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Wandern, reden, genießen

Fünf Männer in den guten Jahren, die den besten unmittelbar nachfolgen, sind beim Wandern im Markgräfler Land. In Auggen kommen sie ins Gespräch mit einem alten Handwerksmeister und Winzer. Die Rede „fließet munter fort“, zumal der alte Herr den schönen alemannischen Dialekt spricht, wie ihn nur noch die Alten verwenden. Schließlich trennen sich die Herren, die fünf wandern weiter. Etwa eine Stunde später erreichen sie einen Aussichtspunkt zwischen Auggen und Müllheim. Da fährt ein Auto vor, ihm entsteigt der Auggener Winzer und kredenzt den Wanderern eine Flasche „Auggener Schäf Gutedel“. Die Freude ist auf beiden Seiten groß. Mit diesen Zeilen soll dem Winzer Erhard K. ein kleines Denkmal gesetzt werden.

Frank Laier, Stuttgart

 

Dank dem Erfinder der Sommerzeit

Jeden Tag die Vorfreude auf den langen hellen Abend: erst auf der Terrasse sitzen, dann in der Kühle ein Spaziergang den Sandweg entlang in Richtung Osten, links und rechts die Weizen- und Roggenfelder, dann zurück in Richtung Westen, auf den bewaldeten Horizont zu, hinter dem die Sonne nun langsam versinkt. Nicht genug kann ich denen danken, die die Sommerzeit erfunden haben. Wenn ich mir vorstelle, dass früher mitten im Sommer die Sonne schon vor 21 Uhr unterging!

Thelma von Freymann, Diekholzen, Niedersachsen

 

Die lieben Teufelsbraten

Donnerstag, 7 Uhr: Teufelsbraten Nummer 1 (3½): „Mama, ich bin waaaaach!“ Aufstehen. Teufelsbraten Nummer 2 (4 Monate) hat Hunger. Stillen. Wickeln. Anziehen. Frühstück machen. „Mama, ich mag aber das blaue TShirt!“ Kindergarten. Schnell wieder nach Hause, umziehen: Teufelsbraten Nummer 2 hat die Milch auf mein Oberteil gespuckt. Ab ins Büro (regelmäßige Besuche erleichtern den Wiedereinstieg – ich freu mich drauf). Stillen. Einkaufen. Treppen hoch mit Kinderwagentasche, Einkaufstüten. Essen. Stillen, Teufelsbraten Nummer 2 macht ein Nickerchen. Schnell Aufgaben am Computer erledigen. Wäsche aufhängen. Oma anrufen (heute nur 34 Minuten). Nickerchen zu Ende. Stillen. Kindergarten. Überfälliges Buch in der Bücherei abgeben. Spielplatz. Treppen hoch mit Kinderwagentasche rechts, Teufelsbraten Nummer 1 links, „Mama, kannst du mich auch tragen?“. Stillen und neu ausgeliehenes Buch vorlesen. Einen Teufelsbraten auf dem Arm, einer hängt am Bein, ich rühre Eierkuchenteig. Zufriedenes Schmatzen. Auf zur letzten Runde: ausziehen, duschen, Zähne putzen, stillen, wickeln, „Die Blümelein, sie schlafen…“ – „Mama, ich hab noch Durst.“ Endlich: Stille. Ich schleiche müde ins dunkle Kinderzimmer, höre den ruhigen Atem meiner Kinder und fühle mich unendlich reich.

Tina Weiler, Berlin

 

Marathon-Jongleure

Marathonlauf in Fürth. Ich stehe an der Uferpromenade. Ein endloser Strom von Läufern rauscht an mir vorbei, ein Pulk von erhitzten Gesichtern mit zielstrebigen Mienen. Mitten in dieser farbenfrohen Menge fallen mir zwei Männer auf, die jeder mit drei Bällen jonglieren. Lässig und locker werfen sie die Bälle in die Luft und halten dabei – bewundernswert! – das Tempo mit. Beifall brandet auf. Solange ich diese Laufkünstler beobachten kann, verlieren sie nie einen Ball.

Gabi Kübrich, Fürth

 

Butterbrote!

„Butterbrote“ wünschen sich meine kleinen Nachbarinnen Judith (7) und Rebecca (5) bei einem ihrer Besuche. Als sie die Schnitten verspeisen, erinnere ich mich an die köstlichen Butterbrote meiner Tante Kathi. Immer wenn ich in der Nachkriegszeit ein paar Ferientage bei ihr verbrachte, kaufte die Kriegerwitwe Butter für ihre „spindeldürre“ Nichte, während sie selbst und ihre sechs Töchter sich Margarine aufs Brot strichen. Heute denke ich mir: Ein Wunder, dass mich meine Cousinen trotzdem nett behandelt haben…

Renate Steinhorst, Bamberg

 

Junge Freunde der Vergangenheit

Ich stehe im Westerwald am offenen Fenster eines Dampfzuges. Gleich wird er abfahren. Eine sanfte Wolke weht von der Lok herüber und trägt deren unnachahmlichen Geruch von Rauch, Öl und Wasserdampf zu einem vielleicht Fünfjährigen neben mir. „Mmmh, was riecht das gut!“, ertönt es voller Emphase. Schön, dass die Vergangenheit
so junge Freunde hat!

Günther Steinhauer, Dortmund

 

Fühl den Groove!

