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Frauen, hört auf, Frauen zu diskriminieren!

Da diskutieren wir über Frauenquote und gefühlte Diskriminierung im Arbeitsleben, und gleichzeitig diskriminieren Frauen sich selber! Was mir gerade passiert ist, hätte ich mir im Traum nicht vorstellen können: Mein Rechner verweigert seit gestern den Internetzugang. Also raffe ich mich auf, rufe meinen Provider an, und tatsächlich spreche ich schon nach wenigen Minuten mit einer jungen Dame, die meine Kundennummer eintippt, die üblichen Sicherheitsabfragen herunterbetet und mich dann fragt, womit sie mir helfen könne. Warum habe ich mich minutenlang durch den Themendschungel des Automaten getippt, wenn davon nicht der kleinste Informationsschnipsel ankommt? Nein, das ist nicht das Ärgernis von dem ich berichten möchte. Diese junge Frau also wählt sich in mein Modem ein, erkennt ein erfolgreiches Strom-Reset vor fünfzehn Minuten und diagnostiziert meinem Modem gute Werte. Ich bedanke mich und frage nach, welche Fehlermöglichkeit es noch geben könnte. Das könne an den Systemeinstellungen des Rechners liegen, sagt sie. Ob ich einen Sohn oder einen Mann hätte, der mal danach schauen könne… Da bleibt mir glatt die Luft weg. Wenn es weiterhin Frauen gibt, die sich so dämlich ausdrücken, wird auch eine gesetzliche Frauenförderung wenig Heil bringen. Übrigens: Mein Internetzugang spurt wieder. Störung behoben. Mit weiblichem Grips.

Anja Bogner, Achern, Baden

 

Flüchtiges Publikum

Donnerstagabend in Essen, der Film Zarte Parasiten läuft an. Angekündigt ist ein Publikumsgespräch mit dem Regisseur Christian Becker und dem Hauptdarsteller Robert Stadlober direkt nach der Vorführung. Der Film ist zu Ende, Regisseur und Schauspieler treten vor das Publikum, es werden erste interessierte Fragen gestellt. Christian Becker und Robert Stadlober antworten engagiert. Gleichzeitig aber beginnen die ersten Zuschauerinnen und Zuschauer, den Saal zu verlassen. Bald begeben sich kleinere und größere Gruppen auf den Heimweg. Was für ein respektloses Verhalten! Wie kann man zu einer Filmvorführung mit anschließendem Publikumsgespräch gehen, wenn man an dem Gespräch nicht interessiert ist? Oder keine Zeit hat, so lange zu bleiben? Dann sollte man sich besser einen anderen Tag für seinen Kinobesuch aussuchen. Wenn im Fernsehen ein Film zu Ende ist oder mich langweilt, kann ich abschalten, zappen, den Raum verlassen. Bei Veranstaltungen mit echten Menschen, die als Schauspieler, Redner, Vorleser unmittelbar vor dem Publikum stehen, kann es nur einen Grund geben, aus dem man vorzeitig ginge: aus Protest, etwa gegen verbale Entgleisungen. Ansonsten ist es eine Frage des Respekts und der guten Manieren, bis zum Schluss der Veranstaltung sitzen zu bleiben und zuzuhören. Das kann doch nicht so schwer sein!

Cordula Galla, Essen

 

Getreide….was?

Neulich in meinem Stammcafé: Meine Freundin ordert Caro-Kaffee. Die Kellnerin macht ein verdutztes Gesicht. „Getreidekaffee“, versuchen wir sie auf die Fährte zu führen. „Sie meinen Kaffee Hag?“ Sie gibt zu, dass sie von Caro-Kaffee noch nie was gehört hat und dass es den hier nicht gibt, weil’s den in der ganzen Kette nicht gibt. Sie könne das aber als Anregung weitergeben, dann müsste der Kaffee allerdings in der ganzen Kette eingeführt werden – was es in A gibt, gibt es auch in B und umgekehrt. Wir verstehen, wir sind ja nicht bescheuert. Aber so lange wollen wir nicht warten. Ich bestelle grünen Tee mit Jasmin. Sie reicht mir die Teekarte und verweist auf einen Früchtetee. Den will ich aber nicht und entdecke direkt über dem Früchtetee die gewünschte Sorte. „Da ist er ja: Grüner Tee mit Jasmin!“ – „Das ist bei uns der normale grüne Tee…“

