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Macht das Zentralabitur endlich gerecht!

Gymnasium, NRW, Stufe 12: Jede Klausur kann jetzt ausschlaggebend für die Abiturnote sein, denn die setzt sich, anders als viele denken, nicht nur aus den Noten der Zentralprüfung zusammen, sondern zu 65 Prozent aus den Noten, in den Jahrgangsstufen 12 und 13 gesammelt werden. Da finde ich es bedenklich, dass sich die Durchschnittsnoten der ersten Klausuren unserer beiden Englisch-Leistungskurse in diesem Jahr um mehr als ganze Note unterscheiden. Und nein, das dürfte nicht daran liegen, dass ein Kurs einfach talentiertere Schüler hat.

Ein Schüler, der einfach Pech hatte bei der Kursvergabe hatte, könne so am Ende seines Abschlusses mit einem Durchschnitt von 2.0 dastehen, statt eventuell mit einem von vielleicht 1.0. Damit wäre er von der absoluten Spitze einfach so ins obere Mittelfeld abgerutscht. Ganz abgesehen davon, dass das ungerecht ist, minimiert es auch drastisch seine Chancen auf einen direkten Platz an einer guten Uni – was in unserem Fall doppelt schlimm ist, denn Wartesemester kann sich mein Jahrgang eigentlich kaum leisten, falls er nicht in den nachfolgenden Doppeljahrgang rutschen und so seine Chancen noch minimieren möchte.

Mein Punkt ist, dass die Leistungsanforderungen in eigentlich gleichen Kursen oft so stark voneinander abweichen, dass Leistungsnachweise verfälscht werden, die sich auf den ganzen weiteren Lebenslauf auswirken können.
Deshalb plädiere ich auf eine Erweiterung des Zentralabiturs: Nicht mehr nur die Abschlussarbeiten, sondern alle Abiturrelevanten Klausuren sollen zentral gestellt werden – und so die Leistungsverfälschungen endlich aus der Welt geschafft werden.

Simon Wolff, Wetter (an der Ruhr)

 

„Geben Sie bitte eine andere Lieferadresse an“

Ich lebe in einem kleinen Land. In einem Land, das ein Mitgliedsstaat der EU ist und in dem man mit Euro bezahlt. In diesem Land gibt es viele Menschen wie mich. Menschen, die gerne Kontakt mit deutscher Wirklichkeit haben möchten, die etwa die ZEIT abonnieren, deutsche Bücher lesen und deutsche Filme anschauen wollen, die gerne nach Deutschland fahren. Gestern habe ich eine Stunde am Computer verbracht mit der Bestellung von Büchern und DVDs aus Deutschland. Alles lief glatt bis zum letzten Schritt. Da stand plötzlich auf dem Bildschirm diese schon so oft gesehene höhnische Bemerkung: „Wir liefern nicht in die Slowakei.“ Übrigens, in die Türkei schon… Lustig finde ich es auch, wenn die, die da nicht liefern wollen, einfach nur schreiben: „Geben Sie bitte eine andere Lieferadresse an.“ Was meinen die denn, wie viele Wohnsitze ich habe, möglichst verteilt auf ganz Europa? Vor unserem letzten Besuch in Berlin wollten wir noch von zu Hause aus Konzertkarten besorgen. Kein Problem: Per Internet ging es ja, wunderbar! Portokosten: 34,90 Euro. Für einen Umschlag mit zwei dünnen Papierkarten! In solchen Situationen fühle ich mich einfach nur verhöhnt und ausgelacht. Und das regt mich tierisch auf!

Juliana Greňová, Nitra, Slowakei

 

Hürdenlauf für Tagesmütter

Wegen einer neuen Stelle meines Mannes sind wir überraschend umgezogen. Auf der Suche nach einem Kita-Platz für unsere Tochter stoßen wir nur auf verschlossene Türen. Eine Vorlaufzeit von mindestens einem Jahr wäre nötig gewesen, um einen der spärlichen Plätze zu ergattern. Als Akademikerin, die zumindest in Teilzeit gerne wieder in ihren Beruf einsteigen würde, hätte ich also Grund genug, mich zu ärgern. Doch es kommt noch schlimmer: Ich möchte wenigstens einer anderen Mutter die Berufstätigkeit ermöglichen und melde mich bei der städtischen Vermittlungsstelle für Tagesmütter.

