Vor Kurzem fiel mir das Wort Mutterwitz wieder ein. Dieses Wort macht mich gleich fröhlich, wenn ich es höre. Ein Mensch mit Mutterwitz ist wach, dreist, keck, schlau. Er guckt hinter die Kulissen, hat Humor und trifft genau den Nagel auf den Kopf. Ich rätsle: Warum Mutter-Witz? Hat man die Eigenschaft von der Mutter ererbt? Oder hat man sie von ihr abgeguckt? Oder entwickelte man den Mutterwitz schon früh im Umgang mit der Mutter – sozusagen aus Kampfgeist? Es ist schon erstaunlich, dass mit den Müttern eine so peppige Eigenschaft in Verbindung gebracht wird, die ja sonst nicht zum üblichen Frauenbild gehört.
Als wir in Teneriffa aus dem Flugzeug steigen, erkundigen wir uns nach dem netten Piloten mit den langen Haaren. Leider lässt das Gedränge hinter uns keinen Kontakt zu. Doch ein paar Schritte weiter, bereits im Flughafengebäude, der Blick zum Flugzeug – und da winken uns vier Hände aus dem Cockpit zu. Nie war Ankommen schöner.
Sonntagsspaziergang mit meinem fuüfjährigen Enkel. Auf einem Feldweg taucht in der Ferne eine Person mit einem freilaufenden, großen Hund auf. Panik erfasst mich, denn als Kind wurde ich einmal von einem Hund gebissen. »Komm, Wilko, wir kehren um, da kommt ein Hund«, sage ich. Eine kleine Hand fasst fest die meine. »Oma, du musst keine Angst haben, ich bin doch bei dir!« Mir wird ganz warm ums Herz.
Vor knapp drei Jahren saß ich im Warteimmer meines Zahnarztes und blätterte in einer Einrichtungszeitschrift, die dort herumlag. Dabei stieß ich auf die Abbildung eines Sideboards aus einer Berliner Möbelwerkstatt namens »schubLaden« und verliebte mich sofort: Die Schubladen in dem Möbelstück stammten alle aus verschiedenen, gebrauchten Schränken und gaben ihm ein verwegenes, fröhliches Aussehen. Ich googelte zu Hause also nach den »schubLaden« – und war enttäuscht: Mit einem Preis von mehreren Tausend Euro war das Sideboard für mich als Schülerin unerschwinglich. In den darauffolgenden zwei Jahren sammelte meine Familie jedoch ausrangierte Schubladen, und nach meinem Abitur im Sommer vergangenen Jahres begann ich mit meinem Papa zu werkeln: bohren, sägen, abschleifen, lackieren … Inzwischen wohne ich selber in Berlin, und mein Zimmer wird geschmückt durch mein eigenes individuelles Sideboard. Danke Papa!
Wenn jetzt die Schneeglöckchen austreiben, die mein Schwager nach dem Tod meines Vaters im vergangenen Jahr aus dem elterlichen Garten ausgegraben und in Töpfen an uns Kinder verschenkt hat. Keine noch so schön blühenden Schneeglöckchen vom Gärtner können da mithalten.
»Aus dem Nähkästchen plaudern«: Wenn ich das höre, habe ich sofort bildlich vor Augen, wie eine Menge Frauen mit Nadel und Faden zusammensitzen und sich die Neuigkeiten aus Familie und Gesellschaft erzählen.
Zu den Wörtern, die ich besonders mag, gehört der Schmaus. Es ist nicht nur ein altes Wort, sondern es lässt sich kaum durch eine moderne Bezeichnung ersetzen. Alles, was uns zum Thema Mahlzeit einfällt – Festessen, Imbiss, Menü, Grillparty, Buffet –, drückt höchstens teilweise aus, was der »Schmaus« umfasst: »mit Genuss und Behagen viel und gut essen und trinken« (Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, dtv). Ludwig Uhland hat dem Schmaus ein lyrisches Denkmal gesetzt: In seinem Gedicht Einkehr wird ein Apfelbaum zum Sinnbild der freigebigen Natur. Die dritte Strophe lautet:
Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste;
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
Und sangen auf das beste.
Wenn wir am großen Familien-Esstisch Platz genommen haben, wartet die Freundin unseres Sohnes jedes Mal auf meine Frage: »Wie heißt der Spruch?« ihre Antwort: »Fröhlich sei der Schmaus – in diesem Haus!«
Sonntag früh in der Messe, neben mir ein älterer Herr, mit dem ich mein Gesangbuch teile. Am Ende des Gottesdienstes gibt er mir die Hand und verkündet, nicht ohne Stolz: »Ich bin 96 Jahre alt. Ich wünsche auch Ihnen ein erfülltes Leben!«