Jetzt will ich wissen, ob wenigstens im Konkurrenzcafé nebenan die Servierkräfte die mittlere gastronomische Reife haben. Hier weiß man auf Anhieb, was ein grüner Jasmintee ist. Aber schon die Nachbestellung „Bitte bringen Sie mir Kandiszucker dazu“ stellt die Bedienung vor ein Problem. Sichtbare Ratlosigkeit und dann: „So was haben wir nicht.“ – „Doooch, haben Sie. Bekomme ich immer zu meinem Tee.“ Ein tapferer Versuch der jungen Bedienung: „Meinen Sie Süßstoff?“ Uaaaahhh!!! Ich sehe mich wie Lolle in Berlin, Berlin als Comicfigur aus dem Korbsessel düsen und eine Runde über dem Marktplatz drehen, um dann landend einen angelutschten großen braunen Zuckerklumpen auszuspucken und mit einem großen Hammer zu zertrümmern: „Voilà, Kanditschi!“

Romea Hallfahrt, Holzwickede

 

Warum verrotten die Bahnhöfe?

Wir haben Besuch von Verwandten aus der Normandie. Ich möchte ihnen etwas Schönes bieten, und wir zuckeln mit dem Panoramazug durch das romantische Lahntal von Bad Ems bis Limburg. Doch von Station zu Station schäme ich mich mehr: über den Zustand der Bahnhöfe in unserem Land, die ich als Autofahrerin seit vielen Jahren nicht mehr wahrgenommen habe. Einst waren es schmucke Gebäude, oft architektonische Kleinode. Es gab Blumenkästen vor den Fenstern, kleine Zäune, frisch gewaschene Gardinen. Vorbei! Auch die wuchtigen Bauwerke des 19. Jahrhunderts, oft nur gebaut, weil der Kaiser einmal zu Besuch kam: Alle sind sie verkommen, verdreckt, Fenster und Türen mit Brettern vernagelt, verhökert von der Bahn. Ein Bild des Elends. Hie und da tut hinter einer schiefen Jalousie und einem seit Jahren nicht mehr geputzten Fenster noch ein unsichtbarer Mensch seinen trostlosen Dienst. Ein handgeschriebener Zettel, mit vergilbten Klebestreifen hinter der Scheibe befestigt, macht darauf aufmerksam, dass es Fahrkarten woanders zu kaufen gibt. Wir sollten öfter das Auto stehen lassen, um zu bemerken, wie es in diesem Land inzwischen aussieht. Die Autobahnen blitzen vor neuem Blech– und entlang den
Bahnstrecken sieht es so schrecklich aus.

Leonore Weissenburger, Fachbach, Rheinland-Pfalz

 

Lieblos

Ich wohne in Lieblos. Und immer, wenn ich mit der Bahn unterwegs bin, muss ich die dummen Kommentare der Schaffner über mich ergehen lassen: „Lieblos, gibt’s das wirklich?“. Oder: „Lieblos, sind die da alle so?“ Manchmal sage ich dann: „Ja, ich bin dort sogar geboren, stellen Sie sich vor!“, und möchte noch erklären, dass meine Mutter mich durchaus liebevoll erzogen hat. Aber der Kartenfuzzi ist bereits ein Abteil weiter.

So schnell wird man ungewollt zum Repräsentanten eines Ortes, eines Berufsstandes oder sonst einer Kaste. Wie könnte ich „mein“ Lieblos verteidigen? Durch die Gemeindereform, die den zwischen Frankfurt und Fulda liegenden Ort mit fünf anderen zu „Gründau“ zusammengefasst hat? Oder soll ich mich damit trösten, dass einige Orte in der näheren Umgebung noch schlimmer dran sind? Wer möchte sich im Zug schon für Eidengesäß oder Linsengericht entschuldigen! Nein, da bekenne ich mich lieber tapfer zu meiner Liebloser Heimat: Die Menschen hier sind engagiert, mitfühlend, liebevoll und kulturell aktiv. Außerdem vermutet man, dass der Name des Ortes von dem seines Gründers kommt: In der ersten urkundlichen Erwähnung 1173 stand noch „Libelas“. Aber erklären Sie das mal einem Kartenkontrolleur, der auf eine Pointe erpicht ist!

