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Was mein Leben reicher macht

Meine junge Zahnärztin. Zwei abgebrochene Zähne innerhalb der letzten beiden Wochen! Doch Frau Doktor behandelt nicht nur die Ursache der Schmerzen im Handumdrehen und erfolgreich, sie therapiert mit ihrem Einfühlungsvermögen auch die Folgen seelischer Brüche.

Eleonore Reck, Böblingen

 

Warum?

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Meine Freundinnen und Freunde behaupten, ich klebte überall überflüssige Hinweiszettel an. Stimmt aber gar nicht. Und auf diese grandiose sinnfrei-dadaistische Idee für einen Hinweiszettel, wie ich ihn am Münchner Hauptbahnhof sah, wäre ich nie gekommen. Der Bahn hätte ich so was Poetisches gar nicht zugetraut! Beim Weitergehen sah ich dann: Es ist nur die Rückseite eines Zettels mit der Aufschrift »Tür bitte immer schließen« an der Innenseite einer weiterverwendeten Telefonzelle, die irgendwelche Technik auf dem Bahnsteig beherbergt.

Maike Janßen, Berlin

 

Ratzeputz: Mein Wort-Schatz

Wir sind bei Freunden eingeladen. Es gibt Lasagne. Also spöttelt jeder ein bisschen. Unser Freund, der geschäftlich viel unterwegs ist, kommentierte den Spott mit: »Ich habe das Hackfleisch aus Rumänien mitgebracht.« Doch wir wissen, dass er nur mit frischen Produkten aus verlässlichem Handwerk kocht. Und essen die Lasagne ratzeputz auf. Das Wort gefällt mir in diesem Zusammenhang besonders gut. Was gut ist, das putzen auch die intelligenten Ratten weg.

Ursula Bechtle, Besigheim, Baden-Württemberg

 

Das ist mein Ding

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… eine metallene Zigarrendose, umfunktioniert zum Nadeldöschen. Meine Großtante hat sie im Jahr 1926 von einem ihrer Brüder erhalten und während ihrer Zeit als Kindermädchen in Wien, durch unterschiedlichste politische und persönliche Ereignisse, durch den Krieg und die Vertreibung aus dem Sudetenland nach Berlin und später nach Köln gerettet. Seit ich klein war, enthielt es Nadeln aller Art. Seit dem Tod meiner Großtante 1978 gehört das Döschen mir. Seinen Job als Nadelbewahrer hat es behalten und ist mit mir ins Schwabenland. Es erfüllt mich mit Achtung: 44 Jahre älter als ich, verkratzt und verschrammt und verbeult – aber immer noch leuchtend und glänzend und ganz charmant, wie es mir aus dem Handarbeitskorb entgegenlächelt. Es ist ein freundlich über den Strom der Zeit winkender Bote.

Marianne Meyer, Erlenbach, Baden-Württemberg

 

Fast schon bei Nacht

(nach Hans Carossa »Der alte Brunnen«)

Knips aus dein Licht und schnarch. Das ziemlich blöde
Geplansche aus dem Badezimmer klingt.
Reg dich nicht auf, und hört sich’s an auch öde.
Was willst du machen, wenn dort einer singt?

Vielleicht geschieht’s, wenn du schon liegst im Bette,
Dass plötzlich laut es wird – fast schon bei Nacht.
Es plätschert Wasser. Aus ’ner Operette
Singt einer Arien. Zwischendurch er lacht.

Und du schreckst hoch, – dann musst du nicht gleich zanken.
Der Wecker tickt wie immer etwas schrill.
Und nur dein Hauswirt kam auf den Gedanken,
Sich jetzt zu baden, doch er tut’s nicht still.

Es geht vorüber. Bald wird’s wieder leise.
O freue dich, dass er noch baden kann.
Und lausche der von ihm gesung’nen Weise.
Das wird dir noch passieren dann und wann.

Hans-Dieter Stolze, Kassel

 

Was mein Leben reicher macht

Wegen meines Jobs musste ich umziehen. Aber ich bin allein in der Gegend, in der ich jetzt seit einem halben Jahr wohne. Zum ersten Mal in meinem Leben spüre ich die Kälte der Einsamkeit. Während Bekannte aus früheren Zeiten heiraten und Familien gründen, verlieren sich meine sozialen Bindungen im Nirvana der Bedeutungslosigkeit. Vor drei Tagen schrieb mir dann eine alte Bekannte auf Facebook: »Ich würde Dich so gerne mal wieder sehen!« In Gedanken umarme ich sie.

Jochen Götzl, Kehl, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Dialog meiner sechsjährigen Tochter Paula mit ihrer gleichaltrigen Freundin Trixie beim Malen in der Hochbett-Höhle: Paula: »Kannst du dir eigentlich vorstellen, den ganzen Tag zu machen, was dein Chef sagt?« Trixie, nach kurzer Bedenkzeit sehr entschieden: »Nein!« Paula: »Na ja, noch haben wir ja Zeit, bis wir in die Schule kommen.«

Christoph Mestmacher-Steiner, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Mein gelber Sonnenschirm, der neben der Balkontür auf seinen Einsatz wartet. Ich schaue in das triste Grau und freue mich schon riesig auf wunderbare Sommerabende bei Wein und Musik.

Robert Greve, Berlin

 

Außerirdisch

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Als neuer Pensionär durchflöhte ich neulich alle möglichen alten Reiseunterlagen. Dabei fand ich den »Alien-Pass« aus Nigeria. Von 1977 bis 1983 nämlich arbeitete ich als Schifffahrtskaufmann in Westafrika, und das Reisen in Nigeria war besonders umständlich: Man benötigte so einen Pass, um sich An- und Abreise im Land in den jeweiligen Orten offiziell bestätigen zu lassen. Es war ein Relikt aus der Zeit der Militärdiktatur, um die Ausländer besser überwachen zu können. Manchmal dauerten die bürokratischen Prozeduren länger als das ganze Reisen – aber immerhin verhalf es mir zu manch nettem Erfahrungsaustausch mit anderen Ausländern, während wir auf die Reisegenehmigung warteten.

Hans Wedekind, Delmenhorst