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Du bist Schuld!

Liebe Mama!

Ich bin mit meinem Frühjahrsputz fertig! Lass dich nicht täuschen, das Ausrufezeichen verrät nur meinen Euphemismus. Es wird keine gute Hausfrau aus mir, obwohl Familienmanagerin so ein vortrefflicher Semi-Anglizismus ist. Wie alle bedauernswert Berufenen musste ich ja doch zum Künstler werden!

Aber die Schriftstellerei wird mich ebenso wenig systemimmanent machen wie Heroinsüchtige, Hartz-IV-Empfänger und Frauen, deren Körpergewicht ihrer Größe entspricht. Warum nur tobte Deutschland an mir seine debile Neigung aus, Dichter und Denker zu erzeugen? Wieso konnte mich mein Vater nicht vor Schusterjungen und Hurenkindern beschützen? Weshalb hat mir die Kirche den Beelzebub der Metaphysik nicht ausgetrieben? Und dann erteilte mir der Faust auch noch zu viele Schläge auf den Hinterkopf!

Doch eben erinnerte ich mich: Du warst es doch, die mir schonungslos ehrlich sagte, dass Hausarbeit dir sinnlos und langweilig vorkommt! Und dass dein Beruf dir viel mehr Spaß macht, als die uns genetisch vorbestimmte Aufgabe des Herdheimchens! Wie konntest du nur? Nur deshalb zieht es mich unheilvoll an Tasten und Moleskine!
Nur darum wurde ich süchtig nach Fantasmen und Idealen, will mich wollüstig in Worten wälzen und mit Anaphern Unzucht treiben! Das ist der Grund warum Metaphern Spalier stehen auf meinem Leidensweg des Sagenmüssens! Schlimmer noch packt mich meine Vers-Maßlosigkeit und durchschüttelreimt mich, bis mir Haus- und Brutpflege vergeht! UND DU BIST SCHULD, Mama!

Du hast es ja nicht anders gewollt. Ich übrigens auch nicht.

Schöne Grüße und viel Spaß beim Nichtmehrputzenmüssen
Deine zutiefst dankbare Tochter Anja!

Anja Thieme, Jüchen

 

Lieber Vladimir Nabokov,

© Keystone/Getty Images

vor ein paar Tagen wärest Du 111 Jahre alt geworden, aber keiner hat es gemerkt, außer vielleicht Dieter E. Zimmer, der unvergessene Recke der ZEIT. Aber das macht nichts. Wir haben ein Buch aufgeschlagen und die Silben „Lo-li-ta“
gesungen. Dann tranken wir ein Glas Champagner und gedachten Deiner im Flügelschlag von allen Schmetterlingen.

Josef Girg, Prag

 

Liebe Bundesregierung,

© Andreas Rentz/Getty Images

jedes Jahr zu Silvester wünsche ich mir etwas. Meist etwas Großes. Leider enden meine Wünsche oft sehr klein. In diesem Jahr habe ich mir gewünscht, dass Ihr uns Bürger und Wähler gut regiert. Eine höfliche Frage: Wann fangt Ihr damit an? Ein Drittel des Jahres ist vorbei.

Klaus Kuhn, Köln-Nippes

 

Liebe Amy Winehouse,

© Neil Mockford/Getty Images

mit Deinen Balladen rü̈hrst Du mich zu Tränen. Du singst den Soul wie keine Zweite, und ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut! Aber was die Drogen mit Dir machen, das erschüttert mich zutiefst. Amy, komm zurück! Janis Joplin ist auch schon tot. Tu mir das nicht an.

Christof Blumentrath, Düsseldorf

 

Lieber Wolfgang Joop,

© Andreas Rentz/Getty Images

seit vielen Jahren bist Du der Magnet bei der Einladung zum Treffen des Abi-Jahrgangs 1966. Jedes Mal munkeln die Veranstalter, Du würdest teilnehmen. Wir fahren hin, um Dich wieder einmal zu treffen, doch Du bist nie da. Aber ­ehrlich gesagt: Du fehlst uns auch nicht.

