Als ich ein Kind war, benutzte meine Mutter öfter die Redewendung: »Jetzt mach nicht so viele Fisimatenten. Das bedeutete, dass ich möglichst schnell ihrer Aufforderung nachkommen sollte, etwas zu erledigen. Als ich berufstätig war, klärte mich ein Arbeitskollege darüber auf, was man sich über die Entstehung des Ausdrucks erzählt: Angeblich kommt die Formulierung aus dem Französischen, und zwar von der Aufforderung: Visitez ma tente (»Besuchen Sie mein Zelt«). Nach Deutschland kam sie im Kriege, als man für Verhandlungen keine anderen Räumlichkeiten als Zelte hatte. Sie wurde aber wohl auch gegenüber Damen gebraucht, mit dem Zweck, sich im Zelt gemeinsam die Zeit zu vertreiben.
In der Obstabteilung eines jeden Supermarktes und auf Wochenmärkten werden Orangen und Grapefruits angeboten. Das freut Reisende aus anderen Ländern sehr, denn wer weiß schon, was Apfelsinen sind oder gar Pampelmusen? Diese Begriffe standen noch in den siebziger Jahren auf jeder mit Kreide geschriebenen Preistafel.
Vor Kurzem fand ich im Roman Heimatmuseum von Siegfried Lenz das Wort zurückgedummt als Bezeichnung für (alters)vergesslich oder dement. Meine Enkelkinder waren von diesem sehr beeindruckt, vor allem die achtjährige Runa. Wenn ihr dann etwas nicht gleich einfiel, hieß es: »Ich bin auch schon ein bisschen zurückgedummt.« So wie dieses Wort aus Masuren ist wohl auch das schwäbische Pedäderle (von peut-être) für einen Gegenstand (Feuerzeug, Kugelschreiber, Taschenlampe), der vielleicht mal funktioniert, vielleicht auch nicht, vom Aussterben bedroht. Als Kind wurde ich auch oft mit »später pedäder!« vertröstet.
Meine Mutter, 1904 in Riga geboren und 1939 ausgesiedelt, brachte viele Wörter aus dem baltischen Sprachraum mit. Etwa »verhunzen« für »verderben, verpfuschen«. Am kuriosesten war wohl der Zieschendreher. »Zieschen« bezeichnet eine dünne Bratwurst, und ein »Zieschendreher« war für meine Mutter ein Mann, dem es in ihren Augen an Männlichkeit, an Statur fehlte. »Zieschendreher«, das war aus ihrem Munde ein vernichtendes Urteil! Wenn meine Mutter allerdings einmal richtig böse wurde, dann bediente sie sich des Lettischen oder Russischen, damit das Kind nicht etwa verhunzt würde.
Seit es in meiner Stadt das neue Parkhaus gibt, wurden viele der Straßen, in denen man bislang kostenfrei parken konnte, mit Parkscheinautomaten aufgerüstet. Auf die Frage im Geschäft, ob ich denn das Geld für den Einkauf auch passend hätte, muss ich seither häufig erwidern, das Kleingeld hätte ich leider schon wieder verparkt.
BB und Mullern – diese beiden Wörter stammen aus meiner Kindheit. »BB« war in unserer Familie nicht die Abkürzung für einen französischen Filmstar, sondern für »Bitte Butter!« beim gemeinsamen Essen. Wir sagen das heute noch, nach 50 Jahren, wenn wir zusammensitzen. Und »mullern« ist die Erfindung meiner damals vierjährigen Schwester, die es geliebt hat, mit den Fingerspitzen vor allem in der Armbeuge gestreichelt zu werden. Das größte Geschenk für sie war, wenn wir ihr »Mullerzeiten« geschenkt haben.
Mein Wortschatz wurde vor vielen Jahren um einen Begriff bereichert, der mich auf der Stelle bezauberte: In einer Talkshow erzählte der Schriftsteller Feridun Zaimoglu, seine Grundschullehrerin habe für den Doppelpunkt das anschauliche Wort Zwietupf verwendet.
In der ZEIT Nr. 6/15 las ich das Wort »Schlorre« und erinnerte mich, dass meine Mutter früher oft sagte: »Schlörr nicht so, heb die Füße hoch beim Gehen!« Ich nehme an, dass »schlörren« und »Schlorre« zusammengehören, weil man in den alten Pantoffeln nicht richtig gehen konnte.
Im Dreiländereck Deutschland/Schweiz/Frankreich nannten wir einen Bub, der sich mit Mädchen abgab oder – schlimmer noch – mit einem ging, einen Maidli Schmecker. Für »echte« Jungs ein vernichtendes Urteil. Da ich seit Jahrzehnten in Norddeutschland lebe, fragte ich meine ehemaligen Klassenkameraden beim 75. Jahrgangstreffen, ob es den Begriff noch gibt. Alle kannten ihn, meinten jedoch, er werde nicht mehr verwendet. In der heutigen Koedukation sei dieses alemannische Wort verloren gegangen. Ich frage mich: Ist das schade?
Vor knapp 50 Jahren nannte meine Oma es Schlickern, wenn wir Süßigkeiten aßen. Der Duden kennt den Begriff. Mit der dort genannten zweiten Bedeutung (»schütteln, schwanken, wackeln«) hatte das allerdings wenig zu tun. Als wir später von Nordrhein-Westfalen nach Niedersachsen umzogen, sagten meine Schulfreundinnen dort Schnökern (Nicht zu verwechseln mit schmökern!) zum Naschen. Unser Sohn kennt heutzutage beide Wörter nicht mehr.