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Picobello: Mein Wort-Schatz

Kristina, die zweisprachig aufwachsende Tochter unserer Nachbarn, wird drei. Bevor die Gäste kommen, wird die Terrasse gewienert. Kristina will auch ein Wischtuch. Nach kurzer Zeit zeigt sie dem italienischen Papa stolz die blank geputzte Stelle. »Picobello«, lobt er. Ich fand mit Staunen heraus, dass der erste Teil des Wortes »picobello« vom niederdeutschen »piek« oder »pük« abstammt, der zweite ist zweifellos italienisch.

Ursula Bechtle, Besigheim, Baden-Württemberg

 

Aus meinem Garten

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Hatte sich doch meine Hokkaido-Kürbis-Pflanze heimlich während meines Urlaubs hinter der Clematis hochgehangelt. Da es für ein Umbetten auf den Boden zu spät war, musste eine andere Lösung her. Diese fand ich mithilfe eines lieben Nachbarn. Und als wir die Kürbisse behutsam in ihr neues Zuhause legten, meinten wir gar, ein leichtes Aufatmen der Pflanze gehört zu haben.

Ernst-Dieter Honermeier, Büdelsdorf, Schleswig-Holstein

 

Was mein Leben reicher macht

Das seltene Glück, ein eineiiger Drilling zu sein. Unser 45. Lebensjahr haben wir drei Frauen im August unter dem funkelnden Eiffelturm mit einem Glas Crémant begonnen. Es war so eine Situation wie früher in unserer Kindheit, als wir uns nur anschauen mussten, um zu wissen, was die anderen fühlten oder dachten – und manchmal sagten wir auch das Gleiche zur gleichen Zeit!

Petra Dornblüth, Talheim, Baden-Württemberg

 

Putzig: Mein Wort-Schatz

Jüngst sagte meine Freundin: »Männer sind doch manchmal putzig!« Da war es wieder, das Wort, das ich jahrzehntelang nicht gehört hatte: Putzig. In unserer Kindheit in den fünfziger Jahren nannten wir alles »putzig«, was ungewöhnlich und unerwartet war. »Das ist aber eine putzige Geschichte, ein putziges Kleid, ein putziger Nachbar.« Bei allem Erstaunen schwang immer auch etwas Liebenswürdiges mit. Ich könnte mich wieder daran gewöhnen.

Ingrid Schütte, Minden

 

Bootstour

(nach Günter Eich, »Inventur«)

Dies ist meine Kapuze,
dies ist meine Jacke,
die den scharfen Wind
und das Wasser durchlässt.

Der Goldring und zwei
Steine sind im Saum
vor begehrlichen
Augen verborgen.

Versteckt in der Tasche
die Adresse in Deutschland,
die ich niemandem
weitersagen soll.

Der Zettel ist feucht
wie alle Sachen,
die Schrift zerlaufen.
Das ist mir egal.

Dies ist mein Fladenbrot,
durchweicht, lösts sich auf.
Hunger habe ich nicht
auch keinen Durst.

Die glatte Planke hier
teil ich mit vielen.
Sie liegt zwischen uns
und dem dunklen Abgrund.

Das ist mein Baby.
Im nassen Tuch schläft
es auf meinem Schoß.
Atmet schon lang nicht mehr.

Hilde Stutte, Tübingen

 

Was mein Leben reicher macht

An Sommertagen frühmorgens barfuß über das taunasse Grass zu meiner Gartenbrause zu laufen und den Tag mit einer kalten Dusche zu beginnen.

Axel Bartholomäus, Seeheim-Jugenheim, Hessen 

 

Knorke: Mein Wort-Schatz

In meiner Kindheit in den dreißiger Jahren fanden wir Jungen es knorke, ganze Nachmittage im neuen Freibad herumzutollen oder auf unserem Sandplatz Fußball zu spielen. Heute, mit 88 Jahren, finde ich es knorke, dass es die Seite »ZEIT der Leser« gibt. Das Wörterbuch der deutschen Alltagssprache bietet für dieses Adjektiv die Bedeutungen »ausgezeichnet«, »vorzüglich«, »unüberbietbar«. Keiner dieser Ausdrücke wäre jedoch treffender Ersatz in meinen Beispielsätzen. Da ist es einfach »knorke«, dass ich meinen Wortschatz noch einmal so sinnvoll gebrauchen kann!

Hans Georg Michels, Marl