Alva, unsere fünfjährige Tochter, durfte diese Woche zum ersten Mal in ihrem leben Erbsen Döppen. Die große Papiertüte voller Erbsenschoten, die wir beim Bauern gekauft hatten, war im Nu leer gedöppt, und die kleinen grünen Kugeln, abends in Butter geschwenkt, waren ebenfalls im Nu verputzt.
Stundenlang hatten wir Kinder im Sommer Spaß, wenn Vater für Arbeiten im Garten die Schrageln (hochdeutsch: Schragen) aus dem Schuppen holte und wir uns dann aus einem dieser Holzböcke mittels eines langen Holzpfostens eine Schaukel bauten. Der Schwerere von uns konnte den leichteren Partner oben dunsten lassen, bis er diesen gnädigerweise wieder herunterschaukelte.
Ich will die Katze gleich aus dem Sack lassen: Ich bin der Erfinder des Wortes Paletti. Das ist kein Scherz. Ehrlich! Ich schwöre! Das Wort hat eigentlich keine Bedeutung. Sie können im italienischen oder im spanischen Wörterbuch nachschauen, Sie werden das Wort nicht finden. Es fiel mir Anfang der achtziger Jahre ein. Für mich klingt es einfach besser als »alles gut«. Eigenartigerweise haben das sofort alle Menschen verstanden, mit denen ich in Kontakt kam. Selbst ein londoner Taxifahrer hat das Wort gebraucht. Wenn der wüsste, dass er den Erfinder gefahren hat!
Mein lieblingswort ist Rempftel. Es kommt aus dem Schlesischen und bezeichnet das letzte Stück eines Brotlaibes.
Es erinnert mich an Kindheitstage: Ich habe gleich wieder das Gefühl, in unserer Küche daheim zu sitzen, und habe den Brotgeruch in der Nase. Man konnte damit auch prima die Klassenkameraden verwirren, da sie den Begriff nicht kannten.
Sommerzeit, Grillzeit, zu den Vorbereitungen zählt Baguettebrotschneiden. Meine Frau sagt plötzlich: »Gib mir doch mal bitte den Lachknust.« Da war es wieder, das Wort, das wir als Kinder benutzten, wenn wir uns mit den Geschwistern um den knusprigen Brotanschnitt stritten. Den Brummknust – das andere Ende des Laibes, meist schon ein paar Tage alt – wollte keiner mehr haben.
Mein Wort-Schatz ist Ohnmachtshappen. Meine Mutter (Jahrgang 1920) vergaß nie, entsprechende Vorräte einzustecken, wenn wir einen Familienausflug machten. In der Nachkriegszeit hatte sie selbst viele Entbehrungen erlitten und wusste, wie es sich anfühlt, vor Hunger fast in Ohnmacht zu fallen.
Später – in meiner Kindheit in den fünfziger Jahren – bestand diese Gefahr zwar nicht mehr, aber es machte meine Mutter anscheinend froh, für den Fall der Fälle etwas dabei zu haben. Schließlich gab es damals ja auch nicht so viele Möglichkeiten, unterwegs noch etwas zu kaufen.
Obwohl die Happen niemals ihren eigentlichen Zweck erfüllen mussten, verzehrt wurden sie immer, denn als Ohnmachtshappen eignen sich am besten: kleine Süßigkeiten.
Gerne erinnere ich mich an die Sommer meiner Kindheit. Wenn meine Oma uns morgens am Freibad absetzte, gab sie uns allerlei Benimmregeln mit, dann kam der erlösende Schlusssatz: »Und nun viel Spaß im Nackedunien-Land.« Weswegen ich diesen Wunsch nun an alle ZEIT-leser weitergebe: »Ganz viel Spaß in jedwedem Nackedunien-Land!«
Ich entstamme einer Generation, in der Frauen noch wie Frauen aussehen durften und nicht wie Kleiderständer. Besonders stattliche Exemplare, mit ordentlich Busen, Hüfte und Po, nannte man Wuchtbrumme. Das war keineswegs eine Beleidigung, sondern eher eine Feststellung ihrer Ehrfurcht gebietenden Erscheinung. Männer mochten sie, und ganz besonders in dekolletierten Dirndlblusen wusste frau zu wirken. Schade, dass heute nur noch Barbara Schöneberger so aussehen darf.
Das erste Wort beim Großelternbesuch: »Willste ’n süßen Kaffee?« und dann eilte Opa zum Herd und bereitet mir einen Becher Muckefuck zu, mit drei löffeln Zucker, mindestens. Diesen Ersatzkaffee gab es unter der Woche – den guten, teuren Bohnenkaffee nur sonntags. Aber wehe, wenn man dann sparsam war. Die gestrengen Tanten äugten in die Sammeltassen. Konnte man auf dem Boden durch den Kaffee hindurch das Blumendekor erkennen, gab es ein entrüstetes Schnauben. Das war dann Blümchenkaffee. Sammeltassen gibt es heute nur noch auf dem Flohmarkt. Und im Zeitalter von Latte Macchiato und Cappuccino führt der Muckefuck ein Schattendasein. Eine Geschäftsidee: der Muckefuck to go!
Mein Wort ist eigentlich die Schöpfung meines Bruders. Es ging um die Dinge, mit denen Frauen – in diesem Fall meine Mutter und ich – die Wohnräume verzieren: Kerzen, Vasen, Engelchen, Windlichter und dergleichen. Er war ungefähr zehn Jahre, ich zwei Jahre älter und sehr bemüht, mein eigenes Reich zu gestalten.
Die Vielfalt auf Regalen, Tischen und Fensterbänken veranlasste ihn zu dem Ausruf: »Ihr mit euren Pinkele und Söfele!« Das Wort »Krimskrams« kannte er wohl noch nicht, und ich finde seine Kreation auch unbedingt lautmalerischer. Sie hat inzwischen einen festen Platz in unserer Familiensprache.