Heinz Bielstein, Wiesbaden

 

Schöne Grüße…

Marc Lindemann, © privat

… sollen hiermit an Marc Lindemann gehen, den Autor des Buchs Unter Beschuss. Als gelernter Politologe hat der zeitweilig am Hindukusch dienende Reserveoffizier einen bemerkenswerten Weg eingeschlagen: Er hat die Schweigepflicht zu dem Drama „Afghanistan“ aufgegeben, hat mit seinen Erfahrungen die Berufspolitiker an der „Heimatfront“ unter Beschuss genommen, Vorgesetzten beim Militär aus dem Herzen gesprochen und ist ihnen auch einmal auf den Schlips getreten.

Bravo! Lektüre dieser Art braucht unsere Zeit mehr als Thriller von Dan Brown und Stieg Larsson.

Klaus Heyde, Pirna

PS: Ob Marc Lindemann die ZEIT liest, weiß ich nicht. Aber ich kann es mir nicht anders vorstellen.

 

Grüße an die Optimistin

Liebe Kiki, Du hast Dir blöderweise den Mittelfuß gebrochen. Der Traumjob in Barcelona: erst mal dahin! Aber nach dem Schock und trotz der Probleme danach hast Du Dich nicht unterkriegen lassen. Du bist ganz schön stark und hast das Wesentliche immer im Visier. Selbst wenn ich müde bin vom Abenteuer Leben, schenkst Du mir was von Deinem Optimismus. Wirst sehen: Im September tanzen wir wieder auf der Wiesn. Und wenn wir von den Bänken fallen, dann fallen wir – aber gemeinsam. Danke!
Deine Zwillingsschwester Miri

Miriam Margarete Schlolaut, Bonn

 

Lieber Felix Magath,

© Torsten Silz/AFP/Getty Images

bitte werde in dieser Saison mit Schalke Meister! Ich wünsche mir das, obwohl ich kein Schalke-Fan bin. Aber ich bin HSV-Fan, und ich weiß: Du willst allen beweisen, dass Du weder Feuerwehrmann noch Underdog-Trainer bist. Also bitte werde schnell Meister – und dann komm endlich heim zu Deinem HSV!

Henrike Doerr, Köln

 

Aus Angstpatient wird Zahnarzt

Lieber Peter C.,

vor fast 40 Jahren ist dir gelungen, was kein Mensch, am wenigsten ich selbst, für möglich gehalten hätte! Diese herrliche Wurzelbehandlung oben links, weisst du noch? Nee, im Ernst, du hast damals aus einem pubertierenden Nervenbündel, für das der Begriff Zahnbehandlung gleichbedeutend war mit Durchfallattacken und Schweissausbrüchen, einen ausgeglichenen Patienten gemacht. Danke! Wie selbstverständlich habe ich in deinen Fussstapfen meinen eigenen Weg gefunden zu den Angstpatienten und Kindern. Ach ja, und ich hab‘ sie noch alle! (die Zähne).

Gruß von Christof Blumenrath

P.S. Lass uns mal wieder ’ne ordentliche Nussecke zusammen essen…

 

Ein Loch in der Mauer

ZEIT-Leser Felix Evers an der Berliner Mauer (l.) und mit seinem Schulfreund Peter Brandt

Im April 1990, vor genau 20 Jahren, fuhren mein Schulfreund Peter Brandt und ich nach Berlin und Rügen. Kurz vor unserem Abitur wollten wir Zeitzeugen der Deutschen Einheit sein. So entstand auch das Foto, das Peter von mir gemacht hat: Mit dem Pickel schlage ich Stücke aus der Berliner Mauer.

Peter Brandt auf dem Weg nach Rügen

Heute, 20 Jahre später, möchte ich Dir, lieber Peter, diesen Gruß schicken. Weißt Du noch, wie wir ununterbrochen The Great Commandment hörten – damals noch auf Musikkassette im VW-Golf? Und zum ersten und letzten Mal einen Trabi fahren durften? Und Briefe aus der DDR nach Schinkel schickten (die ich alleine wegen der Briefmarken heute gern wiedersehen würde …)? Schade, dass ich nicht mehr weiß, wo ich Dich heute erreichen kann. Deshalb dieser Gruß in unserer ZEIT. Gesegnete Ostern!

Pfarrer Felix Evers, Ratzeburg