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Der Olympia-Ausweis

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In den Unterlagen meines kürzlich verstorbenen Vaters fand ich diese Erinnerung an die IX. Olympischen Winterspiele 1964 in Innsbruck. Mein Vater war einer der Techniker des IBM-Teams. Am Wettkampfort wurden die Ergebnisse über eine Tastatur erfasst und per Tele-Processing an das Rechenzentrum in einer umgebauten Turnhalle der Innsbrucker Universität übermittelt. Dort wurden die Daten von meinem Vater und seinen Kollegen verarbeitet, ausgedruckt – Computerbildschirme gab es noch nicht – und von sogenannten Operators abgelesen und per Telefon dem Platzsprecher, dem Verantwortlichen für die elektronische Anzeigetafel und dem Fernsehen mitgeteilt. Die Information der Weltpresse erfolgte per Fernschreiber. Besonders stolz war man darauf, dass drei Minuten nach dem Lauf des letzten Teilnehmers bereits die Ergebnisliste des gesamten Wettlaufs fertig war. Mein Vater konnte keinen der Wettkämpfe ansehen, im Schichtplan war festgelegt: »Herr Ganz muss während der Wettkämpfe im Data-Center anwesend sein.«

Birgit Drung, Kelkheim

 

Mühewaltung: Mein Wort-Schatz

1968 begann ich meine Tätigkeit als Sozialarbeiter in einer Wiesbadener Sozialbehörde. Damals hieß das noch »Fürsorger«. Beim Studium von alten Akten stieß ich häufig auf den Begriff Mühewaltung, mit dem sich eine Behörde bei einem anderen Amt für geleistete Amtshilfe und Auskünfte bedankte. Der Ausdruck des Dankes, der heute so verstaubt klingt, war bis in die fünfziger Jahre üblich. Man kann sich die damaligen Beamten mit ihren Ärmelschonern dabei richtig vorstellen. Kürzlich traf ich es wieder, das Wort »Mühewaltung«: in der Novelle Die drei Falken von Werner Bergengruen. Es war wie ein Gruß aus meiner frühen Berufspraxis.

Winfried Dahlen, Waldalgesheim, Rheinland-Pfalz

 

Die Sparschweinmörderin

(nach Frank Wedekind, »Der Tantenmörder«)

Ich habe mein Sparschwein geschlachtet,
Mein Sparschwein war alt und schwach,
Mit Euros und Cents überfrachtet.
Da gab ich ihm eines aufs Dach.

Viel’ Münzen fand ich unter den Scherben,
Jedoch an Papiergeld nicht viel.
Dafür musste mein Sparschwein sterben?
Mich schüttelt’s vor Mitgefühl.

Was nutzt es, dass ich mich noch härme –
Denn auch mein Konto ist leer –
So bleibt leider nichts für die wärme-
ren Länder am Mittelmeer.

Mein Geld kann ich dorthin nicht tragen,
So schwer’s meinem Herzen auch ist.
Ich muss mir schon selbst viel versagen.
Die Euro-Krise – ihr wisst.

Ich habe mein Sparschwein geschlachtet,
Mein Sparschwein war alt und schwach.
Die Euro-Krise, sie trachtet
Selbst meinem Spargroschen nach.

Brunhild Bast, Lambsheim, Rheinland-Pfalz

 

Was mein Leben reicher macht

Ich öffne die Tür und setze mich in den BMW meiner lieben, im vergangenen November mit 90 Jahren verstorbenen Großtante Trude. Augen schließen, einatmen, mich freuen: Immer noch kann ich ihren typischen Duft riechen, obwohl der Wagen inzwischen seit fast zwei Jahren meiner Schwester und mir gehört.

Katharina Enkel, Tübingen

 

Kalter Kaffee

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Was macht man, wenn einem der Kaffee nicht schmeckt? In Greifswald habe ich kürzlich eine Lösung entdeckt. Wie häufig dieser Service wohl in Anspruch genommen wird?

Rolf Meyer, Wedel bei Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Der Bahnbeamte in unserer kleinen Stadt. Bei Problemen mit der Bahncard war ich im Hotline-Dickicht stecken geblieben. Als am Schalter wenig los war, führte er die Telefonate für mich. Als ich danken wollte, wiegelte er ab: Er versuche sich immer nur vorzustellen, wie es ihm erginge, wenn er auf der anderen Seite des Schalters stünde.

Berthold Schüßler, Hitzacker, Niedersachsen

 

Schneiseln: Mein Wort-Schatz

Es ist schon einige Jahre her, da rief meine Frau beim Anblick der ersten zaghaft fallenden Schneeflocken spontan aus: »Es schneiselt!« Selbst unsere damals noch kleine Tochter verstand gleich, dass sie damit die komplette Liedzeile Leise rieselt der Schnee zu einem einzigen Verb verdichtet hatte. Seitdem ist dieses entzückende Wort zu einem festen Bestandteil unseres Sprachschatzes geworden, mit dem wir schmunzelnd die weiße Pracht begrüßen.

Lothar Reinhardt, Biebesheim am Rhein

 

Zeitsprung: Cyrille und der Schnee

Im Dezember 2012 besuchte ich meinen Bruder in Weimar, und auf einem Spaziergang bat ich ihn, mich im Schnee zu fotografieren. Damals skypte ich fast täglich mit Cyrille, den ich einige Monate zuvor während meines Praktikums in Kamerun kennengelernt hatte. Ich wollte ihm mit diesem Foto einen Eindruck vom deutschen Winter vermitteln. Wir hofften, dass er mit einem DAAD-Stipendium nach Deutschland würde kommen können. Doch bald darauf wurde sein Antrag abgelehnt. Wir standen vor dem Nichts und mussten uns entscheiden. Im vergangenen Juni haben wir in Kamerun geheiratet. Jetzt leben wir zusammen in Freiburg, und Anfang Dezember 2013 hat Cyrille seinen ersten Spaziergang im Schnee gemacht.

Hedwig Scharlipp, Freiburg im Breisgau

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn ich einen Beitrag zu dieser Rubrik abschicken möchte und mir beim Nachdenken so viele beglückende Dinge in meinem Leben einfallen, dass ich mich nicht entscheiden kann, was ich schreiben soll.

Martina Blumenstock, Weisendorf, Bayern