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Zeitsprung: Wundervolle Jahre

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2003

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2013

 

2003 war ein kräftezehrendes Jahr mit viel Glück, aber auch voller Verluste, Sorgen und banger Zukunftsfragen: Würde ich je meine Habilitation abschließen? Würden die Kinder zu glücklichen Menschen heranwachsen? Würde meine Ehe halten? Zehn Jahre später: Der Mann ist über alle Berge, aus der Habilitation wurde eine Professorinnenstelle, die drei kleinen, wilden Jungs sind mittlerweile große, prächtige Kerle. Die bangen Zukunftsfragen stellen jetzt sie und auch meine Studierenden und Doktoranden… Und ich möchte antworten: Haltet durch. Habt Mut. Macht euch nichts vor. Das Leben ist zerbrechlich und voller Überraschungen. Es ist und bleibt eine große Herausforderung. Und es ist wundervoll!

Christiane Solte, Saarbrücken

 

Zeitsprung: „Ursprung“ Straße

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1963

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2013

 

Begrenzt von grob behauenem Granit, ein Gehweg aus Sand, von der Sommersonne heiß gebacken, eine Wonne für schuhlose Kinderfüße, eine Wohltat für sandbadende Spatzen. Die Klinkerstraße schmal, wenig von Autoverkehr beunruhigt, im Winter eine schneeweiße Gleitschuhbahn. Straßenbeleuchtung gab es nicht. Nachts wurde es noch richtig dunkel (vom Sternenhimmel mal abgesehen). Das war unsere Straße vor 50 Jahren. Hier, im friesischen Zetel, wuchs ich mit meinen zwei Geschwistern in einer Großfamilie auf. Heute lässt spröder Asphalt und verwitterter Betonstein den vergangenen Charme nur noch erahnen. Es war unsere Straße nur auf Zeit.

Steffen Walentowitz, Jever

 

Zeitsprung: Haus am See

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Der Wennsee in Scharbeutz liegt ein wenig versteckt. Auf der Suche nach einem Bauplatz stießen meine Eltern dort 1953 auf eine idyllische Obstwiese und konnten 2500 Quadratmeter mit Zugang zum Wasser erwerben – zu einem Preis, den man heute als »Appel und Ei« bezeichnen würde. Damals allerdings bereiteten ihnen die Schulden schlaflose Nächte! mit Spaten und Schubkarre entstand unser Haus (wie es auf dem linken Foto von 1954 zu sehen ist). Die kleinen Bäume am Seeufer gaben den Blick frei bis zum einen Kilometer entfernten Kammerwald. Und der Hang rechts vom Grundstück war, wenn der See zugefroren war, der beliebteste Rodelberg des Ortes. Wie sich das Bild geändert hat! Heute sind die Bäume groß, die Wiese ist bebaut, und das Haus wird von uns Kindern und Enkeln als Feriendomizil genutzt.

Sven Herfurth, Bargteheide, Schleswig-Holstein

 

Zeitsprung: Gartenfreuden

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Das erste Bild zeigt mich im Alter von knapp zwei Jahren im Garten meines Großvaters. Das Bild meiner ebenfalls zweijährigen Tochter (unten) wurde 34 Jahre später, im vergangenen Sommer, aufgenommen. Mein Opa ist leider verstorben, aber der Garten ist erhalten geblieben und wird nun von meiner Tante bewirtschaftet. Man beachte die unterschiedliche Kleidung der Kinder: Zog man im Sommer 1978 noch Kleidchen und Kniestrümpfe an, waren im Juni 2012 Jeans und Sweatjacke das passende Outfit für kleine Gärtner. Nicht nur der Garten, auch der Modegeschmack der Mütter hat sich verändert…

Anke Bartsch, Berlin

 

Zeitsprung: Eine Schule in Birkenfelde

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Birkenfeld? Wo soll das sein? Diese Frage stellte sich mir, als ich 2007 eine stelle am Gymnasium Birkenfeld angeboten bekam. Genau diese Frage muss sich aber auch Herzog Peter I. von Holstein-Oldenburg (1755 bis 1829) gestellt haben, als ihm im Zuge des Wiener Kongresses (1815) das Gebiet des späteren Fürstentums Birkenfeld als Ausgleich für verlorene Weserzölle zugeteilt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte das heutige Gymnasium schon eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Zunächst als Lateinschule auf der Birkenfelder Burg gegründet (1779), erhielt es unter den Oldenburger Herrschern das ehemalige badische Amtshaus als Ort der Bildung zugeteilt. Nach dem Untergang der Monarchien 1918 zog die Lehranstalt in die ehemalige Kaserne um. Daneben nutzte man seit 1929 teile des alten Gefangenenhauses. Nicht gerade die besten Verhältnisse für die traditionsreichste schule im Landkreis Birkenfeld. Erst Ende der fünfziger Jahre begannen die Bauarbeiten für einen modernen Gebäudekomplex. Im Jahr 1963 konnte das neue Schulgebäude dann endlich bezogen werden. Seitdem sind genau fünfzig Jahre vergangen.

