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Was mein Leben reicher macht

Der Duft, der mir in die Nase steigt, wenn ich unserem zweijährigen Sohn nach dem Einschlafen noch mal den Lockenkopf küsse: Er riecht warm und süß-verschwitzt, nach den Erdbeeren des Nachmittags und dem Gras, in dem er Purzelbäume schlug.

Ursula Garbe, Murnau am Staffelsee

 

Was mein Leben reicher macht

Zu meiner Arbeit als Sennerin gehört das tägliche Suchen (und Finden) der Rinder und Kälber, die mir den Sommer über anvertraut sind. Passieren kann viel – Absturz im Steilgelände, Beinbruch, Genickbruch. Doch meist genügt es, auf den nächsten Hügel zu steigen, hinter einen Felsen zu schauen, eine Rinne oder Senke zu überwinden. Da steht das vermisste Rind: Muh! Und die Welt ist wieder in Ordnung.

Stephanie Rosenberg, Berchtesgaden

 

Lauschig

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In alten Reiseunterlagen fand ich dieses Foto wieder, das ich im September 1979 in der damaligen Sowjetunion aufgenommen habe: ein Propagandaplakat, mit dem Abhörpraktiken der USA karikiert werden sollten – wie mir damals ein Passant augenzwinkernd erklärte. Ein Schelm, wer Aktuelles dabei denkt!

Christian H. Freitag, Hohenfels, Baden-Württemberg

 

Herbstwind

(frei nach Rainer Maria Rilke »Herbsttag«)

Herr, es ist Zeit, der Sommer war sehr schön.
Nun lass die Kerle wieder lange Hosen tragen,
lass eisekalten Wind um ihre Beine jagen!
Ich kann die bleichen Stelzen nicht mehr sehn.

Mein Augenarzt sprach ernst von Allergie,
von trocknen Augen oder Netzhautschaden.
Es stellte sich heraus, es sind die Männerwaden
mit Stoppelhaaren bis hinauf zum Knie.

Herr es ist Zeit, lass auch die weißen Socken
nun lange, lange Zeit im Schrank verschwinden!
Lass – langbehost – die Kerle dann ’ne Frau noch finden,
mit der sie bis zum Frühling auf dem Sofa hocken!

Helga Strassenmeyer, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Morgens das Garagentor zu öffnen. Dieser Geruch nach altem Auto! Da steht er immer noch, ein 2CV, Jahrgang 1990, einer der Letzten. Heute darf er sich ein bisschen die Reifen vertreten. Wir freuen uns beide.

Klaus Westrup, Bad Wimpfen, Baden-Württemberg

 

Sans Souci

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Die Menschen im mittelfränkischen Sorg sind etwas ganz Besonderes. In ihrer kleinen Gemeinde leisten sie sich eine eigene freiwillige Feuerwehr sowie Kirchweih (sogar mit Karussell). Schließlich will man nicht abhängig sein von den Nachbarn in Großschwarzenlohe (die sind eh ganz anders) oder – schlimmer noch – von den Wendelsteinern (die alle umliegenden Ortschaften eingemeindet haben).

Hier angelt man in der Schwarzach und ärgert sich nicht, wenn diese ab und zu über die Ufer tritt. Im Dezember kann man sich auf einem Adventsmarkt im alten Schlossgarten verzaubern lassen, viel schöner als im nahe gelegenen Nürnberg. Kurzum, hier lässt es sich entspannt und gut leben. Einer hat das jetzt auch aufs Ortsschild geschrieben – sehr passend.

Robert Minge, Wendelstein, Bayern

 

Bähmulle: Mein Wort-Schatz

Als ich bei einem Regenspaziergang den kürzeren Weg wählen wollte, provozierte meine Frau mich mit den Worten: »Du Bähmulle!« Ich lachte über das Wort, das wir seit unserem Abschied aus dem Stuttgarter Raum vor fast 15 Jahren nicht gehört hatten. Heute würde man wohl eher »Warmduscher« sagen. Während jenem im Wellnesszeitalter jedoch eine gewisse Sympathie entgegen gebracht wird, scheint mir die Bähmulle negativer besetzt, hat der so bezeichnete Mensch doch meist einen etwas weinerlichen Charakter.

Dennis Cramer, Satteldorf, Baden-Württemberg