Immer wieder fasziniert sie mich, die Schwarzäugige Susanne. Tiefgründig schaut sie mich an, schon von Weitem zieht sie meinen Blick auf sich, mit ihrem hellen Leuchten und dem tiefdunklen Inneren. An diesem Morgen habe ich es geschafft und durfte ihr Erwachen miterleben, von der Knospe bis zur vollen Blüte. Mit dem Auge der Kamera sehe ich ihre feinen Bewegungen. Wie im Zeitraffer wirken die einzelnen Bilder, als ich sie später nebeneinanderlege.
Üblicherweise leben die Bildpaare auf dieser Seite von Veränderungen. Hier aber hat sich kaum etwas verändert. Beide Bilder stammen aus der italienischen Provinzstadt l’Aquila, das eine vom Juni 2010, das andere aus dem vergangenen Mai. Sie zeigen ein Haus, das in der Erdbebennacht vom 9. April 2009 zerstört wurde. Damals starben 308 Menschen, fast 34 000 Bewohner von l’Aquila wurden obdachlos. Politiker versprachen einen raschen Wiederaufbau… Viele Betroffene leben heute in neu errichteten Siedlungen von einstöckigen Holzhäusern, welche sich um die umliegenden Dörfer und Städte formieren. l’Aquila gibt es nicht mehr.
Das linke Bild ist 75 Jahre alt. Wir sehen die sechsjährige Vera, die Tochter von Louis Pich und Käthe Knopfmacher-Pich, an ihrem ersten Schultag in Berlin. ihre Schultüte ist voller Süßigkeiten, doch die Zukunft war bitter: Die Familie musste nach Belgien fliehen, Vera überlebte, versteckt in einem Nonnenkloster, Eltern und Bruder aber kamen im Holocaust um. In den fünfziger Jahren wanderte Vera nach Brasilien aus und gründete mit ihrem Mann Mordechai eine neue Familie. Unten Veras Enkelin Carolina, ebenfalls sechs, auch an ihrem ersten Schultag – in der deutschen Schule in São Paulo. Und Vera findet es gut, dass ihre Enkelin die deutsche Schule besucht. Sie hat sich mit der deutschen Sprache versöhnt – ohne die Vergangenheit zu vergessen.
Selbstauslöserfotos haben in unserer Familie Tradition. Und das Erkunden der Welt mit nichts mehr als einem Rucksack auf dem Rücken ebenfalls. So gibt es von Beginn an aus jedem Urlaub mindestens ein Selbstauslöserfoto.
Die beiden Bilder zeigen mich mit meiner Schwester und unseren Eltern 1997 in Griechenland beim Inselhüpfen (da bin ich die Zweite von rechts) und 2012 auf einer Nordamerikatour. Nach längerer Zeit hatten wir es endlich wieder einmal geschafft, zusammen zu reisen. Vieles hat sich verändert, doch eines bleibt immer gleich: Rucksackreise mit Selbstauslöser!
Äthiopien, ach, Äthiopien! Das Land, in dem ich als Sohn eines Kaffeehändlers geboren wurde und die ersten sieben Jahre meines Lebens verbrachte, hat mich immer fasziniert, interessiert und gefesselt. (Das Bild von damals zeigt mich zwischen meinem Bruder und meiner Mutter.) Nach über 40 Jahren war es schließlich so weit: ich reiste wieder nach Addis Abeba und fand sogar unser altes Haus wieder. Vieles hat sich seitdem verändert: Das Haus ist jetzt die Zentrale einer Logistikfirma. Der Garten wurde der Straßenverbreiterung geopfert, und die Türen und Fensterläden sind nicht mehr grün, sondern blau. Geblieben ist aber die vertraute Struktur der Steine. Und die Treppe mit dem breiten Absatz.
Diese Frage stellte uns unsere Tochter auf dem selbst gebastelten Kalenderblatt, das Fotos von unseren Enkelkindern Marie Luise und Alma Sophia zeigt. Die Aufnahmen entstanden im November 2003 und im März 2013, als die Mädchen jeweils etwa drei Monate alt waren. Natürlich konnte die Großmutter diese Frage ohne größere Schwierigkeiten beantworten!
Gisela und Martin Peisker, Gatersleben, Sachsen-Anhalt
Diese Schwanenfamilie beobachtete ich im vergangenen Jahr an einem Baggersee in Ingolstadt. Die linke Aufnahme entstand im Juli, als die Jungen noch ganz klein waren. Auf dem rechten Bild – im Dezember – inspizieren die Eltern voller Stolz die Tauchkünste ihrer schon herangewachsenen Kinder. Rund 60 Schnappschüsse waren nötig, bis ich den Moment erwischte als wirklich alle sieben Köpfe unter Wasser waren. Wahrscheinlich habe ich die Geduld aufgebracht, weil mein Sohn berufsmäßiger Taucher ist – da sind meine Mutterinstinkte durchgekommen. Aber das ist eine eigene Geschichte. Die Schwanen-Mami jedenfalls sitzt inzwischen wieder an derselben Stelle auf einem neuen Nest. Sylvia Jung, Ingolstadt
Im vergangenen Herbst trug unser Birnbaum eisern eine letzte Frucht bis tief hinein in den November. Das sah so wunderschön aus, dass wir sie am Ende auf einem Foto festgehalten haben. Nun ist heute der Himmel mal wieder novembergrau, aber der Birnbaum ist über und über geschmückt mit weißen Blüten – vielleicht wird aus einer davon wieder solch eine malerische Frucht wie im vergangenen Jahr?
Auf dem ersten Bild bin ich zwei Jahre alt und stehe vor einer Installation des amerikanischen Künstlers Dan Flavin. Mein Vater hat die Aufnahme 1984 gemacht, beim Familienbesuch einer Ausstellung in Basel. Vater erzählt, dass ich zuvor verängstigt gewesen sei von den unheimlichen Figuren von Oskar Schlemmer und den lärmenden Maschinen von Jean Tinguely und Bernhard Luginbühl. Vor den Flavin-Neonröhren jedoch sei ich zur Ruhe gekommen und hätte lange staunend dort gestanden und ins Licht geguckt. Die Fotografie begleitet mich seither bei jedem Umzug, in jedem Leben. Das faszinierte Staunen ist eine Fähigkeit, die ich nie verlieren will. Kürzlich fand in Wien (wo ich seit zehn Jahren lebe), im Museum Moderner Kunst eine Dan-Flavin-Ausstellung statt: ein guter Anlass, das Bild zu »aktualisieren«, wenn auch die Arbeit von damals leider diesmal nicht ausgestellt war. Fotografiert hat diesmal mein Mann.
In nur sechs Tagen verwandelten sich meine wunderbaren Tulpen von einem frischen Frühlings- in ein barockes Vanitas-Stillleben. Beide Zustände und jeder Tag dazwischen waren auf ihre eigene Art schön. Sabine Schwarz, Stuttgart