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Ehrensold, Abzocke: Mein Wort-Schatz

Mit meinen 89 Jahren vermag ich meinen Wortschatz der Kindheit von Ehre und Ehrensold absolut nicht in Einklang zu bringen mit den neuerdings notgedrungen neu erlernten Begriffen von Schnäppchenjagd und Abzocke. Oder bin ich begriffsstutzig?

Maude von Bauer, Hilders in der Rhön

 

Zeitsprung

1989
2010

Als ich mit immerhin 45 Jahren erstmals Laufschuhe anzog, ahnte ich nicht, wie sehr sich mein Leben ändern würde. Ein Arbeitskollege hatte gefragt, ob ich mit ihm joggen gehe auf den Sportplatz, als Ausgleich zum Büroberuf als Buchhalter. Nach Runde 15 machte er schlapp – ich aber lief und lief … Zwei Jahre darauf, 1989, gelang mir in Hamburg mein 1. Marathon (Foto 1). Ende April 2012 geht es nun wieder an die Elbe – Marathon Nr. 89. Und natürlich träume ich davon, die 100 zu schaffen! Gelaufen bin ich unter anderem auf Usedom und Terschelling, in Barcelona, Zürich, Berlin, Rom (Foto 2); oft gewann ich in meiner Altersklasse, meine Bestzeit war 2:48:19 Stunden. Nebenher koordiniere und betreue ich Lauftreffs. Aber denken Sie nun bitte bloß nicht, dass ich mich für den Sport kasteie! Ich habe einen großen, wunderbaren Familien- und Freundeskreis, genieße das Leben, schlemme beim Italiener, feiere gern, gehe oft ins Kino, lese viel und sitte meinen Enkel Jakob (3), fühle mich fit und wohl und trinke meinen guten Rotwein.

Leonhard Doetsch, Essen

 

Wiedergefunden: Der Zündapp Janus


Das Foto entstand vor knapp 50 Jahren, es zeigt zwei jugendliche Fans des legendären »Zündapp Janus«. Das Auto ist eines von nur 6902 Exemplaren, die 1957/58 insgesamt produziert wurden. Es gehörte meinem Freund Sebastian, der das Foto gemacht hat. Freund Kurt (links im Bild) und ich freuten uns immer sehr, auf der Rückbank Platz zu nehmen. Dort saß man Rücken an Rücken zum Fahrer und Beifahrer auf den Vordersitzen (weshalb Zündapp den doppelköpfigen römischen Gott Janus als Namenspaten für das Auto wählte). Lässig und mit recht viel Beinfreiheit auf der Rückbank logierend, konnte man den Frauen auf der Straße zuwinken. Der Benzinpreis lag Mitte der sechziger Jahre übrigens bei etwa 53 Pfennig pro Liter.

Leo Klöckner, Rüber, Landkreis Mayen-Koblenz

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn – wie in dieser Woche – nach der mehrmonatigen Winterpause der Obst- und Gemüsestand an der Galluswarte in Frankfurt mit seinen freundlichen Betreibern den Betrieb wieder aufnimmt, dann weiß ich: Jetzt kommt der Frühling. Und das Warten auf die nächste S-Bahn fällt im Hellen und Warmen deutlich leichter.

Maria Schmedt, Bad Homburg

 

Mein Ding

the-knife

Wenn mir in den letzten Jahren jemand die Frage gestellt hat, welchen einzigen Gegenstand ich aus einem brennenden Haus unbedingt retten würde – vorausgesetzt, Personen und Tiere seien in Sicherheit –, dann sagte ich immer: mein Küchenmesser. Es hat schon jahrzehntelang meine Schwiegermutter durch ihr nicht gerade leichtes Leben als irische Hausfrau und vielfache Mutter begleitet. Sie liebte es heiß und innig. Dann erbte ich es, und seitdem ist es aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Es wird vielfach gebraucht, schon Hunderte Male war es verschwunden und tauchte dann zwischen Kartoffel- oder Gemüseschalen im Komposter wieder auf. Es war auch der wichtigste Gegenstand, der mit mir dann von einem Ende Europas an das andere zog: von Irland nach Griechenland. Leider hat jemand in wohlmeinender Absicht, aber ohne Fachkenntnisse, das arme Messer mit einer viel zu großen, viel zu groben Schleifscheibe »verschliffen«. Dennoch tut es immer noch seine Pflicht und ist in Haus und Garten stets an meiner Seite. Ich erwäge sogar, es per letzten Willen auf die allerletzte Reise mit mir zu nehmen – man kann ja nie wissen, ob man’s mal braucht …

