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Was mein Leben reicher macht

Mein Mann feiert seinen 70. Geburtstag. Als sich die Familie unseres Sohnes zur Heimreise verabschiedet, frage ich, ob sie auch alles eingepackt haben. Darauf antwortet unser achtjähriger Enkel Adrian: »Nein, die Oma müssen wir noch einpacken und mitnehmen.«

Elfriede Bochtler, Staig, Baden-Württemberg

 

Ist er’s?

Liebe ZEIT-Leserinnen und -Leser, haben Sie Lust auf ein wenig Original-Lyrik? Und auf ein wenig Frühling? Also:

»Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!«

So klingt das bei Eduard Mörike, dem schwäbischen Dichter-Pfarrer. Sein Gedicht »Er ist’s!« scheint bei den Parodisten unter Ihnen besonders beliebt zu sein – nur manches Rilke-Gedicht ist noch öfter Vorlage für Ihre Einsendungen. Was also spricht dagegen, jetzt, wo auch die Eisheiligen schon bald überstanden sind, gleich vier Umdichtungen dieses wunderbaren Frühlingsgedichts zu bringen? Eine Variation mit vier ganz verschiedenen Themen sozusagen …

Wolfgang Lechner

 

(Nach Eduard Mörike, »Er ist’s!«)

Frühling lässt das Meterband
wieder flattern um die Hüfte;
Fette, prall geformte Wülste
Greift die ahnungsvolle Hand.
Hosen spannen schon,
Aßest wieder Tonnen.
So, das hast du Dickmops nun davon!
Fettsack, ja du frisst!
Du hast zugenommen!

Iris Braig, Karlsruhe

 

Frühling lässt die lauten Bands
Wieder lärmen durch die Lüfte;
Grillwursts wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Fans, die träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein harter Schlagzeugton!
Open-Air, du bist’s!
Dich hab ich vernommen!

Wolfgang Tzschaschel, Gernsbach, Baden-Württemberg

 

Aus der Nordsee tiefsten Tiefe
Steigen Gase in die Lüfte;
Gift’ge, unheilvolle Düfte
Wabern dräuend bis ans Land.
Total und Shell, die wussten’s schon:
Löcher kann man schwerlich stopfen.
– Horch, ein stetes höllisch’ Brodeln!
Mammon, ja, du bist’s!
Dich hab ich vernommen!

Elke Loubier, Marne, Schleswig-Holstein

 

Der Frühling,
dieser Blaubandflatterluftikus
und Duftikuslandstreifer,
wurde vernommen.
Gestanden
hat er
nichts.

Manfred Jobst, Marburg

 

Was mein Leben reicher macht

Die Kommunikation, die mein Mann mit seinen Kommunikationsmedien pflegt: Neulich etwa musste er sehr früh aufstehen und schaffte es am Vorabend unter einigen Mühen, die Weckfunktion seines neuen Handys zu aktivieren. Tags darauf ertönte pünktlich zur eingegebenen Zeit ein Dadülelütt, Dadülelütt. So weit, so gut. Am nächsten Morgen – in aller Herrgottsfrühe – leider wieder: »Dadülelütt, Dadülelütt«. Da knurrt es aus dem Kissenberg neben mir: »Das war gestern, du Schwachmat!«

Ilse Hering, Schweinfurt

 

Bußfertige Eltern

In einem alten Taschenbuch hat meine Nichte beiliegende Entschuldigung aus dem Jahr 1976 gefunden. Der ungehorsame Sohn Wilhelm ist heute 52 Jahre alt und hat trotz der selbst verschuldeten Bildungslücke alle Prüfungen des Lebens gemeistert.

Wilhelm Ebner, Landshut

 

Was mein Leben reicher macht

Samstagmorgen im Starbucks. Den Kaffee brüht eine ältere Dame. Sie und ich gehören zum Morgeninventar. Ich bestelle immer den mittelgroßen Milchkaffee, sie berechnet nur den kleinen. Nie ein Wort hierüber, es ist unser kleines Geheimnis.

Douglas Kelly, Frankfurt am Main

 

Augenweide: Mein Wort-Schatz

Ein Wort, das ich poetisch finde und sehr liebe: Augenweide. Mein Großvater sagte – vor über 60 Jahren – häufig zu mir, dem bezopften kleinen Mädchen: »Dodi, du bist meine Augenweide.« Unwillkürlich verband ich das Wort seinerzeit mit dem Bild, das in mir entstand, wenn er mir den 23. Psalm vorlas: »Er weidet mich auf einer grünen Au und führet mich zum frischen Wasser.« Mein Opa, ein alter Pastor, extrem kurzsichtig, die Bibel dicht vor die Augen haltend, las diesen Psalm mit seinem vokaltiefen baltendeutschen Akzent. Seither verbinde ich mit dem Wort Augenweide eine schöne Vorstellung: Erquickung für Großvaters müde, durch dicke Brillengläser strapazierte Augen.

Dorothea Braun-Ribbat, Heilbronn

 

Was mein Leben reicher macht

Kürzlich begleitete ich meine Tochter zum Bahnhof. Als sie eingestiegen war, blieb ich stehen, um zu winken. Der Zug fährt an und – stoppt sofort wieder. Was ist geschehen? Ganz vorn am Bahnsteig hastet ein Mensch mit Koffer dem Zug entgegen. Die Tür des ersten Wagens öffnet sich. Die Person steigt ein. Und der Zug fährt endgültig ab.

Christof Leitz, Erlangen

 

Fremdenzimmer: Mein Wort-Schatz

Oft standen wir im Stau auf dem Weg zu den deutschen Ostseebädern, Schilder hingen an den Häusern: Fremdenzimmer. Das waren Zimmer, die man vermietete an Fremde, die dann oft mit Familienanschluss in den deutschen Ostseebädern Urlaub machten. Manches Mal wurden aus Fremden Freunde. Das Wort Fremdenzimmer erzählt von der Bereitschaft, sich dem anderen zu öffnen, ihn zu beherbergen, ihm zu vertrauen.

Dorothea Lindow, Eutin, Schleswig-Holstein

 

Zeitsprung

Die beiden Fotos zeigen meine Mutter Ursula Güntzel in Hamburg-Eimsbüttel. Auf dem Bild von 1952 sind im Hintergrund, an der Ecke Kaiser-Friedrich-Ufer/Heymannstraße, die sogenannten Nissenhütten zu erkennen, Notunterkünfte für Flüchtlinge und Hamburger, die durch Bombenschäden obdachlos geworden waren. Heute ist meine Mutter 75 Jahre alt, die Hütten sind verschwunden und die Bäumchen von damals zu stattlicher Größe herangewachsen. Weit in die Welt hinausgekommen sind wir nicht: Die gesamte Familie wohnt noch heute dicht beieinander in Eimsbüttel.

Ragna Curic, Hamburg

 

Gabelfrühstück: Mein Wort-Schatz

Das Gabelfrühstück, das ehrwürdige hanseatische Kaufleute nach den ersten Arbeitsstunden im Kontor des Handelshauses gegen elf Uhr zu sich nahmen. Inzwischen ist daraus das neudeutsche »Brunch« geworden! Man stelle sich vor, Thomas Mann hätte den Konsul und den Senator im Gehrock und mit Spazierstock zum Brunchen gehen lassen – schrecklich!

Hubert Schröder, Lippstadt