Wenn man schlecht geschlafen hat oder sich – wie es auf Neudeutsch heißt – völlig »ausgepowert« fühlt: Nichts trifft diesen Zustand besser als das Wort zergramattert. Meine Urgroßmutter aus Masuren benutzte dieses Wort häufig. Ich habe es nie wieder gehört.
Im Garten ist alles auf den Stock geschnitten. Mal ab warten, wie es aussieht, wenn das Frühjahr endlich kommt. Der Stamm ist auf jeden Fall ein guter Platz für das Eichhörnchen!
Ende März, grauer Himmel, Schneeregen. Mein Mann und ich bekommen eine Sehnsucht nach Frühling, die sofort gestillt werden muss. Wir fahren in den Botanischen Garten in München und haben drei Stunden Sonne, Kaffee draußen, Krokuswiesen. Im Gewächshaus steht ein 200 Jahre alter Pomeranzenbaum. Er trägt gerade Früchte und gleichzeitig zum Schwindligwerden duftende weiße Blüten. Bei den tropischen Schmetterlingen schwirren noch ein paar umher. Einer setzt sich auf meine Hand – und bleibt. Bis ich ihn auf eine Orchideenblüte setze. Draußen ist der Himmel wieder grau, und es stürmt. Aber wir waren kurz im Paradies.
Zeitweise brauche ich eine kreative Pause von meiner wissenschaftlichen Arbeit als Doktorand der Biologie. Dann missbrauche ich meinen Bürotisch gern als Leinwand. Die Zeichnung widerspiegelt eine gewisse Sehnsucht, bald vom Bürosessel loszukommen und sich wieder in die belebte Welt da draußen zu begeben.
Mit einer Freundin beim ersten Sonnenschein des Jahres im Park zu sitzen und über meinen Freund zu sprechen, der gerade 400 Kilometer entfernt ist und mich trotzdem glücklich macht.
Als kleines Mädchen habe ich gern mit Puppen gespielt. Meine Mutter war Schneiderin, und so lernte ich früh, meine Puppe »Hansele« selbst einzukleiden. Natürlich waren meine Näharbeiten nicht perfekt, und meine Mutter titulierte die Ergebnisse als Hanselearbeit. Diesen Begriff übertrug sie schließlich auf alle Arbeiten, die wir Kinder nicht fehlerlos erledigten. Bis heute hat sich »Hanselearbeit« in unserer Familie gehalten. Sogar im Freundeskreis macht er die Runde. Meine Freundin Renate sagte mir kürzlich: »Ich nähe mir meine Kleidung wieder selbst, aber das ist keine Hanselearbeit.«
Eine Ladung müder Geschäftsleute abends im Anflug auf Friedrichshafen am Bodensee. Das Flugzeug setzt sehr früh auf und rollt und rollt und rollt. Plötzlich, im Ton eines Bahnschaffners, der Steward: »Nächster Halt Ravensburg!« Mit einem Lächeln gehen die Leute in den Feierabend.
Im Linienbus. Neben mir ein älterer Mann, der sein Gegenüber, einen jungen Farbigen, permanent beobachtet. Sein geringschätziger Blick hat etwas Verletzendes. Plötzlich neigt sich der Beargwöhnte lächelnd vor und sagt: »Ich bin Schwarzfahrer.« Wir lachen gemeinsam Tränen über diesen doppeldeutigen Begriff. An der nächsten Sta tion steigen wir aus. Zurück bleibt ein Fahrgast, der wohl nichts verstanden hat.
Im Februar 1945 landeten meine Mutter, mein Bruder und ich nach der Flucht aus Ostpreußen auf der Insel Nordstrand. Wir besaßen nichts als das, was wir auf dem Leib trugen, und das, was Mutter mit Blick auf die bevorstehende Geburt unserer Schwester im Kinderwagen verstaut hatte. Stück für Stück musste sie einen Haushalt aufbauen. Ein Beil war ein wichtiges Werkzeug zur Zerkleinerung des Brennmaterials. Wie kam man an ein Beil? Konnte man den dringenden Bedarf nachweisen, er hielt man einen Bezugsschein, um eines zu erwerben – falls eines angeboten wurde. Eingerahmt hängt die Bescheinigung nun über meinem Schreibtisch, eine Mahnung in Zeiten des Überflusses.