Bernd Hofmann, Lieblos

 

Lebenszeit geraubt!

Haben Sie das auch schon erlebt? Da haben Sie eine Dreiviertelstunde oder länger gewartet und sind endlich dran – beim Arzt, bei der Steuerberaterin. Oder Sie sitzen gerade in einem netten Gespräch bei Ihrer Nachbarin. Und dann klingelt das Telefon. Die Person, die gerade mit Ihnen geredet hat, greift zum Hörer. Und Sie scheinen plötzlich nicht mehr zu existieren. Der Arzt beginnt ein Beratungsgespräch, und es handelt sich um keinen dringenden Fall, wie Sie unschwer erkennen. Nach fünf Minuten: ein ganz ähnlicher Vorgang. Oder: Die Steuerberaterin vertieft sich mit ihrem neuen Gesprächspartner in ein schwieriges Problem, bei dem sie auch noch eifrig den Computer zurate zieht. Oder: Ihre Nachbarin hat sich ins Nebenzimmer zurückgezogen und ist völlig absorbiert von den Neuigkeiten, die sie am Telefon erfährt. Bin denn ich, die ich hier leibhaftig sitze, plötzlich nichts mehr wert im Vergleich zu der Person, die sich per Technik dazwischengedrängt hat? Darf man denn nicht erwarten, dass der oder die Angerufene sich des guten alten Grundsatzes erinnert „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“? Warum wird die Anruferin oder der Anrufer nicht höflich, aber bestimmt in die richtige Reihenfolge eingewiesen? Möglichkeiten dazu gibt es zur Genüge: Anrufbeantworter, Umschaltung ins Vorzimmer, eine Bitte um Rückruf. Auch die Bitte um Entschuldigung hört man selten. Und selbst wenn sie denn käme: Man hat mir wertvolle Lebenszeit geraubt!

Margot Vogelmann, Villa de Mazo, La Palma

 

Ruhe!

Die vergangene Konzertsaison hat mir beglückende Eindrücke beschert. Getrübt wurde das Glück allerdings – wieder einmal – durch Begleiterscheinungen, die mit dem Verhalten eines großen Teils des Publikums zu tun haben.
So hebt, sobald der letzte Ton eines Satzes verklungen ist, ein ungehemmtes Räuspern, Husten und Schneuzen an, das an ein Lungensanatorium erinnert und mich, der ich gerade in überirdischen Gefilden schwebe, unsanft auf den Boden zurückholt. Dieses kollektive Ritual, dessen Sinn darin zu bestehen scheint, nur ja keine Stille aufkommen
zu lassen zwischen den von der Partitur vorgegebenen Pausen, hat nichts zu tun mit Grippewellen oder Novembernebeln, denn es ist im gleichen Maße auch im Hochsommer zu beobachten. Ähnlich ärgerlich ist der häufig unmittelbar nach dem letzten Ton eines Konzerts einsetzende Schlussapplaus, der, zusammen mit lauten
„Bravo“- und sonstigen Jubelrufen an die Geräusche erinnert, die ein Torschütze auf dem Fußballplatz auslöst. Immer häufiger sind es auch die Dirigenten, die nicht begriffen zu haben scheinen, dass zu den Tönen der Musik auch Stille gehört, damit das Gehörte in Ruhe nachklingen und seine Wirkung auf Seele und Gemüt entfalten kann: Noch im Schlussakkord lassen sie den Taktstock schwungvoll sinken, wenden sich abrupt von Orchester und Chor (und damit von der Musik) ab und dem Publikum zu, um in Siegerpose den stürmischen Jubel einzufordern. Lautstärke und Dauer des Schlussapplauses scheinen für viele Konzertbesucher und auch so manchen Dirigenten wichtiger zu sein, als das, was Musik in den Zuhörern auslösen kann.

Wolfgang Fischer, München

 

Was ist schon eine Stunde Verspätung?