Hans-Georg Heck, Birkenfeld, Rheinland-Pfalz

 

Zeitsprung: Wir Brüder

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Unsere Eltern waren Landwirte in der Nähe von Karlsruhe. Zwischen 1952 und 1969 bekamen sie vier Söhne und waren froh, dass wir als Helfer in der Landwirtschaft auch lange Zeit verfügbar waren. Als wir alle auf weiterführende Schulen gehen und schließlich studieren wollten, da ahnten die Eltern wohl, dass es mit dem Nachfolger für den Hof schwierig werden würde. Aber dass wir uns auf der ganzen Welt verstreuen würden? Karlfried, der Älteste, ging direkt nach dem Studium in die USA, wo er seit 36 Jahren mit seinem Wohnmobil durch die Lande zieht. Ich als Zweiter studierte zumindest Landwirtschaft, aber auch mich zog es in die Ferne, über Japan, Hongkong und Polen nach Hamburg. Nur der Dritte, Martin, ist in der Nähe der Eltern geblieben, und Andreas, der Jüngste, landete in München. Wir vier treffen uns selten. Das erste Bild entstand bei einem der wenigen Besuche von Karlfried in Deutschland. 2012 sind wir anderen drei Brüder zu ihm gereist, um mit ihm seinen 60. Geburtstag zu feiern. Von Las Vegas ging’s mit dem Wohnmobil durch den Wilden Westen. Am Lagerfeuer gab’s viele lange Diskussionen über die gemeinsame Kindheit und die verschiedenen Lebenskonzepte. Auf einer Viehweide entstand das zweite Bild, das uns wie das erste dem Alter nach von rechts nach links zeigt.

Hartmut Glaser, Hamburg

 

Zeitsprung: Filmreif

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Es ist schwer zu sagen, was meinem Urgroßvater Wilhelm Nagel bei der Eröffnung seines ersten Kinos in Ludwigsburg durch den Kopf ging. Vermutlich war er sehr nervös durch die Anwesenheit des Königs Wilhelm II. von Württemberg. Urgroßvater war ein Filmpionier der ersten Stunde, begann mit einem Wanderkino, die Zuschauer zu begeistern. 1945 beschlagnahmte die US-Armee das Kino für ihre Soldaten. Aber auch hier half mein Vater Hasso Wollenschläger mit und durfte bei der einen oder anderen Vorstellung durch das Projektionsfenster sehen. Noch heute befindet sich das Unternehmen fest in Familienhand und wird mittlerweile von der vierten Generation betrieben. Es hat nicht nur zwei Weltkriege und die Besatzungszeit überstanden, sondern auch das Kinosterben Anfang der Achtziger Jahre sowie den Verdrängungswettbewerb durch die Multiplexwelle. Der Eingangsbereich hat sich stark verändert – auch durch den Bau eines neuen Bürogebäudes und eines weiteren Kinosaals. Das Kino ist längst digitalisiert. Doch noch immer gehen die Zuschauer durch den Eingang, den einst seine Majestät eingeweiht hat.

Claus Wollenschläger, Ludwigsburg

 

Zeitsprung: Die Kraft der Natur

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Im Herbst 2012 haben Fachleute die Weide auf meiner Wiese beschnitten. Danach tat mir der Baum leid: Ich wollte nicht glauben, dass er schon bald wieder seine beeindruckende Krone tragen würde. Aber jetzt, neun Monate später, freue ich mich sehr darüber, dass die Weide gesund ist und ein prächtiges Laubwerk gebildet hat. So dicht wird es nie wieder sein, wenn die Äste nachgewachsen sind. Dafür wird der Baum zu alter Größe finden.

Wolfgang Stein, Magdeburg

 

Zeitsprung: Beste Freunde

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Bert und Dieter kennen sich seit Kindertagen. Sie sind Freunde. In der Dominikus-Gruppe haben sie ihre Begabungen und Talente entfaltet, jeder auf seine Art. Und sie haben gemeinsame Vorlieben, etwa die karierten Hemden auf dem Foto aus den siebziger Jahren. (Jetzt wird sonntags Weiß getragen!) Zweimal hat das Leben sie getrennt, doch immer wieder konnten sie an das alte Freundschaftsband neu knüpfen. Seit einiger Zeit leben sie im Hof Schürmann, in einer Wohnstätte für Menschen mit Behinderung – und alle sind gesegnet von ihrem Dasein. Bert ist ein eifriger Zeitungsleser, seine Tageszeitung ist ihm so wichtig wie der Kaffee zum Frühstück. Abends und am Wochenende liest er dann weiter – mit der Schere. Er wird sich freuen, wenn er sich und seinen Freund abgebildet findet.

Monika Jung-Kösters, Coesfeld

 

Zeitsprung: Flugs Flügge

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Vor vier Wochen fand unser Sohn ein heruntergefallenes Nest mit fünf Vogeljungen. Drei der fast nackten Nestlinge lebten noch und bezogen zuerst einen Schuhkarton und später einen Vogelkäfig, dessen Tür dann bald offen stand. Erste Flugübungen fanden in unserem Wohnzimmer statt. Von uns mit Eigelb, Hafer- und Hirseflocken aufgepeppelt (geklaute Nudeln und Tortenkrümel kamen auch dazu), erweiterte sich der Aktionsradius der Vögelchen rasch bis in den Garten und ins Umland. Aber wenn ich den Balkon betrete, sind immer sofort zwei unserer Zöglinge da, um mich zu begrüßen. Ob der dritte endgültig ausgeflogen ist oder im Magen einer Nachbarskatze landete, darüber wage ich nicht nachzudenken. Jedenfalls entwickeln sich die beiden prächtig und »studieren« inzwischen sogar schon die Zeitung.

Ulrike Blatter, Gottmadingen, Baden-Württemberg