Wenn sich zwei- oder dreimal wöchentlich mal fünf, mal zehn motivierte junge Musiker – alte gute Freunde, neue gute Freunde – in unserem Proberaum in Treptow treffen und still nach ihren Blas-, Streich-, Schlag-, Tasten- und Saiteninstrumenten greifen, dann dauert es nicht lange, und ich spüre sie wieder: diese Energie. Die Do I Smell Cupcakes? spielen im Kreis, jeder sieht und fühlt jeden. Wir lachen, wir geben uns der Musik hin, wir bewegen uns hinter den Instrumenten gemeinsam, wir fühlen den Groove, der uns umgibt. Plötzlich fallen alle Alltagssorgen ab, und wir erschaffen etwas. Jedes Mal aufs Neue bin ich beeindruckt, was man alles schaffen kann, wenn man es nur will. Danke an euch alle, Jungs, danke, dass ihr mich reicher macht. Bald geht’s ins Studio. Dann werden wir hoffentlich auch alle anderen reicher machen.

Robert Marinow, Berlin

 

Integration gelungen?

Am Abend des letzten WM-Vorrundenspiels, Deutschland gegen Ghana. Noch drei Stunden bis zum Anpfiff. Ich radle nach Hause und muss an einer Ampel warten. Ich beobachte eine Frau auf ihrem Balkon: Mitte fünfzig, Kopftuch, an der Wand die blauen Glasaugen zur Abwehr des bösen Blicks. Hingebungsvoll schmückt die Frau ihren Balkon mit großen und kleinen Fahnen. Mit Deutschlandfahnen! Hier, scheint mir, ist die Integration gelungen. Und Deutschland
steht im Achtelfinale.

Florian Egger, München

 

Ein Blick, der Hoffnung gibt

Vergangene Woche las ich das Buch Ist Altern eine Krankheit? von Rüdiger Dammann und Reimer Gronemeyer. Der Untertitel: Wie wir die gesellschaftlichen Herausforderungen der Demenz bewältigen. Der medizinische Blick auf Alzheimer und Demenz erzeugt eher Angst, der soziologische Blick aber gibt Hoffnung. Ein sehr lesenswertes Buch, aus dem ich viel gelernt habe!

Petra Schönwälder, Bamberg
Ist Altern eine Krankheit ist im Campus-Verlag erschienen

 

Brief aus Kapstadt

Ist die WM Fluch oder Segen? Werden die WM-Schulden zu einer zunehmenden Verelendung führen oder wird das wirtschaftliche Vertrauen in Südafrika gestärkt und durch Investitionen mehr Arbeitsplätze schaffen? Diese Frage begleitet meine südafrikanische Familie. Da ich zurzeit in Deutschland bin, schickt mein Teenager-Sohn regelmäßig Berichte.

Renate Cochrane

Liebe Mama,

Die WM Organisation in Kapstadt klappt super. Für uns ist es ebenfalls ein Art (Winter-) Märchen. Wir müssen nicht mit dem Auto in die Stadt fahren, denn von unserem Vorort fährt jetzt jede halbe Stunde ein schicker Bus zur Waterfront und zum Stadion und wieder zurück bis in die frühen Morgenstunden. Diese Busverbindung ist wie ein durchlebter Zukunftstraum. In der Nacht sieht das erleuchtete Green Point Stadium fast wie ein UFO aus. Alles hat etwas Unwirkliches an sich. Wir waren beim Spiel England-Algerien und das Gefühl in einem vollgepackten (65.000!) Welt-Stadion zu sein war überwältigend. Die Einweisung an unsere Plätze war so effizient und gut durchdacht, dass es überhaupt kein Gedränge gab und 10 Minuten später saßen wir wie gebannt auf unseren Sitzen. Der junge Mann hinter mir hatte ein Vuvuzela, aber ich bat ihn nach oben zu blasen und das Geräusch war überhaupt nicht störend, denn die Fans um uns waren dann doch viel lauter. Die Kudu-zelas, die aus dem echten Kuduhorn geblasen werden, haben einen warmen Brummton und klingen viel schöner als Plastiktröten.

Ich hatte bei diesen Massen einen Bammel auf die Toilette zu gehen. Aber welche eine Überraschung! Die Toiletten (zumindest für Männer) muten futuristisch an. Meilenweite schimmernde Installationen mit Platz für Tausende. Dann waren wir auf der Fanmeile – wow, wir konnten unser City Centre nicht wieder erkennen! Das Bahnhofsviertel ist völlig neu renoviert und alles sieht fabelhaft attraktiv aus. Es herrscht überall eine großartige Stimmung. Wir sind stolz, dass wir als Südafrikaner dies auf die Reihe bringen.

Der Diski-Dance symbolisiert für mich unseren südafrikanischen Hoffnungsgeist. „Diski“ sollte nach Europa importiert werden. Du weißt hoffentlich, dass der Diski-Tanz von den Jugendlichen in den Townships erfunden wurden, die sich keinen „Diski“-Fußball leisten können, also spielen sie singend und tanzend mit einem imaginären Ball. Ich hoffe schon, dass die WM uns nun mehr Vertrauen gibt, dass wir auch unsere sozialen Probleme besser in Griff bekommen. Wenn wir solche wunderbaren Stadien errichten können, warum sollen wir es dann nicht auch schaffen Schulen und menschenwürdige Wohnungen für die Benachteiligten in unserer Gesellschaft zu bauen? Viva Südafrika!

Tebo Cochrane, Kapstadt