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Zergramattert: Mein Wort-Schatz

Wenn man schlecht geschlafen hat oder sich – wie es auf Neudeutsch heißt – völlig »ausgepowert« fühlt: Nichts trifft diesen Zustand besser als das Wort zergramattert. Meine Urgroßmutter aus Masuren benutzte dieses Wort häufig. Ich habe es nie wieder gehört.

Kai Mickley, München

 

Aus meinem Garten

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Im Garten ist alles auf den Stock geschnitten. Mal ab­ warten, wie es aussieht, wenn das Frühjahr endlich kommt. Der Stamm ist auf jeden Fall ein guter Platz für das Eichhörnchen!

Klaus Beie, Waltrop, Nordrhein­-Westfalen

 

Was mein Leben reicher macht

Ende März, grauer Himmel, Schneeregen. Mein Mann und ich bekommen eine Sehnsucht nach Frühling, die sofort gestillt werden muss. Wir fahren in den Bo­tanischen Garten in München und haben drei Stunden Sonne, Kaffee draußen, Krokuswiesen. Im Gewächshaus steht ein 200 Jahre alter Pomeranzenbaum. Er trägt gerade Früchte und gleichzeitig zum Schwindligwerden duftende weiße Blüten. Bei den tropischen Schmetterlingen schwir­ren noch ein paar umher. Einer setzt sich auf meine Hand – und bleibt. Bis ich ihn auf eine Orchideenblüte setze. Draußen ist der Himmel wieder grau, und es stürmt. Aber wir waren kurz im Paradies.

Ingrid Riedmeier, Unterschleißheim

 

Die Kritzelei der Woche

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Zeitweise brauche ich eine kreative Pause von meiner wissenschaftlichen Arbeit als Doktorand der Biologie. Dann missbrauche ich meinen Büro­tisch gern als Leinwand. Die Zeichnung widerspiegelt eine gewisse Sehnsucht, bald vom Bürosessel loszukommen und sich wieder in die belebte Welt da drau­ßen zu begeben.

Oliver Selz, Luzern, Schweiz

 

Was mein Leben reicher macht

Mit einer Freundin beim ersten Sonnen­schein des Jahres im Park zu sitzen und über meinen Freund zu sprechen, der gerade 400 Kilometer entfernt ist und mich trotzdem glücklich macht.

Kira Krämer, Leipzig

 

Hanselearbeit: Mein Wort-Schatz

Als kleines Mädchen habe ich gern mit Puppen gespielt. Meine Mutter war Schneiderin, und so lernte ich früh, meine Puppe »Hansele« selbst einzukleiden. Na­türlich waren meine Näharbeiten nicht perfekt, und meine Mutter titulierte die Ergebnisse als Hanselearbeit. Diesen Begriff übertrug sie schließlich auf alle Ar­beiten, die wir Kinder nicht fehlerlos erle­digten. Bis heute hat sich »Hanselearbeit« in unserer Familie gehalten. Sogar im Freundeskreis macht er die Runde. Meine Freundin Renate sagte mir kürzlich: »Ich nähe mir meine Kleidung wieder selbst, aber das ist keine Hanselearbeit.«

Gertraud Haug, Bad König, Hessen

 

Was mein Leben reicher macht

Eine Ladung müder Geschäftsleute abends im Anflug auf Friedrichshafen am Boden­see. Das Flugzeug setzt sehr früh auf und rollt und rollt und rollt. Plötzlich, im Ton eines Bahnschaffners, der Steward: »Nächs­ter Halt Ravensburg!« Mit einem Lächeln gehen die Leute in den Feierabend.

Peter Kania, Markdorf, Baden-­Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Im Linienbus. Neben mir ein älterer Mann, der sein Gegenüber, einen jungen Farbigen, permanent beobachtet. Sein geringschätziger Blick hat etwas Verletzendes. Plötzlich neigt sich der Beargwöhnte lächelnd vor und sagt: »Ich bin Schwarzfahrer.« Wir la­chen gemeinsam Tränen über diesen doppeldeutigen Begriff. An der nächsten Sta­ tion steigen wir aus. Zurück bleibt ein Fahrgast, der wohl nichts verstanden hat.

Gerd Bakker, Detmold

 

Wiedergefunden: Bezugsschein für ein Beil

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Im Februar 1945 landeten meine Mutter, mein Bruder und ich nach der Flucht aus Ostpreußen auf der Insel Nordstrand. Wir besaßen nichts als das, was wir auf dem Leib trugen, und das, was Mutter mit Blick auf die bevorstehende Geburt unserer Schwester im Kinderwagen verstaut hatte. Stück für Stück musste sie einen Haushalt aufbauen. Ein Beil war ein wichtiges Werkzeug zur Zerkleine­rung des Brennmaterials. Wie kam man an ein Beil? Konnte man den dringenden Bedarf nachweisen, er­ hielt man einen Bezugsschein, um eines zu erwerben – falls eines an­geboten wurde. Eingerahmt hängt die Bescheinigung nun über meinem Schreibtisch, eine Mahnung in Zei­ten des Überflusses.

Hartmut Neumann, Rheinbach, Nordrhein­Westfalen