Nach erfolgreicher „Eignungsprüfung“ im einstündigen Interview steht mir trotz meiner Erfahrungen als Pädagogin, Mutter und Ehefrau eines Kinderarztes ein 30-stündiger „Qualifizierungskurs in Tagespflege“ bevor. Ich gebe mich gelassen und organisiere die Betreuung meiner Tochter für die Zeit der Kursstunden. Am Tag vor Kursbeginn wird mir mitgeteilt, dass dieser aufgrund mangelnder Teilnehmerzahl ausfallen werde. Man könne jedoch beim Jugendamt nachfragen, ob eine verkürzte Form des Kurses möglich wäre – schließlich sei ich zweifellos als Tagesmutter geeignet und man wolle mein Betreuungsangebot nicht „sausen lassen“. Es vergehen Wochen. Auf Nachfrage erhalte ich schließlich eine kurze Mail von einer mir unbekannten Sachbearbeiterin, in der mir mitgeteilt wird, das Jugendamt lehne verkürzte Kurse grundsätzlich ab. Man könne mir derzeit auch noch keine neuen Kurstermine mitteilen. Kann das die Möglichkeit sein?

Maria Baumgartner, Nürnberg

 

Wann gestehen wir uns die Krise ein?

Überschwemmungen, verheerende Waldbrände und Wetterextreme nehmen zu. Die globale Durchschnittstemperatur ist gestiegen. Die Arktis schmilzt dedrohlich. Aber viel zu viele wollen den menschengemachten Klimawandel noch immer nicht wahrhaben. Werde ich je den Tag erleben, an dem Las Vegas nicht mehr so viel Strom verbraucht wie Peru, damit es so schön blinkt?

Wir befinden uns in einer fortschreitenden Krise der Zivilisation. Wenn wir weiterhin so leben, dass selbst vier Erden nicht ausreichen würden, ist jede Hoffnung auf Fortbestand von Demokratie und Kultur unbegründet. Und was ist in der Glotze zu sehen? Der Hype um möglichst schnelle Autos mit hohem Benzinverbrauch und viel PS. Autofreaks blasen für das vermeintliche Gefühl von Fun und Abenteuer CO2-Emissionen in den südamerikanischen Urwald. Hau raus die Gifte, egal, wie groß die Katastrophen noch werden. Privatsender machen ihre Quoten, indem sie zur Schau stellen, wie eine spätrömisch-dekadent anmutende Geldelite mit Privatjets und Luxusjachten stündlich hunderte Liter fossiler Brennstoffe verschwenden. Verona Pooth gehört zur seichten Prominenz. Sie vermehrt lächelnd ihr Vermögen mit Werbung für einen Textildiscounter. Experten der Ökonomie fordern nach den Auswirkungen einer verheerenden Gier längst wieder mehr Optimismus, weil ja die Konjunktur wieder anzieht, nachdem die Staaten Billion von Geldeinheiten in die Banken pumpen. Hauptsache Wachstum XXL, egal, dass uns die Nachkommen noch verfluchen werden.

Wir Nutznießer des wohlen Konsums leben nicht nur auf Kosten unserer Kinder. Wir nehmen im wahrsten Sinne des Wortes in Kauf, dass gleichzeitig abermillionen Menschen unter inhumanen Arbeitsbedingungen und sittenwidriger Entlohnung leiden. Werde ich den Tag noch erleben, an dem in Indien die Näherinnen nicht mehr ausgebeutet werden und die Armut in Deutschland durch Mindestlöhne abnimmt? Barack Obama will die Welt befrieden, sie grüner und gerechter machen. Welch ein Hass die Lobbyisten der Trusts und Konzerne auf ihn schüren. Und warum? Um einen neoliberalen und unflexiblen Kapitalismus wieder und wieder durchzusetzen, egal, wie falsch seine Scheinphilosophie ist. Als wohlfeiler Neiduntersteller und Gutmenschverächter nur weiter seinen bräsigen Machiavellismus pflegen, gleichgültig, dass ohne die Realisierung humaner und ökologischer Visionen alles nichts ist.

Wolf Niese, Berlin

 

