Auf dem linken Bild sehen Sie meinen Arbeitsplatz im Analogzeitalter (1984). Ich war damals als Werkstudentin in der Buchhaltung eines großen Chemie-Unternehmens beschäftigt und verzierte die papierne Schreibtischunterlage mit reichlich bunten Mustern. Rechts: mein Desktop im Jahr 2014. (Ich arbeite als Organisationsberaterin.) Andere Zeiten: Im Büroalltag der Digital-Ära spielen Stifte keine sichtbare Rolle mehr.
Man glaubt es kaum, aber zwischen diesen beiden Fotos liegt nur eine Viertelstunde. Ich hatte gerade das Waschbecken einer Generalreinigung unterzogen, als meine Kinder mich fragten, ob sie sich schminken dürften. Kurz darauf sah unser Becken dann so aus, als wäre ein ganzer Karnevalszug hindurchmarschiert. Aber, was soll’s. Und so ist’s ja eigentlich auch viel bunter, schöner, und irgendwie lebendiger… !
Angeregt durch das Buch Die Kultur der Reparatur, erinnerte ich mich an das alte Radio meiner Eltern, ein Grundig 3010. Das Radio war nur 1952 und 1953 gebaut worden und kostete damals 345 Mark. Als ich es völlig verstaubt auf dem Dachboden fand, habe ich es gesäubert und zum Radiohändler in unserem Dorf gebracht, um es reparieren zu lassen. Der Seniorchef begrüßte mich mit den Worten: »Ja, wir können das noch!« So sehen Sie mich auf dem einen Bild als Zweijährigen mit meiner Mutter und dem Radio dahinter zu Weihnachten 1953. Das andere Bild zeigt mich heute, zufrieden mit dem Radio, bei dem praktisch nichts defekt war, das lediglich einer Überholung der Kontakte bedurfte. Besonders freut mich, dass ich es nicht im Internet gekauft habe, sondern dass es das Radio meiner Eltern ist!
1969, während meines Studiums an der Technischen Universität (damals Hochschule) in Graz fuhr ich mit einer Reisegruppe der Hochschülerschaft nach Ägypten und war tief beeindruckt von den Tempeln in Luxor. 2013, kurz vor meiner Pensionierung als Professor derselben Universität, war ich – für ein Projekt »Green Innovation and Entrepreneurship in Egypt« – erneut in Luxor und wieder überwältigt von der Kunst und den Fähigkeiten der alten Ägypter. Ich wünsche mir, dass dieses Land wieder zu seiner einstigen Größe zurückfinden möge.
Im Dezember 2012 besuchte ich meinen Bruder in Weimar, und auf einem Spaziergang bat ich ihn, mich im Schnee zu fotografieren. Damals skypte ich fast täglich mit Cyrille, den ich einige Monate zuvor während meines Praktikums in Kamerun kennengelernt hatte. Ich wollte ihm mit diesem Foto einen Eindruck vom deutschen Winter vermitteln. Wir hofften, dass er mit einem DAAD-Stipendium nach Deutschland würde kommen können. Doch bald darauf wurde sein Antrag abgelehnt. Wir standen vor dem Nichts und mussten uns entscheiden. Im vergangenen Juni haben wir in Kamerun geheiratet. Jetzt leben wir zusammen in Freiburg, und Anfang Dezember 2013 hat Cyrille seinen ersten Spaziergang im Schnee gemacht.
Von 1958 bis 1961 war ich Koch auf Kreuzfahrtschiffen der Holland-Amerika-Linie. Der letzte Hafen unserer Fahrten von New York in die Karibik war meist Havanna, Kuba. Zum Jahreswechsel 1958/59 kam es dort zur Revolution, und so landeten wir am 10. Januar 1959 in Havanna, nur zwei Tage nach dem Einzug von Fidel Castro. Er hatte sein Quartier im Havanna-Hilton-Hotel, und ich wollte mir das einmal anschauen. Vor dem Hotel standen seine »Bewacher«. Ich durfte sie nicht nur fotografieren, sondern ich sollte mich zu ihnen stellen, und sie drückten mir sogar eine Waffe in die Hand. Nach mehr als 50 Jahren war ich im vergangenen Oktober noch einmal in Havanna. Vor dem Hotel, das jetzt Habana Libre heißt und nicht mehr bewacht wird, entstand das zweite Bild.
1988, unsere Zwillinge sind geboren – vor der Zeit, winzig, zerbrechlich. Auf der Intensivstation der Uni-Klinik hält ihr Vater sie noch ungeübt und ängstlich auf dem Arm. Nach einem Vierteljahrhundert mit ihnen sieht die »Familienaufstellung« ganz anders aus: Laura und Malte sind zu großen, gesunden und selbstbewussten Menschen geworden, und für ein Bild in den Weinbergen kommen beide aus ihren Studentenbuden zu uns nach Mainz. Jetzt sind sie es, die uns in die Arme nehmen!
Im Jahr 1954 wurde ich mit meinen beiden Lieblingskindern Hänsel und Gretel fotografiert. Sie begleiteten mich, bis ich mich mit zehn zu erwachsen für Puppen fühlte. Hänsel verlor einen Arm, Gretel wurde, wie damals üblich, in der Verwandtschaft herumgereicht und verschwand im Lauf der Jahre wie er.
Am 8. Dezember 2000, zu meinem 51. Geburtstag, kam meine Mutter aus der Pfalz nach Wien und brachte mir den wiedergefundenen, gesundeten Hänsel mit – im Originalschlafanzug.
Zwei Wochen später wurde meine Mutter schwer krank und verstarb am Heiligen Abend. Im Januar 2001 musste ich in meine Heimatstadt Frankenthal zur Beerdigung und Nachlassverwaltung. Die letzte Abbuchung auf ihrem Konto war die Rechnung für die Puppenklinik, sie hat den Zahlschein auf dem Weg zum Bahnhof am 8. Dezember abgegeben…
Ein großer Moment für die Kleinen: 1978 für mich und meine Schwester Marion (wir waren damals sieben und fünf Jahre alt) und jetzt für meine Kinder im gleichen Alter, Justus und Juli. Die Versuchsanordnung ist durch die Jahre immer dieselbe geblieben: Irgendwann im Advent entsteht aus den braunen Teigplatten, aus einigen Zahnstochern und jeder Menge Zuckerguss das Lebkuchenhaus. Dieses Jahr ist es ein bisschen windschief geraten, weil die Oma als Chefarchitektin gefehlt hat. Doch Not macht erfinderisch: Die Eiweiß-Zitronensaft-Puderzucker-Mischung haben wir für den rechten Zusammenhalt einfach trocken geföhnt. Das Tollste aber waren, sind und bleiben die vielen Kleinigkeiten zum Verzieren. Nur Kinder können das: gleichzeitig das Haus mit Gummibärchen bekleben und noch einmal die gleiche Menge Süßigkeiten in sich hineinstopfen.
Ich wohne in Oeventrop, einem Ortsteil von Arnsberg im Sauerland. Wenn ich wieder einmal den Kopf freibekommen will, nehme ich meinen MP3-Player, meine Kamera und gehe meine Route um den Ort. In Wildeshausen komme ich dann an der Ruhr vorbei. Dabei entstehen Bilder wie diese beiden. Das linke zeigt, dass ich gar nicht verreisen muss, um einen Indian Summer zu erleben: Die bunten Blätter spiegeln sich auf der Wasseroberfläche und geben der Natur eine anmutige Schönheit. Und nur Wochen später ein Winterwunderland! Eine traumhafte, wie gezuckerte Landschaft. Der richtige Moment, um innezuhalten im vorweihnachtlichen Trubel.