An einem ganz normalen Morgen im Zug von München Richtung Frankfurt: laut telefonierende Menschen um mich herum und andere, die wild auf Laptop- und Blackberry-Tastaturen einhacken. In der Sitzreihe vor mir erzählt ein Herr am Telefon von besoffenen Geschäftsleuten und anderen Nebensächlichkeiten. Der Zugchef begrüßt uns freundlich auf Deutsch und Englisch, aber der Schein der nahezu vollkommenen Normalität währt nur eine gute halbe Stunde. Da informiert uns der Zugchef nämlich über eine Strecken-Vollsperrung zwischen Ingolstadt und Nürnberg. Der Herr vor mir telefoniert schon wieder. „Das kann ja nur heißen, dass sich einer vor den Zug geschmissen hat“, kommentiert er und informiert seinen Gesprächspartner sogleich über die Umleitung des Zugs und dass er zu spät ankommen werde. In Nürnberg eine neuerliche Durchsage: Jetzt wird ein Arzt im Zug gesucht. Und gleich darauf die Information, ein Fahrgast müsse versorgt werden, man warte auf einen Notarzt. Genervtes Raunen, Stöhnen und Augenrollen um mich herum. Auch ich kam mit einer knappen Stunde Verspätung ins Büro in Würzburg. Aber ganz ehrlich: Wenn ich im Zug zusammenklappen würde, fände ich es auch ganz nett, wenn man mich nicht auf dem Bahnsteig parken würde, bis der Notarzt kommt. Und was ist schon eine Stunde Verspätung gegen den Gedanken, dass irgendwo zwischen Ingolstadt und Nürnberg ein Mensch so verzweifelt war, dass er sich umbringen wollte? Und gegen den Schock, den der betroffene Lokführer wahrscheinlich erlitten hat?

Daniela Kern, Würzburg

 

Das regt mich auf: links und rechts vergleichen

Dass das Bundesverwaltungsgericht das ganz offizielle Aushorchen und Bespitzeln der Linken legalisiert hat, ist ein Skandal. Und zwar der größte Skandal, der in letzter Zeit im Namen der Demokratie vollzogen wurde. Wenn es in diesem Stil weitergeht in unserem Land, dann werden bald die Köpfe aller abgeschlagen sein, die stromaufwärts schwimmen. Eine solche Politik ist traurig wie ein Grab, und die Totengräber sind unsere Politiker. Sie köpfen jenen Teil des Volkes, der die „falsche“ Gesinnung hat. Und die Linken mit den Rechten zu vergleichen ist nicht nur historisch die reinste Frechheit. Ich erinnere nur an den linken Widerstand nach der Machtergreifung Hitlers!
Natürlich reden sie Blödsinn, auch Blödsinn, die Linken. Aber ich habe Angst vor einer völkischen Gesinnungsreinigung mit all ihren Widerlichkeiten. Alles wird sterilisiert, alles wird am Ende so sein wie ein Krankenhaus, steril und geisteskonform, alles wird sich in einer kopfautomatisierten Welt in eine Richtung bewegen, in eine sterile Krankenhauswelt, wie gesagt, in der die Leute nicht gesund gemacht werden, sondern im Gegenteil krank. Und in der ihr Geist, ihr Denken, ihr Widerspruchsgeist am Ende getötet werden.

Richard Zanier, Aschau im Chiemgau

 

Man hätte es verhindern können

Es soll ein toller Tag werden. Die Wolken verziehen sich langsam, der wunderbar blaue Himmel wird sichtbar. Es ist Sommer. Einundzwanzig junge Menschen machen sich auf den Weg zur Loveparade nach Duisburg, angereist aus den verschiedensten Fleckchen dieser Welt. Sie wollen feiern, fröhlich und friedlich. Doch weder sie selbst, noch alle anderen ahnen, was passieren wird. Nein, kein Wirbelsturm, kein Erdbeben, keine Flutkatastrophe. Nichts was einfach passiert. Sondern etwas, das man hätte planen können, das man hätte verhindern können. Eine Warnung, die man hätte ernst nehmen sollen. Und schließlich ein Fehler, für den man aufrichtige Reue zeigen müsste. Etwas, bei dem man kein Risiko hätte eingehen dürfen, nur um als Region besser da zu stehen, um die Wirtschaft anzukurbeln oder um ein Versprechen zu halten. Nur wegen solcher Kleinigkeiten. Aber hier geht es doch um Menschen! Junge Menschen, die noch ihr ganzes Leben vor sich hatten. Hoffnungen, Träume, Ziele. Und es geht um Menschen für die eine Welt zusammen bricht, weil sie die verloren haben, die sie lieben. Das macht mich traurig. Und dass es vielen so ganz egal zu sein scheint, das regt mich auf.

Nina Lenz, Mühlacker, Baden-Württemberg