Kleine und große Egoisten

Auf dem Spielplatz wird die Sandburg meines Sohnes dreimal vom selben Jungen zerstört. Der daneben sitzende Vater des Zerstörers meint lächelnd, dann müsse mein Sohn die Sandburg eben wieder neu aufbauen. Im voll besetzten ICE-Abteil spielt ein Zweijähriger Triola, während ich meine beiden Kinder stetig bitte, aus Rücksicht auf die anderen Reisenden nicht so laut zu sein. Die Mutter des trötenden Kleinen greift nicht ein. Auf dem Weg zum Fahrstuhl mit Gepäck und Kindern überholt uns ein älteres Ehepaar, das froh ist, vor uns in den Fahrstuhl einzusteigen, und das gar keine Lust hat, für uns etwas zusammenzurücken. Was ist mit den Menschen los? Warum denkt jeder nur an sich? Nimmt die Rücksichtslosigkeit zu, oder bilde ich mir das ein? Bei einer Radtour werden wir von Joggern, Spaziergängern, anderen Radfahrern angemotzt, die sich offensichtlich durch uns gestört fühlen. Was ist so schlimm daran, wenn man wartet, dem anderen Vorfahrt gewährt, einmal zurücksteckt, um beim nächsten Mal wieder Erster zu sein? Ich finde keine Antwort. In einer Gesellschaft voller großer und kleiner rücksichtsloser Egoisten möchte ich jedoch nicht leben. Also versuche ich es weiterhin mit der Gegenstrategie und lasse die Triola für meine Kinder zu Hause, wenn wir Zug fahren. In der Hoffnung, dass ihr anerzogenes Sozialverhalten sie später nicht behindern wird.

Anja Flade, Berlin

 

Antwort auf den autobahnhassenden Österreicher

Als ich vor zwei Wochen auf dieser Seite las, wie es Herrn Bonfert aus Österreich auf der deutschen Autobahn ergangen ist, fragte ich mich zuerst, ob die Redaktion diese Zeilen getürkt hat, um die Österreicher zu veralbern. Oder ob sie tatsächlich von einem österreichischen Leser im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte verfasst wurden. Ich nehme an, dass Letzteres der Fall ist. Es ist lobenswert, dass Sie auch Briefe von Sonderlingen veröffentlichen. Aber ich hoffe sehr, dass diese Fahrt von Herrn Bonfert die erste und letzte unter Benutzung der deutschen Autobahnen war. Denn dieser Mann ist gemeingefährlich! Wenn schnelle Fortbewegung ihm „die Freude raubt“, so ist das sein Problem. Seine „logischen“ Schlussfolgerungen sind geradezu tollkühn: Durch die deutschen Autobahnen versteht er jetzt, wie Revolutionäre gemacht werden. Es ist nicht zu fassen! Neid, Wut und Hass des Herrn Bonfert sind auch von jedem Laien gut zu erkennen: Nur so versteht man seine abstrusen Formulierungen wie „fortgesetzte, ungerechtfertigte Demütigung“ und „stupides, protziges, privilegiensüchtiges Großbürgertum“. Und so jemand fährt auch noch ins Ausland! Ein guter Rat an Herrn Bonfert: Nehmen Sie Ihr Hütchen, Ihre Lederhose, Ihr Wams und Ihren Wanderstab und bleiben Sie damit bitte in Ihrem geliebten Land – dem Sie mit Ihren Zeilen darüber hinaus einen sehr schlechten Dienst erwiesen haben! Verschonen Sie die Deutschen mit Ihrer Anwesenheit und schreiben nicht mehr so einen erheiternden Unsinn!

Joachim Streitel, Henstedt-Ulzburg

 

Logik des Bahnhofs

Mit meinen beiden Söhnen, 11 und 13 Jahre alt, schauten wir, was in Stuttgart so passierte. Ich versuchte danach, den beiden Jungen zu erklären, um was es eigentlich geht, erläuterte ihnen das Projekt mit Bildern – der Kopfbahnhof wird zum Durchgangsbahnhof quer mit Tunnel durch den Berg – und dass das Ganze in 10 Jahren fertig sein soll. Unverständliches Staunen bei beiden Jungen: „Manno…10 Jahre, da sind wir doch beide erwachsen!“ Dann der Kleine, fassungslos: „Papa, machst du auch keinen Quatsch? Wenn die 10 Jahre Zeit haben, warum müssen die dann am ersten Tag mitten in der Nacht damit anfangen?!“ Ratloses Schweigen. Hat jemand eine plausible Antwort für den 11-Jährigen?

Harald Raebiger, Bad Wimpfen

 

Der Terror der Laubbläser

Der Herbst könnte so schön sein: das Rascheln des Laubs auf den Straßen, die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut (seit gefühlten fünf Sommern gab es keine so langen Schönwetterphasen mehr). Doch die beruhigende Herbstidylle, die auf die ruhige Winterzeit (in Bayern: die „stade Zeit“) vorzubereiten versucht, wird durch eine Erfindung der modernen Zivilisation fast gänzlich zunichte gemacht. Laubbläser, eingesetzt von ganzen Hausmeistertrupps, schneiden sich lautstark mit ihrem grässlichen Motorengeräusch durch den Herbst.

