Als ich bei einem Regenspaziergang den kürzeren Weg wählen wollte, provozierte meine Frau mich mit den Worten: »Du Bähmulle!« Ich lachte über das Wort, das wir seit unserem Abschied aus dem Stuttgarter Raum vor fast 15 Jahren nicht gehört hatten. Heute würde man wohl eher »Warmduscher« sagen. Während jenem im Wellnesszeitalter jedoch eine gewisse Sympathie entgegen gebracht wird, scheint mir die Bähmulle negativer besetzt, hat der so bezeichnete Mensch doch meist einen etwas weinerlichen Charakter.
Nasshaftkraft, dieses Wort benutzt man im Zusammenhang mit Autoreifen und Zahnersatz. Als ich es hörte, fühlte ich mich an die Stelle eines Deutsch lernenden Ausländers versetzt und wurde von Lachen geschüttelt: Nasshaftkraft! Geschrieben sieht es schon lustig aus, aber gesprochen, womöglich mit rutschender Prothese, ist es noch eindrucksvoller: Naffhastkrass…
Wir waren in Dänemark im Urlaub. Das Wetter bot alles, was wir dort schätzen: Wind, Sonne, Wolken, aber auch immer wieder kurze Regengüsse. Da fiel mir das Wort Husche ein, das ich von meiner Oma aus Thüringen kenne. Was für ein schöner Begriff für einen Schauer, der den Urlaub nicht verregnet, sondern Abwechslung bringt und weiterzieht.
In Dithmarschen spricht man in dieser Jahreszeit oft von Bauernglätte. Als ich das Wort hörte, dachte ich an Bauernschläue oder Bauernregel und fand es sympathisch. Dann lernte ich, dass die Bauern die Glätte verursachen, wenn sie nach der Ernte mit erdigen Reifen auf die Straße fahren und dort den Dreck verlieren. Der nächste Regen macht die Fahrbahn dann extrem rutschig, was schon manchem Autofahrer zum Verhängnis wurde. Nun finde ich das Wort nicht mehr so nett.
Klaus Gernoth, Kronprinzenkoog, Schleswig-Holstein
Kristina, die zweisprachig aufwachsende Tochter unserer Nachbarn, wird drei. Bevor die Gäste kommen, wird die Terrasse gewienert. Kristina will auch ein Wischtuch. Nach kurzer Zeit zeigt sie dem italienischen Papa stolz die blank geputzte Stelle. »Picobello«, lobt er. Ich fand mit Staunen heraus, dass der erste Teil des Wortes »picobello« vom niederdeutschen »piek« oder »pük« abstammt, der zweite ist zweifellos italienisch.
Jüngst sagte meine Freundin: »Männer sind doch manchmal putzig!« Da war es wieder, das Wort, das ich jahrzehntelang nicht gehört hatte: Putzig. In unserer Kindheit in den fünfziger Jahren nannten wir alles »putzig«, was ungewöhnlich und unerwartet war. »Das ist aber eine putzige Geschichte, ein putziges Kleid, ein putziger Nachbar.« Bei allem Erstaunen schwang immer auch etwas Liebenswürdiges mit. Ich könnte mich wieder daran gewöhnen.
In meiner Kindheit in den dreißiger Jahren fanden wir Jungen es knorke, ganze Nachmittage im neuen Freibad herumzutollen oder auf unserem Sandplatz Fußball zu spielen. Heute, mit 88 Jahren, finde ich es knorke, dass es die Seite »ZEIT der Leser« gibt. Das Wörterbuch der deutschen Alltagssprache bietet für dieses Adjektiv die Bedeutungen »ausgezeichnet«, »vorzüglich«, »unüberbietbar«. Keiner dieser Ausdrücke wäre jedoch treffender Ersatz in meinen Beispielsätzen. Da ist es einfach »knorke«, dass ich meinen Wortschatz noch einmal so sinnvoll gebrauchen kann!
Hansdampf in allen Gassen ist die Bezeichnung eines vielseitigen Mannes, der es schafft, sich in mehreren Metiers kundig zu machen, und überall mitmischt. Er überwindet gesellschaftliche Grenzen, indem er sich dem jeweiligen Niveau problemlos anzupassen vermag. Schwer durchschaubar und meist überzeugend, wird er selten als Schwindler entlarvt.
Wenn sich jemand nicht so verhält, wie man es von ihm erwartet, also zum Beispiel die Vorfahrt nicht beachtet, auf dem Bürgersteig rumtollt oder mit dem Rad Schlangenlinien fährt, fällt schnell das Wort »Idiot« oder »Blödmann«. Wie nett klingt dagegen Alberjahn, ein fast vergessener Ausdruck, den ich noch von meinem Vater her kenne.
Als Teenager war ich heftig verliebt in einen für mich unerreichbar scheinenden jungen Mann. Eine Freundin, die davon wusste, erzählte mir eines Tages, dass ebendieser Mann Interesse an mir zeigte und mich unbedingt treffen wollte. Ohne zu zögern, ging ich auf ihn zu und bekundete meine Freude. Er wusste von nichts! Wie peinlich! meine Freundin sagte: »Jetzt bist du aber gelackmeiert«, was so viel heißt wie »angeschmiert«.