Marina Müller McKenna, Spartiá, Kephallonía, Griechenland

 

Dämmerstündchen: Mein Wort-Schatz

Wenn es dunkel wird, knipse ich das Licht an. Einfach so, ohne weiter darüber nachzudenken. Meine Urgroßtante Bertha und viele ihrer Zeitgenossen im ausgehenden 19. Jahrhundert zelebrierten hingegen ihr Dämmerstündchen. Dann saß die Dorfschullehrerin Bertha allein in ihrem Zimmer bei einer Tasse Thee oder Chocolade, schaute in der hereinbrechenden Dämmerung über die Felder hinüber zum Waldrand bis er sich kaum mehr wahrnehmbar vom Horizont abhob. Das Tick-Tack der Uhr vertiefte noch die Stille in der sie in einem halb träumenden Zustand der Kontemplation ihren Gedanken freien Lauf ließ. Oder sie dachte – wie sie in ihrem Tagebuch schrieb – an ihre Freundin, die womöglich gerade jetzt an sie dachte. Dann wurde es ganz dunkel und Zeit, die Petroleumlampe anzuzünden…

Hans-Peter Kipfmüller, Karlsruhe

 

Was mein Leben reicher macht

Busfahrt in die Stadt, ich vergesse das Abstempeln der Fahrkarte. Pech, dass Kontrolleure kommen. Aber der freundliche Herr, der mich kontrolliert, stempelt sie nachträglich ab und erspart mir das Bußgeld. Auf der Heimfahrt fällt mir ein etwa zwölfjähriger Junge auf, der mir etwas verlassen vorkommt. Wieder steigen Kontrolleure zu, erwischen prompt den kleinen Schwarzfahrer: 40 Euro Bußgeld. Ich stelle mir vor, wie’s ihm zu Hause ergehen wird …, erzähle ihm von meinem Glück und drücke ihm 20 Euro in die Hand. Geteiltes Leid, doppelte Freude.

Käte Harder, Freiburg

 

Stelldichein: Mein Wort-Schatz

Neulich fiel es mir mal wieder ein, das hübsche Wort Stelldichein. Es bezeichnet das (heimliche) Treffen (frisch) verliebter Menschen. Offenbar geht es auf das französische »Rendezvous«, zurück, das allerdings früher mehr im militärischen Zusammenhang gebräuchlich war: se rendre = sich irgendwohin begeben; rendez vous = begebt euch (wohin) – so benannt aufgrund der gleichlautenden Aufforderung an Soldaten, sich zu versammeln (nach: Kluge, Etymolog. Wörterbuch der deutschen Sprache). Laut Ernst Wasserzieher hat Joachim H. Campe, Sprachforscher und Verleger, den Begriff »Stelldichein« 1791 als Ersatz für das »Rendezvous « geprägt. Schon der Klang ist herrlich – sprechen Sie es ein paarmal nach! Manchmal wird es noch gebraucht, da geben sich etwa Politiker auf einem Klimagipfel oder die futtersuchenden Singvögel im Garten ein Stelldichein. Für mich aber bleibt die amouröse Konstellation die schönste!

Christoph Schirmer, Aachen

 

Was mein Leben reicher macht

Die Entspannungsübung unserer Physiotherapeutin am Ende der Gymnastikstunde. Alle liegen entspannt auf den Übungsmatten, und Susi liest eine Geschichte vor. Diesmal handelt sie von einem Flug über das Land, wir starten, fliegen los. Ich schlafe ein und erwache mit ihren Worten »Alle Muskeln im Körper anspannen, Augen auf!« Langsam erheben sich alle, ich schaue mich fragend um: »Sind wir eigentlich am Ende wieder gelandet?«

Jürgen Kreuzig, Seeheim-Jugenheim, Südhessen