Denn Herbst bedeutet leider heute nicht mehr Ausklang des Jahres und Vorbereitung auf die besinnliche Zeit des Jahres. Nein, auch im Herbst wollen die Deutschen vor allem Ordnung machen. Es scheint ihnen angeboren zu sein. Sobald die ersten Blätter auf der Straße, dem Gehweg und dem Rasen liegen: hinfort damit! Und das geht anscheinend in dieser ohnehin schon so hektischen und gleichzeitig verwöhntbequemlichen Zeit nicht mehr mit dem leisen und emissionsfreien Besen und Rechen. Nein, in Zeiten von Klimaerwärmung, höchsten Spritpreisen und angeblich immer sparsameren Autos kann man ja den solcherart eingesparten Sprit gleich wieder beim Betrieb von Laubbläsern verheizen! Laubsauger, die das Laub wenigstens effizient einsammeln und nicht nur nutzlos von einer in die andere Ecke wirbeln, sind da bei Weitem nicht so beliebt.

Christoph Schwalb, Freilassing, Oberbayern

 

Führt endlich ein Tempolimit ein!

Als zugegeben reisetechnisch ein wenig unbedarfter Österreicher gerate ich auf dem Weg nach Nordfrankreich mit einem Kleinwagen zum ersten Mal auf die deutsche Autobahn. Es dauert einige Zeit, bis ich begreife: Es ist ein Zurück in die Geschichte. Ich verlasse die gemütlich egalitäre Moderne und spüre die Macht der Gewalt, des Besitzes, das Vorrecht erlaubter Rücksichtslosigkeit. Es ist klar: Ich mag das Autofahren nicht. Es ist tote, verlorene Zeit. Die schnelle Fortbewegung nagt an mir, sie raubt mir die Freude, lässt mich den Wert des Daseins grundsätzlich überdenken. Also reise ich so selten wie möglich. Und dann die deutsche Autobahn: Ich verstehe nun, wie Revolutionäre gemacht werden, nämlich durch fortgesetzte ungerechtfertigte Demütigung vonseiten eines stupiden, protzigen, privilegiensüchtigen Großbürgertums, dem ich hier, Jahrzehnte nach seinem Untergang, in automobiler Gestalt begegne. Und wie schon das Großbürgertum des 19. Jahrhunderts weckt es Zweifel, da die Form dem Inhalt nicht entspricht. Wer verstehen möchte, was die dämonische Grausamkeit eines Lenin entfachte, der begebe sich auf die deutsche Autobahn! In einem Augenblick echter Wut wünschte ich diesen hohlköpfigen Rasern einen neuen österreichischen Führer an den Hals, der die automobile Deppenparade dorthin führt, wo sie hingehört, nämlich in den Abgrund. Diesen Fluch nehme ich hiermit zurück und beschwöre die Deutschen, besonders in Zeiten, wo doch längst zehntausend Argumente in Richtung 80/100 weisen, wenigstens ein Tempolimit einzuführen, wie alle anderen Nationen auch.

Marius Bonfert,Kottingbrunn, Österreich

 

DDR-Geschichte? Nicht in Sassnitz

Von Herzen geärgert haben wir uns in diesem Sommer über das Museum im ehemaligen Fähranleger der Trelleborg-Fähre in Sassnitz auf der Insel Rügen. Wir hatten in den sechziger Jahren bis zu unserer „Republikflucht“ in Greifswald studiert, und diese Fähre war für uns ein magischer Ort gewesen, ein Tor in den versperrten Teil der Welt. Wir wussten genau, dass da keine (Ost-)Maus hindurchkommt, dass da auch geschossen wird… Hundert Jahre war die Fähre in Betrieb, immerhin vierzig Jahre davon in der DDR-Zeit. In diesem Museum nun ist allerlei Interessantes und Kurioses aus dem gesamten Jahrhundert zu sehen – bis man verwirrt feststellt, dass vierzig Jahre davon nur in (Werbe-)Plakaten existieren, kein Wort dazu, dass kein DDR-Bürger auf die Fähre, ja nicht einmal an die Fähre durfte, dass sie abgetrennt von der Stadt existierte, die Grenze scharf bewacht war und so weiter. Ich habe einen roten Kopf bekommen ob dieser Unverschämtheit zwanzig Jahre nach der Öffnung und sprach die Dame am Eingang darauf an. Zuerst wich sie milde lächelnd aus, in irgendeiner Ecke wäre doch irgendwas angedeutet, gab aber dann zu, dass das auch schon andere moniert hätten. Sie werde es natürlich weitergeben. Wer’s glaubt …!

Mechthild Herzog, Radolfzell