten orangerot, seine Füße sind in spitze, goldene Schuhe gekleidet. Der Junge könnte aus einem bunten Disney-Traum auf die Erde gepurzelt sein, das Cover aber sollte man als Pop-Art-Installation verstehen, in der die Bilder einer heilen Kinderwelt spielerisch ins Androgyne überführt werden.
Patrick Wolf unterscheidet sich nicht nur äußerlich von der gerade aktuellen Klasse der Londoner Gitarrenjugend, distinktionssicher nimmt der 23-Jährige seine Popstarwerdung unter Aufbietung privater Mythen und Erzählungen seit seiner ersten Veröffentlichung Lycanthropy (2003) in Angriff. Es ist die Geschichte vom ehrgeizigen Knaben aus kulturell engagiertem Elternhaus, der das Violinenspiel aufgab, weil er es nur zur zweiten Geige brachte. Der zur Harfe griff, statt sich den Jungsbünden mit den Gitarren anzuschließen. Der geschlagen, gemobbt und verlacht wurde an der Schule, weil er Kleider trug, die die meisten ihren Mädchen nicht anziehen würden. Seine ersten Lieder nahm Patrick Wolf mit Kassettenrekordern und Synthesizern auf, einige davon schickte er seinem Idol Björk, ohne jemals Antwort zu erhalten. Mit 16 vagabundierte er durch London.
Die Inszenierung gilt bei Wolf immer dem eigenen Körper: Auf Lycanthropy war er noch der Lumpenbube, der in seinen verfremdeten Folksongs von Vergewaltigung und Verletzung berichtete, beglaubigt mit Field Recordings vom Trafalgar Square und schlimmen Atari-Geräuschen. Diese Musik, die direkt aus dem Leben um die Ecke zu biegen schien, diente vorbildlich der Illustration eines durchlittenen Martyriums. „It’s wonderful what a smile can hide / if the teeth shine right“, jubiliert Patrick Wolf jetzt zum Auftakt der CD The Magic Position – eine verlängerte Gedenkminute für den Schuljungen und die Last, die dieser so lange auf dem Herzen trug. Die 13 Lieder der neuen Produktion dürfen in prächtigen Streicher- und Posaunen-Arrangements erstrahlen, Wolfs Stimme thront auf wilden Soundgebirgen, deren Innenleben von umhergeisternden Ukulelen, von Vibrafon, Klarinette und Glockenspiel bestimmt wird, und irgendwo im Stollen schlägt auch jemand den Disko-Hammer.
The Magic Position bedient sich durchaus der Hurra-Ästhetik der frühen achtziger Jahre, als Pop für eine kurze Zeit Avantgarde sein konnte, bevor George Michael und Wham! zum Ernst des Lebens übergingen. Es würde niemanden wundern, wenn Patrick Wolf Songs mit Marc Almond (Soft Cell) oder Kevin Rowland (Dexys Midnight Runners) aufgenommen hätte, beim Vertreiben der alten Dämonen aber kam ihm Pop-Ikone Marianne Faithfull zu Hilfe, mit verlebter Stimme. Was ja auch wieder passt, der Entertainer Wolf führt längst sein Leben als Musical auf. Im Video zu The Magic Position hat man ihm bunte Kulissen besorgt und viel Volk, das tanzt. Schaut her, das ist der neue Prinz Pop, bisexuell, mit breiter Brust und immer noch in kurzen Hosen: „You put me in the magic position / to live to learn to love / in the major key.“
„The Magic Position“ von Patrick Wolf ist erschienen bei Loog/Polydor
Dieser Text ist entnommen aus DIE ZEIT Nr. 21/2007
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